Hilpoltstein
Am Weltmeistertitel vorbeigeschrammt

Auf dramatische Art und Weise verpasst Alexander Flemming seinen ersten Triumph bei der Ping-Pong-WM in London

27.01.2020 | Stand 23.09.2023, 10:13 Uhr
  −Foto: Matchroom Sport

Hilpoltstein - Alexander Flemming vom Tischtennis-Zweitligisten TV Hilpoltstein hat bei der mit 100000 US-Dollar dotierten neunten Auflage der Weltmeisterschaft im Ping Pong den ganz großen Triumph nur um Haaresbreite verpasst und muss sich wie schon 2015 und 2017 mit der Silbermedaille begnügen.

"The Flash" unterlag im Londoner "Ally Pally" in einem geradezu epischen Finale dem Engländer Andrey Baggeley mit 15:14, 8:15, 15:14, 8:15 und 14:15, der sich damit zum vierten Male die Krone aufgesetzt hatte und zum erfolgreichsten Spieler der jungen Ping-Pong-Historie avancierte.

Am späten Sonntagabend wurde Sportgeschichte geschrieben. Rund eineinhalb Stunden schlugen sich die beiden Spieler die Bälle nur so um die Ohren und setzten Maßstäbe in dieser alten/neuen Trendsportart. Die Fernsehkommentatoren priesen dieses Finale sogar als "bestes Ping-Pong-Spiel aller Zeiten". Es passt zu diesem Match, dass beim Stande von 14:14 im fünften Satz der buchstäblich letzte Ball über den Ausgang entscheiden musste. Nachdem Flemming eine Vorhand über den Tisch gesetzt hatte, ließ sich Baggeley auf den Boden fallen, zuckte wie ein Maikäfer und wurde von den rund 10000 enthusiastischen Besuchern im hellblau ausgeleuchteten Oval des Alexandra Palace abgefeiert. Zuvor hatte Flemming noch drei Matchbälle des Engländers abgewehrt. Und auch die vier Sätze zuvor waren an Dramatik kaum zu überbieten. Im dritten etwa lag "the flash" bereits mit sechs Punkten in Front, ehe Baggeley zum 12:12 ausglich, am Ende aber setzte sich Flemming mit 15:14 durch. Zu diesem Zeitpunkt war die Hoffnung von Flemmings zahlreich mitgereisten Fans besonders groß. Doch Baggaley - nun mit dem Rücken zur Wand - zeigte kein Nervenflattern und gewann die beiden Folgesätze mit 15:8 und eben 15:14.

Besonders pikant: Baggaley und Flemming verbindet eine enge Freundschaft. Doch ganz oben kann nur einer stehen. Darin liegt die Tragik. Nach Gründen wollte "the flash" anschließend gar nicht suchen: "Ich habe mir nichts vorzuwerfen. Meine Leistung war sehr gut. Deswegen bin ich auch nicht traurig, sondern kann insgesamt zufrieden nach Hause fahren. " Zudem lobte Baggaley seinen Freund in höchsten Tönen und sprach davon, dass in den zahlreichen Trainingsmatches der beiden meistens "the flash" die Nase vorne hatte. Umso tiefer sitzt der Stachel, denn Ping Pong ist für ihn längst zur Leidenschaft, ja sogar Liebe, geworden.

Dabei stand "Clickball" in Flemmings sportlicher Vita lange gar nicht auf der Agenda: Auf die große Karriere hatte der "gelernte Tischtennis-Spieler" eigentlich in der schnellsten Ballsportart der Welt gehofft. Dort hat er es beim TV Hilpoltstein bis in die zweite Bundesliga gebracht, dazu unter anderem die Top 48, die bayerische - und im Doppel sogar die deutsche Meisterschaft gewonnen. Das ist gut, doch für ganz oben hat es nie gereicht.

Doch in jedem Tischtennis-Spieler steckt auch die DNA des Freibad-Ping-Pong. Und als Flemming vor sieben Jahren eher beiläufig einen Schläger mit einem Sandpapierbelag in die Hand nahm, machte es "click". Das traditionelle Schlägermaterial ermöglicht ein schnörkelloses Spiel mit offenem Visier ganz nach seinem Geschmack. Es war Liebe auf den ersten Schlag.

Danach startete er durch. Was als launiger Freizeitausgleich begann, entpuppte sich als echter Kracher. Er wurde 2013 auf Anhieb deutscher Clickball-Meister und ergatterte das WM-Ticket. 2015 gewann er Silber, 2016 Bronze, 2017 wieder Silber und zuletzt in China den Ping Pong World Cup, wo er die versammelte Weltelite düpierte. Flemming war über Nacht in der Spitze angekommen.

Seine Fortschritte sind unübersehbar. Sein Aufschlag-Rückschlag-Spiel ist besser geworden. Zudem verfügt er über mehr Variationen. "Ich habe eben an einigen Details gearbeitet", sagt der Alex und lächelt. Und Bälle früh zu treffen - den Erfolgmodus im Ping Pong - hatte er ohnehin schon längst verinnerlicht. Zusammen ergibt das eine Mischung, mit der er jeden Gegner schlagen kann.

Entsprechend problemlos verlief bei dieser Clickball-WM sein Weg durch das 64er-Feld zumindest am Samstag. Im Achtelfinale aber erwartete eine ganz spezielle Aufgabe: Dort, wo unlängst Fallon Sherrock als erste Frau die Dart-WM aufgemischt hatte, musste er gegen die gefährliche chinesische Penholder-Spielerin Chen Jie antreten. Flemming war also gewarnt, doch irritieren ließ er sich nicht und erreichte mit 15:11, 15:9 sicher die nächste Runde.

Im Viertelfinale traf er auf den dreifachen Weltmeister Maxim "Super Max" Shmyrev aus Russland. Es war die einzig wirklich schwere Hürde im Verlaufe des Turniers, doch nach dem 15:13 11:15, 15:11 war der Weg ins Finale frei. In der Vorschlussrunde machte er mit dem extrovertierten schottischen Rotschopf Gavin Rumgay kurzen Prozess, ehe Baggaley wie eingangs beschrieben Flemmings Traum brutal zerstörte.

Doch von Peter Ustinov wissen wir: "Die größte Liebe ist immer die, die unerfüllt bleibt. " Sollte der berühmte Mime damit richtig liegen, dann ist klar: Flemming wird wieder kommen und es erneut versuchen. Immer und immer wieder.

HK



 

Wolfgang Winkel