Ehemalige Bezirksligisten erzählen
Tolle Erlebnisse und Geldsorgen: Wie drei Donau/Isar-Klubs ihren einstigen Höhenflug heute sehen

19.01.2024 | Stand 19.01.2024, 21:41 Uhr

Kurzer Ausflug: Bastian Blabl (vorne) gehörte zum Team des VfB Friedrichshofen, das in der Saison 2012/13 eine Saison in der Bezirksliga Oberbayern Nord bestritt. Foto: Bösl

Ingolstadt – Auf Kreisebene gehören sie zu den Traditionsvereinen und sind im regionalen Fußball seit vielen Jahren feste Größen. Maximal zehn Jahre ist es her, da spielten die Donau/Isar-Klubs VfB Friedrichs-hofen (Saison 2012/13), SV Karlshuld (bis 2014/15) und TSV Baar-Ebenhausen (2015/16) aber auch schon in der Bezirksliga. Danach erfolgte aus unterschiedlichen Gründen der Abstieg, wie im Übrigen auch bei den Kurzzeit-Bezirksligisten SV Kösching, FC Hitzhofen, FC Gerolfing, TSV Oberhaunstadt, Türk SV Ingolstadt, SV Kasing und FC Fatih Ingolstadt. Wie bewerten die heutigen Verantwortlichen dieser beispielhaft ausgewählten Vereine die sportlich erfolgreiche Zeit von damals? Welche Lehren wurden daraus gezogen und wie erstrebenswert ist eigentlich ein erneuter Aufstieg in vergleichbare Regionen? Wir haben bei den Klubs nachgehört.

TSV Baar-Ebenhausen

Nach vielen Jahren Kreisklassen- und Kreisliga-Fußball gelang dem TSV Baar-Ebenhausen unter dem Trainergespann Frank Falkenburger und Wilhelm Zimmer in beeindruckender Manier nach zwei Meisterschaften in Folge 2015 der Aufstieg in die Bezirksliga. „Wir hatten in diesen Jahren eine tolle Mischung aus jungen und erfahrenen Akteuren. Gute Spieler aus dem eigenen Nachwuchs harmonierten bestens mit den Externen“, erinnert sich Abteilungsleiter Erik Salminkeit an die sportlich erfolgreichste Zeit des TSV. Zahlreiche knappe Niederlagen führten 2016 aber zur sofortigen Rückkehr in die Kreisliga. Durch den fehlenden sportlichen Erfolg verließen in der Folge viele Akteure den Verein – nicht zuletzt, weil keine Prämien mehr bezahlt wurden. „Auf Dauer kann man auch in der Kreisliga nur mithalten, wenn Geld in die Hand genommen wird“, sagt der TSV-Funktionär. Nachdem der Klub in den guten Jahren zahlreiche und teils auch namhafte Spieler von auswärts geholt hatte, wendete sich nun das Blatt: „Dies hatte dazu geführt, dass vielversprechende Jugendliche, denen seinerzeit der Sprung in die erste Mannschaft verwehrt wurde, dem Verein den Rücken gekehrt haben“, erklärt Salminkeit. Hinzu kam: Ohne monetäre Anreize sind „Auswärtige so schnell weg, wie sie gekommen sind. Es entsteht unweigerlich eine Lücke, insbesondere qualitativ“, sagt er. Viele Personalwechsel kennzeichneten in Baar-Ebenhausen die Kreisliga-Spielzeiten in den Jahren 2016 bis 2023. In der Winterpause 2022/23 verließen dann erneut mehrere Stammspieler aus privaten und beruflichen Gründen den TSV. Es folgte der erneute Abstieg, denn der Aderlass war nicht zu kompensieren, wie Salminkeit meint. Nach den Relegationsspielen gegen den TV Münchsmünster endete im vergangenen Sommer die Kreisliga-Zugehörigkeit und der nächste sportliche Tiefpunkt kündigt sich bereits an. Denn zur Winterpause der aktuellen Saison in der Kreisklasse 2 Donau/Isar scheint für den Tabellenletzten angesichts von zehn Zählern Rückstand auf den Relegationsrang der Abstieg in die A-Klasse kaum noch vermeidbar. Der aktuelle Kader sei einfach zu dünn, erklärt der Abteilungsleiter. Zu allem Überfluss kehrten in der aktuellen Winterpause weitere sieben Akteure dem Verein den Rücken: „Oberstes Ziel ist es, den Spielbetrieb bis zum Saisonende aufrechtzuerhalten. Zum Glück haben sich einige unserer Altgedienten bereiterklärt auszuhelfen, um dies zu schaffen.“ Die Planungen für die Zukunft haben längst begonnen. „Wir haben dann die Chance zu einem Neuanfang. Unser für die neue Saison verpflichteter Trainer Sinan Zeka hat ligaunabhängig die Aufgabe, vermehrt auf die eigene Jugend zu setzen“, beschreibt Salminkeit. Künftig solle auf diejenigen gebaut werden, die zum Verein stünden. Einige Neuzugänge und Rückkehrer hätten für die kommende A-Klassensaison bereits zugesagt. Der Klub wolle künftig lieber unterklassig spielen – aber eben mit Eigengewächsen. Der TSV-Verantwortliche weiß aber auch: „Für diesen Weg ist Geduld gefragt.“ Dabei hat der sportliche Abstieg in Baar-Ebenhausen aber auch sein Gutes, wie Salminkeit meint. Der Funktionär beobachtet ein neues Wir-Gefühl: „Im Verein herrscht großer Zuspruch zum neuen Ansatz. Alle halten wieder zusammen und wollen den TSV gemeinsam zurück in gute und zukunftsfähige Bahnen lenken“, sagt Salminkeit.

