Überaus erfolgreich
ERC-Sportdirektor Regan im Interview: „Haben Maximum rausgeholt“

05.05.2023 | Stand 16.09.2023, 22:39 Uhr

Akribisch, fleißig, ungemein strukturiert und planvoll: Das sind die Attribute, die bei Gesprächen über ERC-Sportdirektor Tim Regan immer wieder fallen. Foto: Traub

Tim Regans erste Saison als Sportdirektor des ERC Ingolstadt war überaus erfolgreich: Erst im Finale um die deutsche Eishockey-Meisterschaft wurden die Panther vom EHC München gestoppt.



Im ausführlichen Gespräch mit unserer Zeitung zieht der 49-Jährige Bilanz, blickt auf WM und Champions League, gibt einen Einblick in seine Planungen für die kommende Spielzeit und erklärt, warum er Torwarttalent Jonas Stettmer nach Berlin ziehen ließ.

Herr Regan, merken Sie, dass Ihnen die DEL-Sportdirektoren nun anders begegnen? Dass der Respekt vor dem ERC Ingolstadt größer geworden ist?

Tim Regan: Man bekommt viel Lob und Komplimente. Es gibt schon den einen oder anderen, der anerkennt, dass wir schönes und erfolgreiches Eishockey gespielt haben. Aber das gilt auch umgekehrt.

Haben Sie die Finalniederlage inzwischen verdaut?

Regan: Das hat schon ein paar Tage gedauert. Man fragt sich, was gewesen wäre, man geht die verschiedenen Szenarien durch. Es ist nicht leicht, in ein Finale zu kommen, deshalb will man die Chance ergreifen. Aber nach zwei, drei Tagen stürzt man sich schon wieder in die Planungen für die neue Saison.

Welche Gründe haben Sie und das Trainerteam um Mark French ausgemacht, dass es am Ende nicht ganz gereicht hat? Und welche Schwächen möchten Sie bei der Planung für die kommende Saison gezielt beheben?

Regan: Nicht viele haben auf uns gewettet, dass wir die Adler Mannheim im Halbfinale schlagen können. Im Finale hatten wir mit München den nächsten Giganten vor der Brust. Wenn du siehst, dass ein Nationalspieler wie Frederik Tiffels in der vierten Reihe spielt, weißt du, dass die eine ganz andere Tiefe im Kader haben. Das Maximum ist der Titel, aber ich denke, dass wir im Rahmen unserer Möglichkeiten und angesichts der Rückschläge durch Verletzungen und Ähnliches das Maximum für uns rausgeholt haben. Wir können zufrieden und stolz sein, nicht enttäuscht. Was wir hätten besser machen können? Vom Taktischen und von der Einstellung her können wir uns nichts vorwerfen. Vielleicht hätten wir in der einen oder anderen Schlüsselszene oder in Überzahl häufiger treffen müssen, aber das soll keine Kritik sein.

Muss man einfach auch akzeptieren, dass die Münchner über die gesamte Saison die stärkste Mannschaft waren?

Regan: Zu 100 Prozent. Als fairer Sportsmann muss man die Vereinsbrille absetzen und sagen: München war verdient Hauptrundensieger und ist verdient Meister.

Eine etwas ketzerische Frage: War es aus rein finanzieller Sicht ganz gut, „nur“ Vizemeister zu werden, weil der Klub so keine Meisterprämien zahlen muss?

Regan: Das hatte ich gar nicht auf dem Schirm, weil man natürlich Meister werden will. Mit allem anderen habe ich mich nicht beschäftigt, ganz ehrlich.

Aber ernsthaft: Erhöht sich der finanzielle Spielraum für Sie durch die acht zusätzlichen und fast komplett ausverkauften Heimspiele in den Play-offs?

Regan: Das weiß ich noch nicht, der Saisonabschluss ist gerade erst fertig. Vermutlich erhalte ich den endgültigen finanziellen Rahmen im Laufe des Mai. Ich plane wie gehabt mit dem Etat der abgelaufenen Saison.

