Peutenhausen
Der südkoreanische Berliner

Muk Kang wurde viermal Deutscher Meister beim American Football – Leistungsträger bei den Dukes

13.08.2014 | Stand 02.12.2020, 22:21 Uhr

Auf dem Spielfeld kaum zu stoppen, außerhalb fast immer gut gelaunt: Muk Kang - Fotos: Strisch

Peutenhausen/Ingolstadt (PK) Schon viermal Deutscher Meister geworden zu sein – nicht einmal ein Thomas Müller darf das von sich behaupten. Ebenso wenig ein Arjen Robben. Muk Kang hingegen hat dieses Kunststück schon geschafft. Aber deswegen kreischende Teenies in seiner Nähe, üppige Summen auf seinem Bankkonto? Nicht wirklich. Der 35-Jährige ist eben kein Fußballer, sondern „nur“ American-Football-Crack.

„Was soll’s? Ich bin trotzdem hundertprozentig zufrieden“, sagt Kang – und grinst. So ist er halt – fast immer gut gelaunt, stets einen lockeren Spruch auf den Lippen. Er, der gebürtige Berliner, der nun in Bayern eine zweite Heimat gefunden hat. Im Altlandkreis Schrobenhausen, in Peutenhausen. Also in einer ländlichen Gegend, in der so überhaupt nichts an die deutsche Bundeshauptstadt erinnert. „Natürlich war’s für mich eine Riesenumstellung, hierher zu ziehen. Aber es ist alles okay“, sagt Kang: „Besonders die Leberkäs-Semmeln liebe ich bereits heiß und innig.“

Seit der Saison 2013 spielt er nun für die Ingolstadt Dukes, seit rund eineinhalb Jahren lebt er in Bayern. Heimweh nach Berlin? „Überhaupt nicht“, so der 35-Jährige: „Obwohl es schon durchaus mal sein kann, dass ich dorthin zurückkehre. Mal sehen.“

Kang liebt seinen Sport. Aber er weiß genau, dass American Football nicht alles in seinem Leben sein kann – so schön die vier Ringe auch sind, die er für den Gewinn der Deutschen Meisterschaften 2005, 2006, 2007 und 2008 (mit den Braunschweig Lions) erhielt. Natürlich ist der 35-Jährige stolz darauf, selbstverständlich hat er die Schmuckstücke sicher in der elterlichen Wohnung in Berlin verstaut. Aber hier in Bayern geht es für ihn vor allem darum, auch in beruflicher Hinsicht vorwärts zu kommen. Prompt machte Kang nun endlich den Autoführerschein, um ein interessantes Angebot als Berufskraftfahrer annehmen zu können. „Zuvor, in Berlin und Braunschweig, hatte ich den Lappen ja nie gebraucht. Aber jetzt bin ich heilfroh, dass ich ihn in der Tasche habe“, berichtet der Sportler.

Dass der Berliner mit südkoreanischem Pass einst überhaupt beim American Football landete – eigentlich war es ein Riesenzufall. Im Stadtteil Tempelhof aufgewachsen, tat der junge Kang zunächst genau das Gleiche wie so viele in seinem Alter – nämlich Fußballspielen. Nur Taekwondo musste er auf sanftem Druck durch den Vater auch erlernen. Irgendwann verzauberte ihn aber die TV-Übertragung eines NFL-Matches aus den USA regelrecht. „Die Chicago Bears haben gegen die Minnesota Vikings gespielt. Ich war davon so begeistert, dass ich fortan jede Woche die NFL-Spiele anschaute und fleißig die Regeln lernte“, berichtet Kang.

Der Bruder eines Kumpels brachte ihn dann 1995 erstmals selbst auf den Platz – bei den Berlin Bears. „Es ist sofort richtig gut gelaufen“, erinnert sich der Peutenhausener: „Allein in meinem ersten Ligaspiel in der Jugend, als Cornerback gegen die Cottbus Crayfish, fing ich drei Interceptions. Und danach bin ich bis heute auf dieser Position geblieben.“

Ein Südkoreaner also auf der Jagd nach Yards sowie Touchdowns – und seine Familie fand es auf Anhieb richtig toll. „Mein Vater wollte nur, dass ich zusätzlich den ersten Dan beim Taekwondo mache. Das tat ich – und prompt kaufte er mir auch meine American-Football-Ausrüstung“, erzählt Kang wieder einmal mit einem Lächeln: „Es war meinen Eltern aber vor allem wichtig, dass ich keinen Mist mache und mich nicht auf der Straße herumtreibe. Entsprechend unterstützten sie mich bei meinem neuen Sport von Beginn an.“

Zumal sich ihr Sohn sehr schnell als Riesentalent entpuppte. Schon nach einem Jahr stieg er in die Berliner Jugendauswahl auf, im Alter von 18 Jahren folgten sogar schon Nominierungen in die Jugend-Europaauswahl. „Auf diesem Weg kam ich das erste Mal in die USA, durfte in San Diego gegen Mexiko ran. Das sind natürlich Dinge, die man nie vergisst“, berichtet Kang stolz.

