Ex-Ingolstädter nun in Dresden
Meisterpanther Travis Turnbull zehn Jahre nach dem Titel mit dem ERC im Interview

13.02.2024 | Stand 14.02.2024, 6:27 Uhr

Der größte Erfolg seiner Karriere: Im Frühjahr 2014 feierte Travis Turnbull mit dem ERC Ingolstadt den Gewinn der deutschen Meisterschaft. Foto: Bösl

Meisterpanther Travis Turnbull ist zurück aus der Eishockey-Rente: Mit Zweitligist Dresdner Eislöwen kämpft der 37-Jährige um die K.-o.-Runde. Ein Gespräch über die dritte Kooperation mit Niklas Sundblad, Erinnerungen an sowie Parallelen zu 2013/2014 und einen Mutmacher für den strauchelnden ERC Ingolstadt.


Herr Turnbull, warum haben Sie das Immobilienmaklerbüro verlassen und sind zurück aus dem Eishockey-Ruhestand? Haben Sie sich an die Worte von ERC-Kapitän Tyler Bouck erinnert, der Ihnen geraten hat, so lange wie möglich zu spielen, weil das die beste Zeit des Lebens ist?

Travis Turnbull: (lacht) Das Feuer lodert noch in mir. Wir sind zurück nach Amerika gegangen, weil meine Frau Kasey das dritte Kind erwartete und die Mädels dort in die Schule gehen sollten. Aber meine Familie wollte gerne zurück – das hat es mir leicht gemacht, weil ich nie aufhören wollte. Manchmal muss man das Beste für die Familie tun. Und zum Glück ist das Beste für meine Familie, dass ich wieder Eishockey spiele.

Sie kamen zu einem Team, das wider Erwarten um die Play-offs kämpfen muss. Erinnert Sie das an Ihr Jahr in Ingolstadt?

Turnbull: Sehr sogar. Ich erzähle den Jungs hier, dass wir nur in die Pre-Play-offs kommen müssen. Dann kann alles passieren.

Zunächst steht an diesem Freitag (20.25 Uhr/MRD live) das Freiluft-Sachsenderby gegen Crimmitschau an der Skisprungschanze in Klingenthal an. Für Sie ist es das zweite Spiel unter freiem Himmel.

Turnbull: Ja, beim Derby Düsseldorf gegen Köln im Düsseldorfer Stadion war ich 2015 dabei. Solche Partien machen riesigen Spaß, da erfüllt sich ein Kindheitstraum. Ich bin total motiviert. Diesmal sind meine Kinder alt genug um zuzuschauen und sich daran zu erinnern.

Für die Eislöwen ist Platz zehn wieder in Reichweite, und auch für Sie persönlich läuft es glänzend: Sie sind Kapitän, in Ihren ersten acht Spielen haben Sie neun Scorerpunkte gesammelt.

Turnbull: Wir haben in fast jedem Spiel gepunktet, seit ich da bin. Meiner Meinung nach war die Mannschaft schon gut, und mit mir, Danny aus den Birken, Justin Florek, Tomas Sykora und Trainer Niklas Sundblad kam noch mal eine Menge Erfahrung hinzu. Danny hat vier Meisterschaften gewonnen, „Sunny“ und ich haben einen Titel mit Ingolstadt geholt. Diese Erfahrung und das Wissen, was man zum Erfolg braucht, können den Unterschied machen.

Sie arbeiten nach Ingolstadt und Schwenningen nun in Dresden zum dritten Mal mit Sundblad zusammen. Außerdem holte er Sie nach Köln, wurde dann aber entlassen. Warum verstehen Sie sich so gut?

Turnbull: Wir haben eine Meisterschaft zusammen gewonnen! Das ist der Grund. Wir denken gleich über Eishockey. Ich glaube an seine Fähigkeiten und Taktiken als Trainer, außerdem ist er ein guter Mensch. Er ist fair und hat die richtige Einstellung. Ich mag es, für ihn zu spielen.

Also würden Sie auch noch mal eine Saisonvorbereitung unter ihm mitmachen.

Turnbull: Auf jeden Fall, das habe ich in Schwenningen ja getan (lacht). Klar haben wir unter ihm hart schuften müssen, aber für mich ist das nur positiv. Es ist nicht falsch, hart zu arbeiten. In Ingolstadt hat es funktioniert. Sicher gehört mehr dazu als Fitness, um einen Titel zu gewinnen. Aber sie ist die Basis. Und mit „Sunny“ hatte ich einige meiner besten Jahre.

