Schwabmünchen
Psychotricks mit der Kugel

Reinhold Below aus Schwabmünchen schaut sogar auf internationalen Kegelbahnen nach dem Rechten

14.04.2021 | Stand 11.06.2021, 3:35 Uhr
Ein gewissenhafter Unparteiischer: Mit seinem roten Hemd, das ihn als Schiedsrichter ausweist, ist Reinhold Below nicht zu übersehen. −Foto: J. Bartenschlager

Schwabmünchen - Reinhold Below aus Schwabmünchen besitzt die Lizenz, sogar internationale Kegelturniere leiten zu dürfen.

Die Sportordnungen sind komplex, ebenso die Taktiken der Spieler - und mitunter muss Below vermeintliche "Alle Neune" zum Nullwurf erklären.

Kegeln ist ein Sport mit grundsätzlich einfachen Regeln: Man nimmt Anlauf und wirft seine Kugel, die hoffentlich alle Kegel abräumt. Wie viele dann tatsächlich fallen, sieht jeder. Wozu braucht es da groß einen Schiedsrichter?

So kann nur ein Laie sprechen, der nie eine Bahn betreten hat. Kegeln ist eine schöne, aber auch diffizile Sportart mit einem sehr vielschichtigen sowie ausgeklügelten Regelwerk. Es gibt die Bayerische, die Deutsche und die Internationale Sportordnung, die sich in wichtigen Details voneinander unterscheiden.

Below hat sie alle drei im Kopf: Er besitzt die Lizenz, auch internationale Turniere zu leiten. 1992 erwarb er den B-Schein und einige Jahre später den A-Schein. Damals war er viel unterwegs mit einem international agierenden Schiedsrichtergespann, dem Ehepaar Beck. Die Beiden wollten kürzer treten und animierten Below, auch den internationalen Schein zu erwerben. Der zögerte. Er war Mitglied bei der Berufsfeuerwehr der Bundeswehr in Lagerlechfeld und hatte Schichtdienst. Sollte er sich den zusätzlichen Stress antun?

Schließlich meldete er sich doch an und besuchte in Poing bei München den dreitägigen Lehrgang von Freitag bis Sonntag. Schon die Teilnahme war an großen Voraussetzungen geknüpft, das geforderte Vorwissen ist beträchtlich. Nach bestandener Prüfung wurde Below sofort in kalte Wasser geschmissen. Heute ist es für die Neulinge etwas bequemer: "Für die ersten zwei oder drei Spiele steht ein erfahrener Schiedsrichter zur Seite", erklärt der 61-Jährige.

Die Lizenz muss regelmäßig erneuert werden, B- und A-Schiedsrichter müssen alle drei Jahre eine schriftliche Prüfung ablegen. Voraussetzung dabei ist, innerhalb von zwei Saisonen sechs Spiele geleitet zu haben. Sonst gibt es keine Zulassung zur Prüfung. Bei Internationalen Referees beträgt das Intervall sechs Jahre. Doch soll das angeglichen werden. Below findet die Prüfungen richtig: "Die Sportordnung ändert sich ständig. "

Ein guter Schiedsrichter ist eine Stunde vor Beginn des Wettkampfs vor Ort. Er überprüft die Bahnen, die Schnüre für die Kegel, die Lichtschranke und die Kugeln. "Da liegen manchmal welche auf, die sind so verhaut, dass man sie gar nicht mehr als Kugeln bezeichnen kann", plaudert der Referee aus Schwabmünchen aus dem Nähkästchen.

Auch die Mannschaftsmeldung will genau studiert sein. Zunächst einmal stellen die Gastgeber ihre Vertretung auf. Danach können die Gäste ihre Spieler dagegen stellen. Die Teams müssen sich nicht nach Spielstärken orientieren, wie das beispielsweise beim Tennis der Fall ist, sondern sind völlig frei. Auf diese Weise soll ein Ausgleich dafür stattfinden, dass die Gastgeber ihre Bahnen in- und auswendig kennen. In der Bundesliga muss die Aufstellung der Heimmannschaft 45 Minuten vor Spielbeginn erfolgen, die der Gäste 30 Minuten vorher.