SV Karlshuld

Beim SV Karlshuld waren die Ansprüche seit den Landesliga-Jahren 1982 bis 84 stets etwas höher angesiedelt. Mit dem Aufstieg in die Bezirksliga unter Trainer Markus Mattes 2010 war für die ambitionierten Grün-Weißen dann wieder ein Zwischenziel erreicht. Fünf Spielzeiten verbrachten die Mösler in der oberbayerischen Gruppe Nord, ehe es 2015 unter dem Trainerduo Den Lovric/Manuel Steiniger in die Kreisliga zurückging. „Für mich begann die Wende zum Schlechteren bereits im Oktober 2013, als der Klub drei Spiele vor der Winterpause ohne Not Spielertrainer Thomas Wachs entließ“, erinnert sich Dominik Berchermeier, Karlshulder Urgestein und aktueller Coach des SV. Die Zusammensetzung des Teams aus jungen und erfahrenen Akteuren sowie die Stimmung hätten unter Wachs „einfach gepasst“. Zudem profitierte der Verein seinerzeit noch von der Zuarbeit und dem Netzwerk seines Vorgängers Mattes. In den Jahren danach sei es bei den Grün-Weißen dann immer so gewesen, „dass unbedingt namhafte Spieler und Trainer verpflichtet werden mussten“, wie sich Berchermeier erinnert. Vor allem menschlich seien die Defizite allerdings mitunter groß gewesen. Jährlich wurde der Kader komplett umgekrempelt. „Zehn bis zwölf neue Spieler kamen, und die gleiche Anzahl ging.“ Nur noch ganz wenige Karlshulder hätten dann noch im Team gespielt, während die zweite Mannschaft ausschließlich mit Möslern besetzt war. Selbst nach dem Kreisliga-Abstieg im Jahr 2018 unter Trainer Peter Kryczanowski, der erst nach drei Relegationsspielen gegen den SV Kasing feststand, baute man laut Berchermeier weiter auf Auswärtige, während die Eigengewächse dem Klub mehr und mehr den Rücken kehrten. Unter Coach Ignaz Seitle ging es dann 2019 nochmals in die Kreisliga. Der Trainer-Routinier begann erstmals wieder, den Kader umzukrempeln, so dass auch der grün-weiße Nachwuchs zum Zug kam. Nach dem Austausch der kompletten Abteilungsleitung während der Coronazeit wurde dieser Weg noch deutlicher verfolgt, die letzten „Söldner“ verließen den Verein. Der damals noch als Sportlicher Leiter fungierende Berchermeier („Bei uns werden keine Prämien mehr gezahlt.“) und Trainer Thomas Schmalzl mussten 2022 allerdings den Abstieg aus der Kreisliga in Kauf nehmen. Spieler aus dem eigenen Nachwuchs und der Reserve wurden hochgezogen. Auch zum Ende der dann folgenden Kreisklassen-Saison reichte es nur zum Relegationsrang, nach den Ausscheidungsspielen ging es in die A-Klasse. Hier versuchen Berchermeier und seine Mitstreiter den eingeschlagenen Weg fortzusetzen und die sportliche Wende einzuleiten. Die ersten Lichtblicke sind beim Tabellendritten zu erkennen. Mit den beiden Offensivspielern Florian Tarnick vom Kreisligisten TSV Pöttmes und Daniel Anrehm (A-Klasse Aichach) wurde ein torgefährliches Spielertrainer-Duo für die neue Saison verpflichtet. Angesichts von sechs Zählern Rückstand auf Rang zwei geht aber vielleicht auch in dieser Saison noch etwas.

