Eishockey-Märchen
Torhüter Kevin Reich führt ERC Ingolstadt nach schwieriger Saison mit herausragender Leistung ins Finale

11.04.2023 | Stand 16.09.2023, 23:44 Uhr

Über sich hinausgewachsen: Dank einer beherzten Defensivleistung, einer taktischen Meisterleistung von Trainer Mark French und dem starken Rückhalt von Torhüter Kevin Reich (rechts) kämpfte sich der ERC zu einem 4:2-Seriensieg gegen Mannheim und steht zum dritten Mal in der Klub-Geschichte im DEL-Finale. Foto: Anspach, dpa

Viel Zeit zum Feiern blieb den Spielern des ERC Ingolstadt nach dem 2:0-Sieg gegen die Adler Mannheim am Ostermontag nicht. Schließlich ging es sogleich in die Vorbereitung auf die Titeljagd. Dennoch war der Jubel nach dem dritten Finaleinzug in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) in der Klub-Geschichte der Panther riesig. Vor allem Torhüter Kevin Reich, der mit seinen starken Paraden den Halbfinalerfolg erst möglich gemacht hatte, war nach einer turbulenten Saison überglücklich.

Was Kevin Reich in den zweieinhalb Stunden zuvor geleistet hatte, sah man ihm schon von Weitem an. Der Goalie schlurfte und humpelte den Kabinentrakt der SAP-Arena entlang, den Pizzakarton fest unter seinen Arm geklemmt. „Es ist alles okay, ich bin nur völlig k. o.“, meinte der 27-Jährige und zwang sich mehr schlecht als recht zu einem Lächeln.

In einer dramatischen Schlussphase hatte Reich den Nachschuss von Mannheims Tyler Gaudet nach einem Lattentreffer von Borna Rendulic mit dem linken Schoner festgehalten, es war die Parade zum Sieg des ERC. Stefan Matteau schnappte sich den Puck und schoss ihn 0,6 Sekunden vor dem Ende zum 2:0 in das leere Adler-Tor. Der Rest war grenzenloser Jubel auf der Panther-Bank, während „Finale“-Rufe von den Rängen der Mannheimer Halle schallten. Die 500 ERC-Fans feierten ihren Torhüter; die gesamte Mannschaft, Chefcoach Mark French, Sportdirektor Tim Regan und Torwarttrainer Varian Kirst herzten Reich auf dem Eis.

Sonderlob von ERC-Trainer Mark French



„Kevin war herausragend in der Serie und ist heute über sich hinausgewachsen“, lobte French. Angriff um Angriff war zuvor auf Reich zugerollt. Die Mannheimer warfen im sechsten Halbfinalduell der beiden Team alles nach vorne, hatten deutlich mehr Spielanteile, kämpften mit vollem Einsatz gegen das drohende Saisonende und schnürten die Panther in ihrem Drittel ein. „Die hatten nix zu verlieren, die haben alles rausgehauen“, meinte Reich. Doch die Ingolstädter zeigten eine konzentrierte und aufopferungsvolle Defensivleistung, Reich parierte alle 27 Schüsse der Adler mit Bravour und feierte in der SAP-Arena seinen zweiten Shutout in Folge. Der ERC blieb damit auch im fünften Auswärtsspiel der Play-offs unbesiegt.

Schon in den Duellen zuvor hatte der Goalie entscheidenden Anteil daran, dass die Mannheimer trotz ihrer zahlreichen Nationalspieler und ihrer kämpferischen Spielweise nur zwei Siege gegen den ERC und in den letzten neun Dritteln nur ein einziges Tor erzielten. „Es war nicht so, dass wir es nicht versucht hätten. Es lag eher am Ingolstädter Torhüter, dass wir es nicht geschafft haben“, meinte Adler-Trainer Bill Stewart und fügte schelmisch hinzu. „Leider geht er ja nach Iserlohn.“

Reich erlebt schwerste Saison seiner Karriere



Dass ausgerechnet der ehemalige Jungadler Reich der gefeierte Held nach dem Halbfinale ist, kommt in gewisser Weise einem kleinen Eishockey-Märchen gleich. Der Goalie erlebte die bisher schwerste Saison seiner Karriere, die schon mit einer Verletzung im Trainingslager begann. Reich verpasste weite Teile der Vorbereitung unter dem neuen Trainer, musste schon bald nach seinem Comeback seine Hoffnungen auf den Stammplatz im ERC-Tor begraben und schlitterte danach auch noch in eine schlimme private Krise, als sich sein Bruder Robin Anfang Dezember bei einem Sturz zweimal das Genick brach und seitdem gelähmt ist.

Reichs Rückkehr auf das Eis nach ein paar Spielen Auszeit verlief holprig. Die Leistung stimmte nicht, Buh-Rufe und kritische Kommentare mancher ERC-Anhänger folgten. Dass Michael Garteig als Nummer eins in die Play-offs gehen würde, war klar. Doch Reich fieberte hinter der Bande mit, versprach da zu sein, wenn er gebraucht werde, und schon im entscheidenden fünften Viertelfinalduell gegen die Düsseldorfer EG verhalf er den Panthern nach seiner Einwechslung zu einem umjubelten 7:6-Sieg nach Verlängerung. Als sich Garteig schließlich in jenem Spiel verletzte, lag es plötzlich an Reich, den ERC ins Finale zu führen. „Wir hatten immer Vertrauen in Kevin, und wir wussten auch, dass er abliefert“, meinte Daniel Pietta.

Reich könnte auf seinen Ex-Klub treffen



Dass er dieses Vertrauen mit stetig steigernden Leistungen während der Serie gegen Mannheim rechtfertigte, tue „extrem gut“, sagte Reich. „Ich sauge das alles auf und genieße es. Ich versuche, Kraft aufzusammeln und mit einem positiven Gefühl ins Finale zu gehen.“

Dort treffen die Panther entweder auf seinen Ex-Klub EHC München oder die Grizzlys Wolfsburg, gegen die der ERC Ende des vergangenen Jahres mit Reich im Tor eine bittere 1:9-Pleite kassierte. „Es wird bei beiden Mannschaften unglaublich schwer. Es sind zwei ganz unterschiedliche Teams: Wolfsburg sitzt hinten drin, hat pro Spiel vielleicht zehn Schüsse. München dagegen versucht, alles nach vorne zu werfen“, analysierte Reich. Egal, gegen wen es geht, er will ohne Druck in die Serie gehen. „Es ist eine geile Geschichte, dass wir im Finale stehen. Ich habe jetzt einfach Spaß an den Spielen und will mit den Jungs gewinnen.“

DK