Neuburg
Wenn sie über alle Pisten bügeln

Im Landschaftsschutzgebiet reiht sich Trail an Trail: Mountainbiker zunehmend als Problem wahrgenommen

12.05.2021 | Stand 13.07.2021, 3:34 Uhr
Mitten durch den Wald zu preschen (oben ein Symbolbild) übt auf viele BTM-Fahrer einen besonderen Reiz aus, ist aber verboten. Die Forstgebiete oberhalb der Donau sind von Trails durchzogen, die ohne Rücksicht auf Flora und Fauna angelegt wurden (unten). Wild und Wald leiden darunter. Bei Regen werden die Trails ausgewaschen, was weiteren Schaden verursacht. −Foto: Bartenschlager/Pixabay

Neuburg - "Wir sind die Wilden und nicht zu zügeln, wenn wir über alle Pisten bügeln.

Wir ridern easy über Berg und Tal, stoppen kann uns nur ein Begrenzungspfahl" - diese Textzeilen aus dem Song der Gruppe Torfrock zum Werner-Film "Beinhart" ist gemünzt auf eine Motorradgang, würde aber problemlos auch auf eine bestimmte Gruppe von Moutainbikern passen. Auch die bügeln wild über alle Pisten, vor allem, wenn die mitten durch den Wald führen. Das macht für sie den Reiz aus - ist aber aus guten Gründen verboten.

Waldbesitzer, Förster, Jäger, Naturschützer und übrigens auch Denkmalpfleger sehen dieses Treiben zunehmend kritisch. In einem Waldstück bei Kreut (Gemeinde Oberhausen) kamen jüngst Sybille von Philipp, Gerhard Günther und Mini Forster-Hüttlinger zusammen, um sich ein aktuelles Bild zu machen. Frau und Herr von Philipp sind die Besitzer der Forstgemarkungen Oberhausen, Kreut und Obere Stadt, Günther ist der zuständige Jäger und Forster-Hüttlinger ist Mitglied beim Bund Naturschutz sowie Mit-Initiatorin der Wanderwege, die hier seit 2006 angelegt wurden.

Der Forst hier bei Oberhausen ist beliebt bei Mountainbikern. Wer den Weg zur Alten Burg wählt, sieht es überdeutlich: Alle 50 bis 100 Meter bricht sich ein Trail Bahn quer durchs Gehölz, Richtung Donau. Das Gelände ist anspruchsvoll und steht wohl deshalb bei MTB-Fahrern hoch in der Gunst. Das hat Auswirkungen.

"Das Wild kommt nicht zur Ruhe", erklärt der Jäger. Es werde ständig aufgeschreckt - rund um die Uhr. "Mountainbiker mit Stirnlampen sind hier auch nachts unterwegs", weiß Günther. Angesichts der starken LED-Lichter vergleicht er diese Radler mit einer nächtens landenden Passagiermaschine mit voll eingeschalteter Beleuchtung. Die Folge: Das Wild, vor allem Rehe, flüchtet in wilder Panik und gerät oft auf die nahe B16 oder an die Steilhänge der Donau. "Wenn sie da runterstürzen und sich einen Lauf brechen, verenden sie elendiglich", führt der Jäger aus.

Auch die Flora leidet erheblich. In den Schneisen wächst nichts mehr - und zwar auf Dauer, weil der Boden in kurzer Zeit stark verdichtet wird. Es geht - holterdipolter - über Wurzeln, was diese und damit die Bäume erheblich stresst. Neuanpflanzungen sind an diesen Stellen praktisch unmöglich. Um den Nervenkitzel zu steigern, legen findige Moutainbiker Rampen und Sprungschanzen an und benutzen Bäume als Verankerungen - eine weitere Schädigung für die Eichen, Buchen und Eschen.

"Rund um die Alte Burg gibt es zahlreiche archäologische Fundstellen", schneidet Mini Forster-Hüttlinger ein weiteres Thema an und zählt auf: "Römerstraße, römischer Burgus, Hügelgräber und die Burg selbst. " Sogar über solche neuralgische Stellen wie Hügelgräber brettern die Mountainbiker drüber - viele sicher unbewusst, aber das mindert die Schäden nicht.

Ein wichtiger Aspekt ist noch gar nicht berücksichtigt: Wanderer werden gar nicht so selten von rasenden Bikern in Gefahr gebracht.

Im Raum stehen übrigens auch Haftungsansprüche gegenüber den Waldbesitzern, wenn ein Mountainbiker stürzt und sich verletzt - ein sehr heikles Thema, zu dem es unterschiedliche Auffassungen gibt. Günther selbst musste schon den Rettungsdienst rufen, nachdem ein Radler seine Fähigkeiten überschätzt hatte. Überdies befindet sich in der Nähe ein Steinbruch, den Ortsunkundige nicht kennen und der für die Sportler gefährlich werden kann.

