Mit Glaube und „Eiern“
Wie der ERC Ingolstadt die Serie gegen Köln noch drehte – und worauf es im Viertelfinale ankommt

15.03.2024 | Stand 16.03.2024, 6:19 Uhr

Der erste Schritt auf der Siegerstraße: Jan Nijenhuis (Mitte) brachte den ERC in Spiel drei bei den Kölner Haien am Donnerstagfrüh in Führung, indem er einen Schuss von Mat Bodie (links) lehrbuchmäßig ins Netz abfälschte. Foto: Imago Images

Viele Fans des ERC Ingolstadt hatten sich am vergangenen Sonntag gegen 17 Uhr einen schönen Sommer gewünscht, eine Sanitäterin verabschiedete sich „bis September“ von Radioreporter-Legende Hans Fischer, die Spieler bemühten Durchhalteparolen.



Nur Sportdirektor Tim Regan, der unter seinem Sakko das Play-off-T-Shirt mit dem Motto „Just Win“ (Einfach gewinnen) trug, strahlte nach der 1:5-Klatsche der Panther gegen die Kölner Haie zum Auftakt der Pre-Play-offs Zuversicht aus. „Am Mittwoch gewinnen wir“, sagte der 50-Jährige – und tatsächlich drehte der stark verbesserte Vizemeister mit zwei Erfolgen an zwei Tagen die „Best-of-Three“-Serie und zog doch noch ins Viertelfinale der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) gegen Hauptrundensieger Pinguins Bremerhaven ab diesem Sonntag (14 Uhr/Magenta Sport) ein.

Unerschütterlicher Glaube der Panther

Handelt es sich dabei nun um eine vorösterliche Auferstehungsgeschichte? War der leblos wirkende ERC nach Hauptrundenplatz neun auf dem dornigen Kreuzweg Pre-Play-offs etwa mit dem Eishockey-Gott im Bunde? Mit unerschütterlichem Glauben hatte der ERC-Triumph tatsächlich zu tun – allerdings nicht an höhere Mächte, sondern in die eigenen Stärken. Und mit zwei irdischen Protagonisten, die ihre Kölner Gegenüber klar ausstachen.

Einer dieser Protagonisten bemühte nach dem entscheidenden 4:2-Sieg am späten Donnerstagabend im Bauch der Lanxess-Arena „eine alte Play-off-Weisheit: In Spiel zwei geht es um Anpassungen“, sagte Mark French. „Spiel eins war taktisch und strukturell nicht das, was wir spielen wollten.“ Also passte der Panther-Coach an: Seine Profis sollten den Puck schneller aus dem eigenen Drittel befördern, die Haie massiert in der neutralen Zone erwarten und nach Scheibengewinn blitzartig kontern. Der defensiv verantwortungsvollere Charles Bertrand ersetzte den irrlichternden Travis St. Denis, auch der eher behäbige Kevin Maginot musste auf die Tribüne.

Uwe Krupp löst Kopfschütteln aus

Diese Maßnahmen gingen auf: Die Kölner Top-Reihe um Torschützenkönig Justin Schütz, im ersten Duell noch für alle fünf Treffer verantwortlich, kam kaum mehr zur Entfaltung, stattdessen setzte der ERC immer wieder Nadelstiche. Haie-Trainer Uwe Krupp fand darauf keine Antwort, sprach nach dem Aus vom Ingolstädter „Scheibenglück“ sowie einem „tieferen Kader“ der Panther und erntete dafür Kopfschütteln.

Der ERC hatte jedoch nicht nur seine Taktik verändert: „Auch unsere Energie war ab Spiel zwei besser“, ergänzte French, dessen Team am Donnerstag 14 Kölner Schüsse blockte – umgekehrt waren es nur zwei. Zudem habe die Dringlichkeit, unbedingt gewinnen zu müssen, die Sinne seiner Mannschaft geschärft. „Wir waren im ersten Spiel daheim chancenlos und hatten wenig zu verlieren“, sagte Stürmer Philipp Krauß. „Wenn wir nicht schon Saisonende haben wollten, mussten wir mehr zeigen.“ Das taten sie: Seine Profis hätten „guts“ bewiesen, meinte French, was sich – frei nach Oliver Kahn – mit „Eier“ übersetzen lässt.

Garteig mit 69 Paraden in Köln

Den größten Mumm bewies womöglich der zweite der eingangs erwähnten Protagonisten: ERC-Goalie Michael Garteig, der in den beiden „Back-to-Back“-Partien insgesamt 69 Haie-Schüsse stoppte. Und das, nachdem er beim 1:5 noch zweimal gepatzt hatte. „Dafür übernehme ich die Verantwortung. Aber ich habe Vertrauen in meine Fähigkeiten“, sagte der 32-Jährige, während er sich mit einem Stück Pizza stärkte. „Köln hat uns in dieser Saison immer ordentlich eingeschenkt, aber ich wusste, wenn wir sie nur für ein Spiel stoppen können, frustriert und verunsichert sie das. So war es.“ Verunsichert wirkte in erster Linie Garteigs Gegenüber Tobias Ancicka, der als Play-off-Debütant bei den Treffern von Krauß zum 2:1 und Casey Bailey zum 3:1 nicht gut aussah.

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Auch Garteig gab zu, dass der ERC in der Hauptrunde und im ersten Play-off-Spiel die nötige Körperlichkeit hatte vermissen lassen. Trotz aller Rückschläge habe das Team jedoch nie an sich gezweifelt: „Wir leben schon die ganze Saison vom Glauben an unsere Fähigkeiten. Wir haben gegen die Top-Teams aus München, Mannheim und Berlin gewonnen, weil wir dran geglaubt haben.“ Gegen vermeintlich leichtere Gegner hingegen habe man Punkte verschenkt. „Wenn wir diesen Flow, diese Ausstrahlung haben und an uns glauben, können wir auch gegen Bremerhaven bestehen“, so Garteig.

Richtiges Timing der Treffer

Krauß hob noch einen anderen Faktor für den Seriensieg gegen die Haie hervor: das Timing der Treffer. „Es ist uns in Köln gut gelungen, in den richtigen Momenten zuzuschlagen“, meinte der Youngster, der in beiden Spielen erfolgreich war. Spiel zwei hatte er per Abfälscher nach 32 Sekunden eröffnet, in Spiel drei traf er nur 80 Sekunden nach dem Kölner 1:1-Ausgleich. „Wenn wir mit einer Führung im Rücken spielen und verteidigen, liegt uns das mehr“, sagte Krauß, der nach der Schlusssirene noch Opfer eines Stockstichs von Pat Sieloff wurde, sich aber nicht verletzte.

Nach der Partie reiste der Panther-Tross zunächst heim nach Ingolstadt. Für French begann da bereits die Vorbereitung auf den Viertelfinalgegner: „Bremerhaven ist eine sehr komplette Mannschaft, gut ausbalanciert, mit starkem Powerplay. Sie sind nicht umsonst Hauptrundensieger geworden“, lautete seine Kurzanalyse. Man müsse ein „unangenehmer“ Gegner sein, meinte Krauß: „Wir müssen so weiterspielen, dann haben wir auch gegen Bremerhaven eine Chance.“ Regan jedenfalls dürfte zuversichtlich sein – und diesmal nicht nur er.