Ingolstadt
"Ihr dürft auch Tore schießen"

FCI-Trainer Jens Keller garniert sein intensives Training gerne mit Ironie

28.02.2019 | Stand 23.09.2023, 6:06 Uhr
Typische Haltung: FCI-Trainer Jens Keller (links) zeigt und erklärt in den Übungseinheiten viele Details. −Foto: FCI

Ingolstadt (DK) Öffentliche Trainingseinheiten sind mittlerweile rar im Profifußball. Auch beim FC Ingolstadt, der aber wenigstens an zwei bis drei Tagen Einblicke in die Arbeit auf dem Platz gewährt. Und die ist bei Jens Keller intensiv, aufschlussreich und zudem unterhaltsam.

Vor der Partie gegen Spitzenreiter und Aufstiegsfavorit 1. FC Köln am kommenden Sonntag (13.30 Uhr) legt der 48-Jährige in der Doppelschicht am Mittwoch nochmals einen Gang zu. Spiel gegen den Ball, schnelles Umschalten, Zweikämpfe, Torabschluss in stets wechselnden Varianten. Immer wieder unterbricht Keller die Aktionen, erklärt, korrigiert, kritisiert. Ein Lob ist eher selten dabei. Anschließend kurze Manöverkritik mit seinem Trainerstab.

Ist er unzufrieden, weil so wenig klappt? "Was heißt da wenig? Es klappt sehr viel. Ich bin zufrieden", raunzt Keller einen Medienvertreter an und erklärt: "Das ist Training, es ist meine Aufgabe, Dinge anzusprechen, die wir verbessern müssen." Auf dem Platz sieht das dann so aus, dass Keller beispielsweise die Körperstellung des Abwehrspielers und die Folgen einer leichten Drehung nach links oder rechts erklärt. "So hat der Stürmer mehr Optionen, also beweg' dich so", zeigt Keller auf und fordert: "Ihr müsst bewusster agieren."

Weiter geht's und prompt folgt der nächste Rüffel. Im Spiel Sechs gegen Vier laufen die Angreifer auf die Abwehrkette zu. Zwei Verteidiger stellen Abseits, zwei laufen ein. "Da braucht es klare Kommandos. Es kann nicht einer eine Idee haben und die dann alleine ausführen", ruft Keller und gibt weitere Tipps - auf Deutsch und Englisch. Englisch für den türkischen Neuzugang Cenk Sahin und den Dänen Björn Paulsen. "Du muss sicher sein, dass du den Ball kriegst", sagt Keller zu Letzterem, der in der Situation das falsche Timing beim Abwehrversuch erwischt.

Dazwischen gibt's auch mal ein Lob. "Ja, gut Paulo, du warst sofort wieder in der Ordnung und hast dadurch Zeit gewonnen", sagt Keller nach einer gelungenen Aktion in Richtung des Brasilianers Otávio, ehe sich der FCI-Coach in blanke Ironie flüchtet. "Ihr dürft auch Tore schießen", stachelt er die Angreifer an, denen es kaum einmal gelingt, sich in Überzahl gegen die Verteidiger durchzusetzen.

Keller ist nun seit drei Monaten Trainer der Schanzer und hat in 8 Spielen 11 Punkte geholt. Das entspricht etwa dem Schnitt, den man sich vom neuen Mann erhofft, während seine Vorgänger in 15 Partien lediglich 8 Zähler holten. Dennoch läuft es noch nicht rund. Der FCI wird bei Fehlern schnell bestraft und macht selbst zu wenig aus seinen Möglichkeiten.

Also gibt Keller im Training weiter Zunder. Ein bisschen Werner "Beinhart" Lorant steckt eben doch im ehemaligen Abwehrspieler. Schließlich hat Keller als Spieler den "Löwen"-Dompteur drei Jahre lang beim TSV 1860 München genossen. Am deutlichsten wird das immer dann, wenn der FCI-Coach bei seinen Spielern in unveränderter Tonlage mit einem trockenen Spruch mehr Konzentration anmahnt. "So, ich gehe jetzt mal ins Risiko: Wir machen die Übung so lange, bis jede Mannschaft einmal das Tor trifft", schreit Keller über den Platz, weil seine Mannen die Konterchancen ein ums andere Mal verdaddeln. Prompt zeigt der Anpfiff Wirkung. In 30 Sekunden ist die Übung beendet, weil im Fünf gegen Drei jedes Team die Umschaltsituation für einen Treffer nützt. Dann fährt Keeper Philipp Tschauner Stefan Kutschke in die Parade. Beide liegen am Boden und Keller fragt: "Wer hat die größeren Schmerzen?"

Es geht aber auch ohne Witz - dafür noch lauter. Als Konstantin Kerschbaumer nach einem gelungenen Angriff freie Schussbahn hat und den Ball über die Latte jagt, platzt Keller der Kragen. "Das sind zehn, zwölf Meter, da musst du das Tor treffen", brüllt Keller und schickt hinterher. "Wenn der Torwart gut hält, okay, aber du musst das Tor treffen."

Kellers Stimme wird rauer. Zwei Trainingseinheiten auf dem Platz sind auch für ihn anstrengend, vor allem für die Stimmbänder. Aber wenn dafür am Sonntag gegen den hohen Favoriten 1. FC Köln ein Erfolg herausspringt, dann war es das für alle wert. Und Keller muss nicht mehr vorgeben, zufrieden zu sein - dann wäre er es sicher.

Gottfried Sterner