Die Abgänge von Justin Feser und Frederik Storm standen lange fest. Wie sehr schmerzt der Verlust des Sturm-Duos Sie persönlich?

Regan: Ich kenne beide seit Jahren, es sind in erster Linie tolle Menschen und gute Teamplayer. Um jeden, der nach so einer Saison geht, ist es schade, weil alle so viel geleistet und reingesteckt haben. Aber so ist es halt im Profisport. Unsere Spieler sind begehrt, weil wir eine gute Saison hatten und sie Werbung für sich gemacht haben.

Die Abwehr ist mit Daniel Schwaiger (siehe Kasten) und den noch nicht bestätigten Zugängen Kevin Maginot und Luca Zitterbart für Ben Marshall und Emil Quaas komplett – und kommt mit nur noch zwei statt drei Importlizenzen für Mat Bodie und Maury Edwards aus. Also können Sie Feser mit einem Ausländer ersetzen.

Regan: Es war unser Plan, ihn mit einem deutschen Mittelstürmer zu ersetzen. Wir haben alles versucht, waren aber nicht erfolgreich. Storm ist ein Allrounder, der konstant produktiv war. Diese Abgänge müssen wir mit Ausländern auffangen.

Mit Patrik Virta von Tappara Tampere und Travis St. Denis aus Straubing.

Regan: (grinst) Wir sind schon weiter in der Kaderplanung, als wir es bis jetzt bekanntgegeben haben. Aber Namen kommentieren wir natürlich nicht. Es gibt auch die Überlegung, wegen der Champions Hockey League mit einem etwas größeren Kader anzufangen.

Wie zuversichtlich sind Sie, die umworbenen Angreifer Stefan Matteau und Ty Ronning halten zu können?

Regan: Beide haben Interesse von anderen Klubs geweckt. Es liegt an ihnen, was sie wollen. Sie sind wieder herzlich willkommen in Ingolstadt, das haben wir ihnen in den Abschlussgesprächen deutlich gemacht. Jetzt geht’s in die Verhandlungen.

Haben Sie ihnen eine Frist gesetzt?

Regan: Klar. Matteau wollte ein bisschen Bedenkzeit. Er ist schon nach Hause zu seiner Familie gereist, um Zeit mit ihr zu verbringen, und wird sich bei uns melden. Ty ist noch hier, er reist kommende Woche nach Amerika. Bis dahin wird er eine Tendenz abgeben.

Was sagen Sie denjenigen, die kritisieren, dass Sie den jungen Finaltorhüter Jonas Stettmer nach Berlin bzw. Weißwasser haben ziehen lassen und stattdessen den DEL2-Torhüter Devin Williams aus Regensburg geholt haben?

Regan: Die Leute sehen immer den Moment, nicht den Werdegang. Jonas hat in der Oberliga einen guten Schritt gemacht, doch bei unserem Kooperationspartner Ravensburg in der DEL2 hat er nicht die optimale und erhoffte Entwicklung durchlaufen. Erst mit dem Trainerwechsel dort hat er das Vertrauen bekommen, aber das war schon sehr spät in der Saison. Es ist überhaupt nicht böse gemeint, aber manchmal muss man aus seiner Komfortzone herauskommen. Jonas kennt Ingolstadt vom Nachwuchs bis zur ersten Mannschaft. Vielleicht braucht er einen Tapetenwechsel, das habe ich ihm auch so gesagt. Aber unsere Tür ist natürlich immer offen für ihn. Wir sind im Guten auseinander gegangen.

Wer wird dann dritter Goalie?

Regan: Wir müssen unserem Nachwuchs treu bleiben und den Nächsten die Profi-Perspektive geben. Lukas Schulte und Erik Eder sollen auch ihre Chance bekommen.

Das Trainerteam soll bleiben – bis auf Entwicklungstrainer Jeff MacLeod.

