"Die
Welches Bier darf's sein?

05.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:35 Uhr

"Die spinnen, die Franzosen!", würde der dicke dumme Obelix zu seinem kleinen schlauen Freund Asterix sagen. Wenn nicht beide Franzosen wären. Das Rathaus nennen ihre Landsleute Hotel (de Ville). Und wenn sie in die Kneipe gehen, dann ins "Büro". So heißt zumindest der angesagte Pub an der Seepromenade von Évian-les-Bains. Im "Bureau" sitzen sie bis in die Nacht hinein, seitdem im Kurstädtchen am Lac Léman endlich der Sommer Einzug gehalten hat. Dort lässt sich auch der deutsche EM-Berichterstatter nach Feierabend gern einmal nieder. Das Essen ist gut, das Getränkeangebot umfassend, die Preise sind allerdings gesalzen. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Die Bedienungen tragen Blau. Wie die Équipe Tricolore, die französische Nationalmannschaft. Mit Rückennummern übrigens. Das Entrecôte schmeckt vorzüglich. Das Guinness ist frisch gezapft und so tiefschwarz wie in Dublin. Der Kollege hält es mehr mit belgischem Bier. Er ordert ein Hoegaarden. Einen halben Liter. "Da kommt dein Aquarium", scherzt der Tischnachbar. Sehr appetitlich sieht der Topf - im Vergleich zu unserem kleinen Schwarzen aus Irland - nun wirklich nicht aus.

Kein Wunder, dass unser Freund aus Ostwestfalen die Marke wechselt. Also noch ein Stella Artois. Ein großes, versteht sich. Stella, der Stern. Das passt zu dieser wolkenlosen Nacht am Genfer See. Aber der Markenwechsel scheint das Personal zu verwirren. Nichts passiert. Nummer sieben und Nummer acht irren um die Tische wie jüngst die Engländer gegen Island durch den Strafraum. Und der durstige Kollege wartet auf Stella.

Inzwischen sind auch die beiden Naturfreunde aus unserer Männergruppe angekommen. Zurück von einem Ausflug über Berg und Tal. Beseelt von den Erlebnissen. Aber auch hungrig und durstig. Der langjährige Zimmernachbar aus der Oberpfalz geht auf Nummer sicher. Nimmt auch ein Entrecôte und is(s)t zufrieden. Der Münsterländer, der auf der Karte immer lieber erst die Preise und dann die Speise liest, wählt Fish and Chips. Der Ostwestfale wartet indes weiter auf Stella. Dafür kommen die Chips. Allerdings ohne Fisch. Wir, die satt und zufrieden sind, frotzeln: Selbst dran schuld, wer zum Essen und Trinken ins Büro geht. Nach einer halben Stunde kommt Stella doch noch. Allerdings in klein.

Wir bitten den Kellner um die Rechnung. Das geht schneller. An den Nachbartisch bringt der Kellner ein großes Stella Artois und eine Portion Fish and Chips. Und muss beides wieder zurücktragen. Wir erinnern uns ganz schwach an unsere Schulzeit. Stella - ein Trauerspiel in fünf Akten von Johann Wolfgang von Goethe.

 

Thomas Hain berichtet in einem Tagebuch von der EM in Frankreich.