„Einfach als Mannschaft spielen“
Vor Duell mit Wolfsburg: Daniel Pietta über Ursachen der Krise des ERC Ingolstadt – und Wege hinaus

31.10.2023 | Stand 31.10.2023, 19:30 Uhr

ERC-Topscorer mit elf Punkten: Daniel Pietta. Traub

Herr Pietta, vor dem Heimspiel gegen die Grizzlys Wolfsburg an diesem Mittwoch (18 Uhr/Saturn-Arena) liegen die Panther in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) außerhalb der Play-off-Plätze, im Oktober gab es nur elf von 30 möglichen Punkten. Woran liegt das aus Ihrer Sicht?

Daniel Pietta: Ich glaube, dass wir in vielen Spielen sehr nah dran waren zu gewinnen. Zum Beispiel unser Heimspiel gegen Bremerhaven (2:3 nach Verlängerung, d. Red.): Da waren wir hoch überlegen, müssen am Ende aber froh sein, überhaupt in die Verlängerung zu kommen. Wir finden momentan keinen Weg, die Spiele für uns zu entscheiden. Uns würden mal zwei Drei-Punkte-Siege in Folge guttun. Das haben wir noch nicht geschafft, deshalb sind wir auch nicht so locker. Trotzdem müssen wir nach vorne schauen.

Mal ist es die Disziplin, mal die mangelnde Effizienz, die Punkte kosten...

Pietta: Klar sollten wir die Strafen in der offensiven Zone minimieren und dumme Aktionen unterlassen. Aber unser Problem ist vor allem die Effizienz. Es ist offensichtlich, dass es uns schwerfällt, Tore zu schießen. Vielleicht sollten wir uns mal weniger den Kopf zerbrechen. Natürlich müssen wir an die defensiven Aufgaben denken, es aber offensiv einfach laufen lassen. Letztes Jahr sind wir von Anfang an mit einem Flow durch die Saison gegangen, da konnte uns nichts etwas anhaben. Jetzt ist es so, dass wir nach einem Gegentor direkt noch ein zweites kassieren, wie im Schlussdrittel in Schwenningen am Sonntag (3:6, d. Red.). Es sind kleine Momente, kleine Fehler, die solche Spiele entscheiden. Aber es gibt Positivbeispiele. Zum Beispiel Straubing im vergangenen Jahr, die auch schlecht gestartet und am Ende Vierter geworden sind.

Eine Stärke der vergangenen Saison war das dritte Drittel, das Trainer Mark French „Champions Finish“ nennt. Heuer lautet das Torverhältnis im Schlussabschnitt bislang 10:21. Ist das auch ein Fitnessproblem?

Pietta: Nein. Wir sind vergangenes Jahr häufig mit einer Führung ins letzte Drittel gegangen. Dann musste der Gegner aufmachen, wir haben gekontert. Dann kommen noch die Treffer ins leere Tor dazu. Was ich aber sagen muss: Wir hatten im Vorjahr in der Regel kurze Wechsel, wir hatten einen Rhythmus, jeder war involviert. Dieses Jahr ist das aus unterschiedlichen Gründen teilweise anders. In manchen Situationen geht es nicht anders, zum Beispiel bei Ausfällen. Manchmal läufst du auch einem Rückstand hinterher und bringst nicht mehr alle Reihen, was die Pausen für die Top-Spieler verkürzt. Wenn du nicht im Rhythmus bist oder schon vor dem Schlussdrittel sehr viel Eiszeit hattest, fehlt dir am Ende ein bisschen was. Da kannst du noch so fit sein.

Ein Qualitätsproblem der Mannschaft sehen Sie auch nicht? Dass manche Abgänge doch stärker schmerzen als gedacht?

Pietta: Die Spieler, die uns verlassen haben, waren alle wichtige Bausteine für die Vizemeisterschaft. Aber auch die Jungs, die gekommen sind, sind alle gut. Casey Bailey und Travis St. Denis haben bewiesen, dass sie in dieser Liga punkten können, Andrew Rowe hat das in der Schweiz getan. Wir müssen einfach dahin kommen, dass wir als Mannschaft spielen. Die kleinen Fehler am besten abstellen, aber wenn sie doch passieren, muss der Nebenmann diese Fehler ausbügeln.

French sagte vor ein paar Wochen gegenüber unserer Zeitung, dass eine Mannschaft mehr sein müsse als die Summe ihrer Einzelspieler, und dass die Panther das noch nicht seien. Hat er recht?