Bei internationalen Turnieren dürfen zehn Leute aufgestellt werden, von denen sechs spielen und vier als Ersatz fungieren. Die Besonderheit: Jedes Team darf zweimal tauschen und zweimal auswechseln. Mit anderen Worten: Man kann seine starke Nummer eins gegen einen schwächeren Spieler austauschen oder nach hinten setzen - auch wenn der Gegner seine Akteure schon gesetzt hat. In Deutschland ist diese Vorgehensweise allerdings nicht mehr erlaubt. Beim Auswechseln wird zwar ein Spieler durch einen anderen ersetzt, nicht aber die Position. Dieses gilt natürlich für beide Mannschaften. Sind die Regularien abgearbeitet, begrüßt der Schiedsrichter die Spieler, gibt die Aufstellung bekannt und wünscht "Gut Holz". Auch die Mannschaftsführer sprechen ein kurzes Grußwort - und los geht es. Ein Schiedsrichter ist für vier Bahnen zuständig. Wird auf sechs oder acht Bahnen gespielt, muss ein zweiter Referee vor Ort sein.

Die Sportler haben viermal 30 Würfe. Nach jeweils 30 Würfen wird die Bahn gewechselt, wobei der Unparteiische nochmals die Bahnen inspiziert. Sind sie noch sauber oder gibt es eventuell Schweißtropfen?

Der Schiedsrichter bezieht während des Turniers hinter den Spielern Position. Er achtet darauf, dass sie auf der Bahn bleiben und auf der 35 Zentimeter großen Aufsatzbohle ihre Kugeln auflegen. Auch darf ein Spieler seinen Gegner nicht stören. Da gibt es durchaus Psychotricks: Normalerweise gibt es für je zwei Bahnen einen Kugelrücklauf. Einige besonders Findige nehmen just in dem Moment eine Kugel auf und beugen sich extra weit in die Bahn hinein, wenn der Gegner dort gerade Anlauf nimmt. So etwas muss ein Schiedsrichter unterbinden.

Er hat dafür, wie im Fußball, Karten in seiner Tasche: Gelb bekommt, wer seine Kugel in die Bahn wirft, neben der Aufsetzbohle absetzt oder zu laut redet. "Für kleinere Unsportlichkeiten", verdeutlicht der 61-Jährige. Diese Karte hat noch keine unmittelbaren Folgen. Wer aber bereits Gelb gesehen hat, bekommt das nächste Mal die Gelb-Rote Karte: Sein Wurf wird gezählt, aber die Kegel abgezogen. Er hat einen Nullwurf getan. Das kann spielentscheidend sein. Bei einem Internationalen Turnier etwa hat Below gegen einen estnischen Spieler sieben Gelb-Rote Karten wegen Übertretens verhängt.

Rot zückt der Schiedsrichter bei groben Unsportlichkeiten, wenn der Spieler sich mit den Zuschauern anlegt oder den Gegner beleidigt. Derjenige muss das Spiel beenden und die Bahn sofort verlassen. Allerdings kann ein Ersatzakteur eingreifen, falls noch einer vorhanden ist. Bei Internationalen Turnieren geht es strenger zu: Bei Rot werden alle vorherigen Würfe gestrichen. Etwa noch vorhandene Würfe kann dann der Ersatzmann spielen.

Sehr diffizil ist die Sache mit den Kugeln. Grundsätzlich stehen an jeder Bahn genügend Kugeln für die Sportler bereit. Aber viele trauen ihnen nicht und benutzen eigene Kugeln. Das ist erlaubt. Jede private Kugel hat einen eigenen Pass und darf nur vom Besitzer und niemanden anders benutzt werden. Im Eifer des Gefechts kann es aber schon mal vorkommen, dass jemand seine Kugel liegen lässt und ein anderes Mannschaftsmitglied sie aufnimmt. Dessen Würfe sind samt und sonders ungültig. Below hat es erlebt, dass ein Team einen solchen Vorgang beim Gegner sehr genau registriert, aber erst dann Einspruch erhob, als der seinen letzten Wurf getan hat. Fies hin oder her - die Regeln sind eindeutig. Deshalb mahnt der Referee jedes Mal eindringlich, auf seine Kugel zu achten.

Um bei den Kugeln zu bleiben: Auf internationaler Ebene sind nur Vollkugeln erlaubt; in Bayern dürfen über 50-jährige Sportler auch Lochkugeln verwenden - eine kleine Erleichterung für die Senioren.

Wenn alles gepasst hat, setzt Below nach den Mannschaftsführern seine Unterschrift unter den Spielberichtsbogen und beendet damit offiziell das Spiel. Vollkommen egal, wie es auch ausgegangen ist: Alle Beteiligten freuen sich auf die nächste Runde in einem faszinierenden und spannenden Sport. Und von Schiedsrichter Below fällt ebenfalls die angespannte Aufmerksamkeit des Tages ab.

SZ