VfB Friedrichshofen

Samstag, 27. Oktober 2012, gegen 16.30 Uhr: Die Elf des SV Karlshuld wartet bei dichtem Schneetreiben frierend auf den längst überfälligen Anpfiff der Bezirksliga-Begegnung beim VfB Friedrichshofen. Gästespieler und Schiedsrichter sind ratlos. Mit rund 30 Minuten Verspätung und wohl nach viel Überzeugungsarbeit erscheinen dann doch endlich die kurzfristig in einen Streik getretenen VfB-Kicker. Was war geschehen? Teammanager und Hauptsponsor Tom Mauerer hatte nach großzügigen Jahren aus persönlichen Gründen den Geldhahn über Nacht zugedreht. Der finanziell verwöhnte Kader löste sich daraufhin zur Winterpause komplett auf. Zeitweise schien sogar der Rückzug aus der Bezirksliga unvermeidbar. Hans Reuthlinger, damals wie heute VfB-Abteilungsleiter, erinnert sich: „Wir hatten damals zwei Möglichkeiten: Entweder wir melden die Mannschaft aus der Bezirksliga ab oder die Zweite, die damals in der B-Klasse spielte, übernimmt.“ Der Glücksfall für den Verein: Die Reserve ließ sich nicht zweimal bitten und sprang mit der Motivation, vielleicht nie wieder so hochklassig spielen zu können, in die Bresche: „Das war ein absolut eingeschworener Haufen. Obwohl sie über zwei Jahre lang Prügel bezogen, über die Stationen Kreisliga und Kreisklasse in die A-Klasse abstiegen, haben sie nie aufgegeben“, erklärt Reuthlinger voller Respekt. Er rechne dies jedem einzelnen dieser Spieler noch heute hoch an. Einzige Bedingung der neuen Ersten damals war, dass nie wieder ein Spieler Geld beim VfB bekommt. „Das haben wir bis heute durchgezogen“, versichert der VfB-Abteilungsleiter. Entgegen mancher Erwartung sieht Reuthlinger die Vergangenheit indes nicht nur negativ, erinnert vielmehr an manch bleibendes Erlebnis. „Insbesondere die Kreisliga-Jahre vor dem Aufstieg in die Bezirksliga, in denen absolute Granaten hier spielten, in denen zahlreiche unvergessliche Derbys und spannende Partien zu sehen waren, nimmt uns keiner mehr.“ Immer wieder sei in dieser Hochzeit darauf angesprochen worden, was denn wäre, wenn eines Tages die Geldquelle versiegt: „Dann steigen wir eben wieder ab“, habe seine einfache Antwort gelautet. Zeitzeugen sprechen von einem „langen Kindergeburtstag“, den der Klub damals erlebte. Dann folgten zwei Abstiege, inzwischen spielen die Schwarz-Weißen das achte Jahr in Folge in der A-Klasse. Als echte Durststrecke wird diese Zeit nicht gesehen. Zum einen schrammte der VfB zweimal in der Relegation nur knapp am Aufstieg in die Kreisklasse vorbei. Zum anderen führt Friedrichshofen in der Winterpause der laufenden Saison die Tabelle an. Nach einer gefühlten Ewigkeit geht der Blick also wieder nach oben, die Chance auf den Aufstieg ist zum Greifen nah. „Entscheidend wird sein, wie die ersten Spiele nach der Pause laufen. Gestalten wir sie erfolgreich, ist das gesteckte Ziel erreichbar“, sagt VfB-Coach Roble Braun.

nAusblick: Und, wer hat noch Lust auf Bezirksliga?

„Für einen Fußballverein mit unserer Größe und Struktur ist die Kreisliga das Nonplusultra. So haben wir Spiele vor großer Kulisse, die nicht selten die 400er-Grenze überschreiten“, erläutert VfB-Funktionär Reuthlinger. Auch in dieser Spielklasse würde bereits sehr ansprechender Fußball gezeigt. Zudem sei es möglich, einen eigenen Spielerkader aufzubauen, der konkurrenzfähig ist. Coach Braun geht noch einen Schritt weiter: „Wir sind uns im Verein einig, dass wir im Fall des Falles auf einen Aufstieg in die Bezirksliga verzichten würden.“

Für den ehemaligen Landesligisten SV Karlshuld stellt sich die Fragen nach der Bezirksliga erst einmal nicht: „Aktuell und in den nächsten Jahren ist daran überhaupt nicht zu denken. Da ist die Bezirksliga viel zu weit weg“; erklärt Berchermeier. Ziel ist zunächst einmal, sich zu konsolidieren und den Weg aus der A-Klasse zu schaffen.

Salminkeit (Baar-Ebenhausen) bringt das, was sicherlich für viele ehemalige Bezirksligisten des Kreises gilt, auf den Punkt: „Weite Reisen, keine Fans, keine Derbys, keine Einnahmen“.

kuk