Mit 19 Jahren kam er schließlich zu den Männern – mittlerweile bei den Berlin Adlern, dem Vorzeigeklub der Bundeshauptstadt – und mit diesem Team schaffte er sofort den Aufstieg in die Erste Bundesliga. Keine Frage: Der sportliche Erfolg hätte ihm schon etwas zu Kopf steigen können. Tat er aber nicht. Stattdessen legte Kang bereits damals großen Wert auch auf seinen beruflichen Werdegang, begann eine Ausbildung als Gas- sowie Wasserinstallateur – und schloss diese dann im Jahr 2002 erfolgreich ab. Erst anschließend hörte sich der Südkoreaner diverse Angebote von anderen Vereinen genauer an, dachte über einen eventuellen Wechsel in eine andere Stadt intensiver nach.

Und 2004 wechselte er tatsächlich erstmals – zu den Dresden Monarchs in die GFL. „Viele Freunde aus Berlin gingen ebenfalls dorthin, dazu gab es ein bisschen Geld. Natürlich fand ich das cool“, erinnert sich Kang. Aber er pendelte nur per Bahn in die sächsische Metropole, wohnte weiterhin in seiner Heimatstadt – und machte dort im gleichen Jahr sogar sein Fachabitur. Sport war für Kang weiterhin nicht alles.

Zumindest so lange nicht, bis Ende 2004 irgendwann das Telefon klingelte. Am anderen Ende der Leitung: US-Startrainer Kent Anderson, sein einstiger Förderer bei den Adlern. Dieser nahm für 2005 ein Engagement bei den Braunschweig Lions an und wollte auch Kang nach Niedersachsen lotsen. „Ich sagte sofort, dass ich auf jeden Fall dabei bin“, erinnert sich der Berliner. Und er traf damit wohl die beste Entscheidung, die er in seiner sportlichen Karriere hätte treffen können – denn so wurde er zu einem festen Bestandteil der Goldenen Generation der Lions: Die Braunschweiger spielten fortan die nationale Konkurrenz förmlich in Grund und Boden, wurden viermal in Folge Deutscher Meister, jetteten als Eurobowl-Teilnehmer immer wieder quer durch Europa, lernten Städte wie Valencia, Mailand, Kiew und Prag kennen – mit Kang als unumstrittenen Stammakteur.

„Die beiden ersten Jahre pendelte ich noch von Berlin nach Braunschweig. Ab dem dritten zog ich dann fest dorthin und nahm zudem einen Job beim Hauptsponsor der Lions an, einem großen Textilunternehmen“, erinnert sich der mittlerweile 35-Jährige. Also erstmals von zu Hause weg. „Aber ein Problem war dies nicht, ich bin ja ein sehr anpassungsfähiger Mensch“, so Kang: „Außerdem tat der Verein wirklich alles, um mir gute Voraussetzungen zu bieten. So wurde mir eine Wohnung direkt in der Stadt gestellt, sodass ich auch dort kein Auto und keinen Führerschein benötigte. Das änderte sich erst jetzt, in Peutenhausen.“

Vor allem an den Gewinn seines vierten DM-Titels, 2008 im Finale gegen die Kiel Baltic Hurricanes, erinnert er sich immer wieder gerne zurück: „Das Match war die ,Überbombe’“. Aber danach ging es bei den Lions mehr und mehr bergab. Kang blieb trotzdem bis Ende 2012, hörte sich jedoch auch nach anderen Angeboten um.

Prompt wurde Tobias Schmidt, sein langjähriger Freund, der inzwischen bei den Ingolstadt Dukes spielte, auf ihn aufmerksam – und machte ihm einen Wechsel an die Donau schmackhaft. „Zu diesem Zeitpunkt war ich schon 33 Jahre alt. Da ist man schon froh, wenn überhaupt noch ein Klub an einem Interesse hat“, sagt Kang nun und lächelt.

Aber als südkoreanischer Preuße ausgerechnet nach Bayern? „Ich hatte auch Anfragen aus Dänemark oder Frankreich auf dem Tisch. Aber ich sprach dann mit den Dukes-Verantwortlichen, sah mir auch ein Match der Ingolstädter an – und dann stand für mich fest, dass ich dieser Sache eine Chance geben will.“ Eine gute Entscheidung für ihn, eine gute Entscheidung für die Herzöge. Kang kam 2013 – und wurde blitzschnell zu einem Sympathieträger sowie extrem wichtigen Akteur. Dass die Dukes schon jetzt als Meister der Regionalliga Süd 2014 feststehen – auch ihr Mann aus Berlin hat daran einen gewichtigen Anteil. Er, der in Ingolstadt mittlerweile eine weitere Ausbildung (als Fachkraft für Lagerlogistik) gemacht hat und der trotz aller Liebe zum Leberkäs immer noch die Currywurst aus seiner Heimatstadt vermisst.

Aber wie schon erwähnt: Kang ist ja anpassungsfähig. Und so spielt er in Schrobenhausen inzwischen sogar Fußball beim FC Türkenelf, wobei er die Position des rechten Verteidigers offiziell „ganz gut“ findet. Markus Gmeiner, Kicker der Dukes und gleichzeitig Fußballer bei der Türkenelf, kann hierüber freilich nur den Kopf schütteln: „Muk ist der klassische Stürmer – den Ball gibt er so gut wie nie ab.“ Genau so, wie es der südkoreanische Berliner aus Peutenhausen vom American Football gewohnt ist.