Kösching
Kinder und Jugendliche im besonderen Kriegseinsatz

Auch in Kösching musste die Jugend mit anpacken

10.07.2022 | Stand 22.09.2023, 21:27 Uhr
Friedrich Lenhardt

Mit Begleitschreiben wurden die Päckchen, die die Schulgemeinde gepackt hatte, an die Front geschickt. Fotos: Lenhardt (Archiv)

Mit dem Krieg änderte sich der Charakter des Schülereinsatzes in Kösching. Der Mangel an Rohstoffen und Arbeitskräften erzwang ihn. Das Reich versuchte die Ausfälle zu kompensieren durch Ausbeutung der besetzten Gebiete mit „Anwerbung“ von Arbeitskräften und staatlich organisiertem Diebstahl.

Auf den Feldern plagten sich jetzt statt der Bauernsöhne die jungen Buben und Mädchen. An einen geregelten Unterricht war nicht zu denken. Sie bekamen schulfrei. Kröner verschwieg das in seiner Chronik nicht, nannte es, was es war, einen „Kriegseinsatz“, und berichtete darüber:
„1940. 28. / 29. Mai. Die Jungen und Mädl der 6., 7. u. 8. Klasse arbeiten im geschlossenen Einsatz unter Beaufsichtigung der Lehrkräfte beim Zuckerrübensetzen auf den Gütern Horsch (Knaben) und Scheringer, Dürrnhof (Mädchen) an 2 Tagen von 7-18 Uhr gegen Bezahlung; ferner vom 2. mit 7. 6. 1940 bei Heißler und all den hiesigen Bauern. Lehrkräfte halten Aufsicht. Je Stunde wird 0.45 RM bezahlt. Auch zum Disteln, Kartoffelhauen u. zur Heuernte bekamen die Kinder schulfrei. Die Bauern sprachen sich allgemein sehr lobend über die geleistete Arbeit aus.
1941. im Juni. Sämtliche Schüler der Oberklassen sind während der schulfreien Zeit, aber auch teilweise während der Schulzeit beim Zuckerrübenverziehen tätig.“
1942. Mai/Juni. Die Schulkinder der Oberklassen sind auch heuer wieder im Kriegseinsatz beim Zuckerrüben- u. Möhrenverziehen.
Einen besonderen Auftrag hatten die Schüler auf dem Friedhof. Hier war schon einmal 1850 eine Maulbeerhecke zur Seidenraupenzucht angelegt gewesen. Für die Fallschirmspringer der Wehrmacht wurde jetzt Fallschirmseide gebraucht, ein Rohstoff, der in Deutschland kaum zu bekommen war. Die Gewinnung der Rohseide setzte die arbeitsintensive Zucht der Seidenraupe voraus. Ende Mai 1940 erging ein Runderlass vom Reichsminister für Wissenschaft und Erziehung, dass in den Volksschulen Seidenraupen gepflegt und versorgt werden sollten. Im Juni 1942 erhielt die Schule von Kösching die Mitgliedskarte Nr. 42/22958 für Reichsfachgruppe Seidenbauer e. V. im Reichsverband Deutscher Kleinviehzüchter e. V., wobei die geradezu groteske Bürokratisierung zu bestaunen bleibt. Einer der letzten Einträge in der Schulchronik galt den Bemühungen um die Hecke: „Die 8. Kl. Jungen pflegen die Maulbeerhecke im hiesigen Friedhof.“

Einen besondern Kriegseinsatz bekamen die Mädchen. Ihnen wurden die sozialen Kontakte mit der Front anvertraut. Der Schulleiter verfasste im Oktober 1939 ein Begleitschreiben an die „Väter unserer Schulkinder, die an der Front kämpfen: Die Nationalsozialistische Deutsche Schulgemeinde Kösching überreicht Ihnen als Dank und Gruß eine Kleinigkeit mit dem Wunsche baldiger, gesunder Wiederkehr in die Heimat! Heil Hitler!“ Die Schulgemeinde Kösching sendete den Frontkämpfern Zigaretten ins Feld.

Dann kam Weihnachten: „1939. 13. Dez. Der 7. und 8. Jahrgang Mädchen stellt mit ihrer Klaßlehrerin M. Sanctia Müller auf Veranlassung des Leiters der NSV-Schulgemeinde Pg. Kröner21 Feldpost-Weihnachtspäckchen, die an die Mitglieder der Schulgemeinde geschickt wurden, mit großer Liebe und mit Geschmack zusammen. 20.47 RM für Auslagen wurden aus der Schulgemeinde-Kasse bezahlt.“ Plump vertraulich wurde es von ihm „an unsere Köschinger Feldgrauen“ gerichtet. An diesem Vorgehen hielt man die Folgejahre fest. Unter anderem: „1941. Nov. Die NSd-Schulgemeinde Kösching schickt wieder den Vätern unserer Schulkinder Feldpostpakete zur Weihnacht (39 Stück). Briefe schreiben die Mädchen der 8. Klasse, Gebäck wird in der Schulküche gebacken (unter Anleitung der Küchenschwester Marela); die Backwaren (Mehl, Butter, Eier usw.) werden von allen Schulkindern unentgeltlich geliefert. Die übrigen Auslagen (Porto, Papier, Schachteln) übernimmt die Schulkasse (Reisekasse- aus Erlös von Altmaterialsammlungen); die Aktion führt Lehrerin Sanctia Müller mit großer Liebe u. Mühe vorbildlich durch (Auslagen 14.31 RM.)“.