Latsch
"Es ist wie ein frischer Wind für mich"

Der neue ERC-Stürmer Jerry D'Amigo über den Wechsel nach Ingolstadt, seinen Bart und ein Rendezvous mit Ötzi

24.08.2018 | Stand 02.12.2020, 15:48 Uhr
Mannschaftsdienlicher Allrounder: Jerry D'Amigo (rechts, im Duell mit Nürnbergs Taylor Aronson) soll seine Schnelligkeit nutzen. −Foto: Traub

Latsch (DK) Er ist einer der neuen Hoffnungsträger des ERC Ingolstadt: Jerry D'Amigo soll dem Angriff der Panther mehr Tempo und Durchschlagskraft verleihen.

Mit seiner sympathischen Art könnte der 27-jährige US-Amerikaner ein Publikumsliebling werden. Im Trainingslager-Interview spricht D'Amigo über seine Stärken auf dem Eis und verrät, warum seine Zeit in Finnland ihn zu einem besseren Menschen gemacht hat.

Herr D'Amigo, in Ihrer Jugend haben Sie zwei Jahre Baseball gespielt. Warum haben Sie sich schließlich fürs Eishockey entschieden?
Jerry D'Amigo: Ich denke, dass ich im Eishockey mehr Chancen hatte. Baseball habe ich mehr aus Spaß gespielt. Man entscheidet sich am Ende für den Sport, den man am meisten liebt. Und da hat Baseball dann klar den Kürzeren gezogen.



Viele Ihrer ehemaligen Trainer beschreiben Sie als kompletten Spieler mit Qualitäten in der Offensive und Defensive. Wie charakterisieren Sie sich selbst?
D'Amigo: Es stimmt, ich bin ein Allrounder. Ich kann sowohl in Über- als auch in Unterzahl auf dem Eis stehen und bin ein schneller Läufer.

Ihr Vater nannte Sie einen Spieler, der keine Partien alleine entscheidet, aber seine Mitspieler besser macht.
D'Amigo: Mein Vater hat das gesagt? Was für ein Typ! Aber er hat recht. Ich bin nicht der auffällige Stürmer, der die schönen Treffer erzielt. Ich bin eher ein Teamplayer, auf den man bauen kann und der ein Tor macht, wenn es keiner erwartet. In Ingolstadt möchte ich jemand sein, auf den man sich punktemäßig verlassen kann.

Sie haben sich für die Rückennummer 9 entschieden. Im Fußball trägt die traditionell der Mittelstürmer, der die Tore macht.
D'Amigo: Deswegen habe ich sie ausgesucht (lacht). Nein, ich bin im Jahr 1991 geboren, aber die 91 war schon vergeben. Ich habe schon immer eine Zahl mit der 9 genommen, da bin ich ein bisschen abergläubisch.

Sie haben mit der U18- und der U20-Auswahl der USA die Goldmedaille bei der WM gewonnen. Außerdem stehen 31 Spiele in der nordamerikanischen Profiliga NHL in Ihrer Vita. Welcher Erfolg bedeutet Ihnen mehr?
D'Amigo: Als Kind habe ich nie gesagt: Mensch, irgendwann möchte ich mal Jugend-Weltmeister werden. Mein Traum war immer die NHL, und dort wollte ich ein Tor schießen. Das Trikot meines ersten NHL-Spiels und jenes, in dem ich meinen einzigen Treffer geschafft habe, hängen gerahmt bei mir zu Hause.

Sie haben unter anderem das Winter-Classic-Spiel mit den Toronto Maple Leafs gegen Detroit bestritten. Welche Erinnerungen haben Sie daran?
D'Amigo: Das gehört definitiv zu den Höhepunkten meiner Karriere. Ich durfte in diesem riesigen Stadion vor mehr als 100000 Fans spielen! Es hat geschneit, wir haben im Penaltyschießen gewonnen. Alles kam zusammen, von dem ich immer geträumt hatte.

Vor zwei Jahren haben Sie den Sprung nach Europa gewagt. Waren die zwei Jahre in Finnland ein Kulturschock?
D'Amigo: (lacht) Definitiv! Ich musste vieles selber herausfinden: Wie bekomme ich ein Handy? Wie Internet? Wie komme ich mit der Sprache zurecht? Und das Eishockey ist anders. Ich musste mich anpassen, und genau das hat mich zu einem besseren Spieler und zu einem besseren Menschen gemacht. Eine solche Erfahrung macht einen demütiger. Man steigt von seinem Podest.

Stimmt es, dass ERC-Sportdirektor Larry Mitchell Sie schon früher verpflichten wollte?
D'Amigo: Er wollte mich schon im vergangenen Sommer holen, aber da wollte ich mein Glück noch einmal in Nordamerika versuchen. Jetzt hat es für beide Seiten gepasst.

Denken Sie, dass Sie in der nordamerikanisch geprägten DEL noch besser zurechtkommen als in Finnland?
D'Amigo: Ich glaube schon. Es tut gut, dass Trainer Doug Shedden den mir vertrauten nordamerikanischen Stil spielen lässt. Es ist wie ein frischer Wind für mich. In meinem ersten Jahr in Finnland war ich am Ende der Saison der einzige Amerikaner, und der Trainer hat nicht viel Englisch gesprochen. Das ist in Ingolstadt viel einfacher.

Sie tragen einen dichten Vollbart, der schon in Übersee Ihr Markenzeichen war. Ihr Ex-Klub Toronto Marlies etablierte sogar den Slogan "Fear the beard" ("Fürchte den Bart").
D'Amigo: (lacht) Ja, wir sind in den Play-offs ein paarmal weit gekommen, und mein Bart wurde echt lang und wild. Am Ende gab es sogar Poster davon und diesen Spruch. Ich mochte das, und seitdem trage ich Bart. Timo (Pielmeier, d. Red. ) hat auch einen schönen Bart, wir liefern uns da einen kleinen Wettkampf.

Sie sind also das Vorbild des bärtigen NBA-Basketballers James Harden von den Houston Rockets, der ebenfalls diesen Slogan verwendet?
D'Amigo: Absolut, den Spruch hat er von mir geklaut. (lacht) Ich hätte ihn schützen lassen sollen - und jetzt heimst er den Ruhm dafür ein.

Ihrem Namen nach haben Sie italienische Wurzeln. Wie gefällt es Ihnen im Land Ihrer Familie?
D'Amigo: Stimmt, meine Mutter ist zu 100 Prozent Sizilianerin. Mein Vater ist polnisch-italienisch. Es ist toll, in das Land meiner Familie zu kommen, ich war tatsächlich noch nie hier. Das Essen ist unglaublich gut. Und Kultur und Geschichte sind faszinierend. Wir waren vor zwei Tagen mit ein paar Teamkollegen in Bozen im Museum.

Im Museum? Das würde man nicht unbedingt vermuten, wenn Eishockeyspieler unterwegs sind.
D'Amigo: Doch, doch. Wir haben den mumifizierten Eismann Ötzi gesehen, das war sehr interessant. Eishockey macht 50 Prozent deines Lebens aus, und die anderen 50 Prozent versucht man, die Langeweile zu vertreiben und etwas Sinnvolles zu tun.

Das Gespräch führte
Alexander Petri.