Eine andere Rechtslage dagegen ist klar: Fahrradfahrer dürfen Forst- und Wanderwege benutzen; quer durch den Wald zu preschen ist grundsätzlich verboten. In diesem Waldstück kommt noch erschwerend dazu, dass es sich um ein Landschaftsschutzgebiet handelt.

Verbots- und Hinweisschilder, darin sind sich Sybille von Philipp, Gerhard Günther und Mini Forster-Hüttlinger einig, entfalten keinerlei Wirkung. Sie würden in kürzester Zeit entweder umgeworfen oder mit Farbe übersprüht. Auch Gespräche würden nichts fruchten, sagt Günther. Manche der Angesprochenen würden nach außen Einsicht zeigen und dann doch weitermachen. Andere würden unverschämt reagieren. Und Anzeigen stellen? Der Jäger lacht. Gegen wen denn? Personalien dürfe er nicht feststellen und Nummernschilder gibt's auch nicht.

Das eigentliche Problem besteht nicht darin, dass ein paar wenige Mountainbiker mal einige Bäume umkurven. Die Masse macht's. "Vor zehn Jahren gab es vielleicht zwei oder drei Fahrradfahrer durch den Wald", weiß Günther. Inzwischen sind es unzählige. "Zum Silbersee hinunter gab es voriges Jahr noch keinen Trail. Heute schon. " Immer neue kommen hinzu. Zwei Gründe macht er dafür hauptsächlich verantwortlich: den E-Antrieb und Corona. Früher brauchte man eine solide Fitness, um über alle Pisten bügeln zu können. Heute erledigt das der Elektromotor. Und während der Corona-Einschränkungen gab es nur wenige Möglichkeiten, draußen Sport zu betreiben. Radfahren ist eine davon. Abgesehen davon ist Radeln in jeder Form "in". Die Händler kommen nicht mit den Bestellungen nach.

Dabei haben Sybille von Philipp, Gerhard Günther und Mini Forster-Hüttlinger durchaus Verständnis für die Anliegen der Mountainbiker. Wer sich ein solches Gerät für viel Geld anschafft - Preise von 4000 Euro und mehr sind keine Seltenheit - möchte eben nicht an asphaltierten Radwegen entlangzuckeln, sondern Action erleben.

Während die drei noch diskutieren, taucht ein Mountainbiker auf, der ganz vorschriftsmäßig auf dem Wanderweg unterwegs ist. Dabei entwickelt sich ein Diskurs, der zwar von gegenseitigem Verständnis geprägt ist, aber dennoch Gegensätze aufwirft, die kaum zu überbrücken sind.

"Wir haben als Mountainbiker keine Lobby", klagt der junge Mann. "Wo sollen wir denn hin? ", fragt er. Dabei hat er Sybille von Philipp an seiner Seite: "Jeder andere Sport, ob Fußball oder Tennis, hat seine Plätze und Räume", stimmt sie zu. Sie ist der Auffassung, das die Kommunen tätig werden und bestimmte Areale für Mountainbiker ausweisen sollten. Waidmann Günther könnte sich eine der Gruben der Firma Hoffmann für so einen Zweck vorstellen.

Auch wenige ausgewiesene Trails durch die Staatsforsten wurden angedacht, Strecken durch ein Landschaftsschutzgebiet sollten jedoch tabu sein. "Aber diese Trails hier sind doch schon da", entgegnet der Sportler. Will heißen, da könne man nichts mehr kaputt machen. "Man will doch raus in die Natur. Ich bin froh um jeden, der raus geht", wirft er ein. Mit Fußgängern und Kindern hätte er noch nie Probleme gehabt, und auch in der Nacht sei er nie unterwegs. Dass er Wild aufscheuchen und damit gefährden könne, habe er nicht bedacht, räumt der junge Radler ein. Das sei natürlich ein Argument. Er hätte sich ein Hinweisschild gewünscht, vielleicht mit einer Telefonnummer von jemanden, den man fragen könne, was erlaubt sei und was nicht. "Und wer soll da anrufen? Das tut doch niemand! ", kontert der Jäger. "Ich würde das tun", versichert der Radler.

Wie er weiter schildert, werden Leute wie er mitunter selbst Ziel von Gewalt. Er verweist auf militante Mountainbike-Hasser, die sich nicht scheuen, Hindernisse über die Trails zu legen oder gar Seile zu spannen, um Unfälle zu provozieren. Das habe er persönlich schon erlebt, so der Radler. Die anderen reagieren entsetzt: indiskutabel und kriminell, heißt es übereinstimmend. Niemand wünscht einem Mountainbiker, von einem Begrenzungspfahl, respektive quergelegten Stamm gestoppt zu werden.

DK