Pietta: Stimmungsmäßig sind wir schon eine Mannschaft. Aber wir kriegen es noch nicht hin, das auf dem Eis zu zeigen, dass jeder dem anderen vertrauen kann. Dass sich jeder an die taktischen Feinheiten hält, dass jemand dort ist, wo der Pass hinkommt. Zwischenzeitlich haben wir es ja schon hinbekommen: beim 2:0 gegen München, beim 3:2 gegen Färjestad, auch bei der 1:2-Niederlage in Mannheim.

Vor allem also gegen die höher eingeschätzten Gegner.

Pietta: Vielleicht sind es tatsächlich die Gegner, wo man weiß, dass man von Anfang an aufpassen muss. Vielleicht fällt es da leichter. Aber wir haben es auch in Bremerhaven gut gemacht, wo wir eigentlich drei Punkte holen müssen (2:3 n.V., d. Red.).

Welchen Eindruck macht French in der Kabine? Im Gespräch mit den Journalisten ist er mitunter einsilbiger als im Vorjahr, und einige Male konnte er seine Wut nur schwer verbergen.

Pietta: Mark ist ähnlich wie in der vergangenen Saison. Natürlich ist er angespannt, aber das ist jeder. Der mentale Aspekt ist nicht zu unterschätzen. Aber er ist ein Typ, der das gut kanalisieren kann. Er weiß genau, wann er lauter werden muss, wie er die Jungs anpackt. Das ist seine Stärke. Dahingehend ist alles im Lot.

Die Unterstützung der Fans ist groß. Wie sehr hilft das?

Pietta: Seitdem ich in Ingolstadt bin, war das immer so. In dem Jahr, wo wir nur die Pre-Play-offs erreicht haben, wurde es zwischenzeitlich etwas negativer, aber grundsätzlich ist die Unterstützung da. Es hilft, dass auch so viele Leute zu den Auswärtsspielen fahren.

Persönlich läuft es bei Ihnen nicht schlecht, mit elf Punkten sind Sie – mit Wayne Simpson – ERC-Topscorer.

Pietta: Ich würde gerne ein paar Scorerpunkte abgeben, wenn wir dafür ein bisschen weiter vorne in der Tabelle stünden.

Sie bestreiten gegen Wolfsburg Ihr 960. DEL-Spiel. Um in dieser Saison die 1000 zu knacken, müssen die Panther in die Play-offs kommen – vorausgesetzt, Sie verletzen sich nicht. Haben Sie Bedenken, dass Sie Ihr Jubiläum erst 2024/25 feiern können?

Pietta: Nein, gar nicht. Da mache ich mir keine Sorgen.

Das erste ERC-Duell gegen Wolfsburg (2:5) war eines der schwächsten Saisonspiele – zumindest die ersten 40 Minuten. Wie läuft es am Mittwoch?

Pietta: Wolfsburg ist ein sehr robustes Team, das uns am Anfang ein bisschen den Schneid abgekauft hat. Sie waren aggressiver, was uns in dem Moment vielleicht überrascht hat. Das sollte uns nicht wieder passieren. Dann haben wir eine gute Chance, das Spiel zu gewinnen.

ERC Ingolstadt in Kürze

• Personal: Stürmer Casey Bailey fällt nach seinem Sturz in die Bande vom Sonntag in Schwenningen mit einer Oberkörperverletzung vorerst aus. Travis St. Denis ist noch gesperrt.

Gegner: Mit zwei Siegen gegen Düsseldorf und Iserlohn sowie elf Punkten Vorsprung auf die Panther im Gepäck reisen die Grizzlys nach Ingolstadt. Und mit Respekt: „Die Qualität im Team ist deutlich höher als es der Tabellenplatz aussagt. Der ERC hat eine verdammt gute Mannschaft“, sagt Coach Mike Stewart. Die Grizzlys verfügen mit Dustin Strahlmeier und Hannibal Weitzmann über zwei starke Goalies, Topscorer ist Matt White (13 Punkte). Wolfsburg und der ERC sind ligaweit die undiszipliniertesten Teams.

• CHL-Reise: Die Fan-Flugreise zum Achtelfinal-Rückspiel der Champions Hockey League am 21. November nach Växjö/Schweden findet statt. Die Zahl der Interessenten übertraf die der verfügbaren Plätze, teilte der ERC mit. Der Vorverkauf für das Hinspiel in Ingolstadt am 14. November (18.30 Uhr) hat begonnen.