Regan: Er hat ein anderes attraktives Angebot erhalten. Deswegen wird der neue U20-Trainer Artur Grass auch der neue Entwicklungstrainer werden. Er ist einer der besten U20-Coaches in Deutschland, ist mit dem Iserlohner Nachwuchs aufgestiegen.

Hatten Sie Interesse an U18-Nationalstürmer Timo Ruckdäschel aus Baar-Ebenhausen, der dem ERC-Nachwuchs entstammt, auf der Red-Bull-Akademie in Salzburg ausgebildet wurde und nun seine Profikarriere bei den Grizzlys Wolfsburg startet?

Regan: Wir wollen gerne mit jungen Spielern arbeiten, und ich habe mich auch mit Timo beschäftigt und Infos eingeholt. Gleichzeitig hätte ich mir aber auch erwartet, dass jemand, der von hier kommt, auch Interesse signalisiert oder vielleicht sogar eine Anfrage an seinen Heimatverein startet. Das ist nicht passiert. Bei Marian Bauer, der einen ähnlichen Weg wie Timo beschritten hat, war es so, dass er nach seiner Zeit bei Red Bull wieder Kontakt zu uns aufgenommen und für unsere U20 gespielt hat.

Bleibt Ravensburg der Kooperationspartner der Panther?

Regan: (grinst) Es schaut gut aus.

Mit Fabio Wagner, Leon Hüttl und Wojciech Stachowiak haben drei Panther Chancen, mit der deutschen Nationalmannschaft zur WM nach Finnland zu fahren. Hat Sie die Nominierung Stachowiaks zu diesem Zeitpunkt überrascht, weil er noch nie fürs DEB-Team gespielt hat?

Regan: Bundestrainer Harold Kreis wollte „Wojo“ eigentlich schon zur U25-Maßnahme im Februar einladen. Damals hatten wir aber großes Verletzungspech und haben darum gebeten, nicht so viele Spieler abstellen zu müssen. Also war Stachowiak schon länger auf der Liste. „Harry“ war auch in den Play-offs bei einigen unserer Spiele, und er ist angetan von „Wojo“ und seinem Speed.

Schaffen es aus Ihrer Sicht auch alle drei in den WM-Kader?

Regan: Fabio ist in der Defensive eigentlich nicht wegzudenken. Leon ist Rechtsschütze, er scheut keinen Zweikampf, ist läuferisch stark und bewegt die Scheibe gut. Durch die gute Saison hat er unglaublich Selbstvertrauen getankt und ist fit, er kann bedenkenlos 20 Minuten und mehr spielen und ist im Rhythmus. „Wojo“ ist neu, er muss sich schnell an alles gewöhnen. Auf internationaler Ebene werden die Zweikämpfe auf einem ganz anderen Level geführt, er hat auch nicht so viel Zeit. Da muss er schnell umschalten.

Was trauen Sie Kreis und dem DEB-Team generell zu?

Regan: Ich halte viel von „Harry“ als Trainer. Er ist sehr organisiert und baut auf eine stabile Defensive, das brauchst du auf internationaler Bühne. Er kommuniziert gut und hat über die Jahre viele deutsche Spieler entwickelt. Ich bin gespannt, wie er sich mit der Nationalmannschaft schlägt.

Reisen Sie zur WM? Oder geht’s zum Scouting nach Nordamerika? Oder können Sie sich ein paar Tage wohlverdienten Urlaub gönnen?

Regan: Bei der WM bin ich dabei. Vielleicht habe ich im Juni ein paar Tage Zeit, um mit meiner Familie was zu machen.

In knapp drei Wochen werden im finnischen Tampere die Ingolstädter Gegner in der Champions Hockey League ausgelost. Haben Sie schon einen Wunsch, wohin es gehen soll?

Regan: Unter Reisegesichtspunkten sage ich: Salzburg, Innsbruck (lacht). Es wird darauf ankommen, in welchem Topf wir bei der Auslosung landen. Alle sind neugierig.

DK



Das Gespräch führte Alexander Petri.