Landgericht Ingolstadt
Streit um Gendersprache bei Audi: Die Entscheidung ist gefallen

29.07.2022 | Stand 22.09.2023, 20:34 Uhr

Der VW-Beschäftigte Alexander B. hat gegen die Gender-Leitlinien von Audi geklagt. −Foto: Richter

Von Horst Richter

Ein VW-Beschäftigter muss sich weiter gegen seinen Willen mit den Gender-Leitlinien der Audi AG befassen. Laut einer Entscheidung am Landgericht Ingolstadt vom Freitag wurde seine Klage gegen den geschlechtsspezifischen Sprachgebrauch im Konzern abgewiesen.



Die 8. Zivilkammer kam in ihrem Urteil zu diesem Schluss: „Wir sehen den Kläger berechtigt dazu, die Klage zu erheben“, hieß es. Man sehe ihn aber nicht zur aktiven Nutzung der Leitlinien verpflichtet, insofern bestehe kein Unterlassungsanspruch. Ob der Kläger weitere rechtliche Schritt plant, ließ er vorerst offen.

Audi sieht sich durch die Gerichtsentscheidung bestätigt: "Wir begrüßen dieses Urteil. Es bestärkt uns in unserem Entschluss, gendersensible Sprache in der internen und externen schriftlichen Kommunikation eingeführt zu haben", heißt es in einem Statement auf Anfrage unserer Zeitung. Als globales Unternehmen mache man keine Unterschiede hinsichtlich sozialer Herkunft, Geschlecht oder sexueller Orientierung der Beschäftigten. "Uns ist wichtig, auf diese Weise ein motivierendes und integrierendes Arbeitsumfeld für alle zu schaffen. Audi möchte alle Personen unabhängig ihrer geschlechtlichen Identität oder ihrer Herkunft wertschätzend ansprechen. Denn Sprache kann Menschen explizit ausschließen, sie bildet soziale Strukturen ab, vermittelt Rollenbilder und Werte und prägt so unsere Wahrnehmung. Gendersensible Sprache ist unserer Meinung nach Ausdruck einer sichtbaren, positiven Einstellung zu Vielfalt und Chancengleichheit. Zudem gewährleistet sie, dass niemand seine geschlechtliche Identität offenbaren muss, um entsprechend angesprochen zu werden."

Kläger: „In der Form kann ich das nicht stehen lassen“

Der abgewiesene Kläger kündigte indes an, sich nach Rücksprache mit seinen Anwälten weitere rechtliche Schritte vorzubehalten. Sobald der 46-Jährige die Urteilsbegründung vorliegen hat, kann er die nächste Instanz am Oberlandesgericht München einschalten. „In der Form kann ich das nicht stehen lassen“, kündigte er am Freitag gegenüber Medienvertretern an. Er stelle in seiner Arbeit fest, welche Komplikationen die Sprachregelung mit sich bringe. „Dieser Genderleitfaden schafft eben gerade keine Geschlechtergerechtigkeit. Er reduziert divers-geschlechtliche Menschen auf einen Unterstrich." Die männlichen Formen würden ebenfalls oft nicht korrekt wiedergeben, beim Begriff "Zeug_innen" etwa würden Männer auf das Wort "Zeug" reduziert, also auf Kram, Krempel oder Müll. "So geht das nicht." Wenn zum Beispiel von "Audianer_innen" die Rede sei, bedeute das keine gleichmäßige Repräsentation von Männern und Frauen – letztere würden dadurch vielmehr in den Vordergrund geraten, das bedeute eine Überbetonung der weiblichen Form.

Die Audi AG verwendet seit Einführung der Leitlinien im März 2021 neutrale Formulierungen wie Führungskraft statt Chef oder den soge-nannten Gender-Gap, mit dem männliche und weibliche Formen mit einem Unterstrich verbunden werden: Was früher ein „Audianer“ war, nennt sich nun „Audianer_in“. In allen internen und auch externen Schreiben des Unternehmens finden sich seither gendersensible Formulierungen. Das Weltunternehmen hatte beim Prozessauftakt am 14. Juni einen Vergleichsvorschlag des Gerichts, den Kläger künftig mit den beanstandeten Formulierungen nicht mehr zu belästigen, kategorisch abgelehnt.

Gender-Leitfaden von Audi ist „Fehler“

„Der_ die BsM-Expert_in ist qualifi-zierte_r Fachexpert_in für die jeweilige BsM-Art und kennt die funktionalen und technischen Zusammenhänge im Fahrzeug. Der_ die BsM-Expert_in hat folgende Aufgaben: Unterstützt bei der Bewertung der BsM-Relevanz (veranlasst durch den_ die verantwortliche_n Spezifika-teur_in, Modulverantwortliche_n, QLAH-Autor_in) ...“ – solche und ähnliche Inhalte hat Alexander B. mit Dokumenten von Audi erhalten. Er ist als Fachreferent im technischen Bereich von Volkswagen tätig und hat konzernintern immer wieder Kontakt mit der Audi AG. Mit dem aufgezwungenen Sprachgebrauch aus Ingolstadt will er indes nichts zu tun haben.

Er halte den Gender-Leitfaden von Audi „für einen Fehler“, hatte B. dem Gericht zum Prozessauftakt im Juni erklärt. Er wolle helfen, das zu korrigieren und zu einer Unternehmenssprache zu kommen, die alle Menschen anspricht. Er möchte dafür sorgen, „dass unsere gemeinsame deutsche Sprache auch für die Zukunft allen als ein gutes, brauchbares, verlässliches Kommunikationsmedium erhalten bleibt“.