Was kommt Ihnen zuerst in den Sinn, wenn Sie an Ihr Jahr in Ingolstadt denken?

Turnbull: Freude. Eine Meisterschaft verbindet dich für immer mit den Leuten. Diese Chatgruppe der Mannschaft gibt es immer noch, mit vielen der Jungs bin ich in Kontakt. Das war ein spezielles Jahr, uns wurde nichts geschenkt, wir mussten uns alles erarbeiten. Eine Achterbahnfahrt mit tollem Ende. Nach Finalspiel sieben, als wir es geschafft hatten, fühlte ich mich, als könnte ich keinen einzigen Schritt mehr machen, so erschöpft war ich. In Spiel sechs hatte ich mir meine Schulter wirklich übel verletzt, und diese Schmerzen setzten ein, nachdem der Druck abgefallen war. Wenn man sich ansieht, wie wir gewonnen haben: „Gawi“ (Christoph Gawlik, d. Red.) spielte in der vierten Reihe, schoss aber das entscheidende Tor. Alle haben zum Erfolg beigetragen, blockten Schüsse, dazu eine unglaubliche Torwartleistung. Ich kann mir das auch in Dresden vorstellen, aber dazu muss alles zusammenpassen.

Würden Sie sagen, dass Sie in der Meistersaison Ihr bestes Eishockey gespielt haben? Sie waren mit 16 Punkten geteilter Play-off-Topscorer und steuerten acht Treffer zum Titel bei.

Turnbull: Zumindest war es eines meiner besten Jahre. Es gab sogar Interesse aus der NHL nach dieser Saison. Das hat nicht geklappt, weil ich einen Vertrag mit Düsseldorf hatte. Ich will nicht ins Detail gehen, aber ich fühlte mich geschmeichelt, dass NHL-Klubs anriefen. Wirklich wichtig ist für mich jedoch, dass die Mannschaft gewinnt. Ich liebe es, jeden Tag anzutreten und mitzuhelfen, dass das Team gewinnt.

Besonderen Spaß dürfte Ihnen die Halbfinalserie gegen die Hamburg Freezers gemacht haben. Die Duelle waren sehr physisch, es gab viele Provokationen – und Sie schossen fünf Tore.

Turnbull: David Wolf (damals ein Hamburger, d. Red.) und ich hatten immer eine gewisse Rivalität (lacht) – egal ob ich in Ingolstadt oder Düsseldorf war. Gegen Hamburg waren es immer Schlachten, die waren nicht leicht zu packen. Es ging gut zur Sache. Was mich betrifft: Je kämpferischer es wird, desto besser scheine ich zu spielen. Ich mag die Herausforderung.

Warum sind Sie nur ein Jahr Panther geblieben?

Turnbull: Ich habe vom Verein nichts gehört, irgendwann musste ich mich entscheiden. Ich habe es in Ingolstadt geliebt, aber sie haben viele Leistungsträger ziehen lassen. Das war bedauerlich. Es ist so schwer, einen Titel zu holen, aber wenn man den Kern eines erfolgreichen Teams zusammenhält, kann man noch mehr gewinnen. Siehe München oder Berlin.

Die Panther haben aktuell – wie in der Hauptrunde 2013/14, als sie neunmal ohne eigenen Treffer blieben – Probleme mit dem Toreschießen. Was raten Sie?

Turnbull: Manchmal sind die Schleusen offen, manchmal nicht. So ist das im Eishockey. Man darf nur nicht aufgeben. Travis St. Denis ist ein guter Freund, ich habe mich sehr gefreut, dass er nach Ingolstadt gegangen ist. Er ist ein Top-Profi, einer meiner liebsten, mit denen ich je gespielt habe. Er kann selber abschließen oder passen, außerdem bringt er Schlitzohrigkeit mit. Casey Bailey ist auch ein sehr guter Bekannter, leider ist er verletzt. Der ERC hat eine starke Mannschaft. Wie viele Spiele sind es noch in der Hauptrunde? Acht?

Exakt.

Turnbull: Und auf welchem Platz steht Ingolstadt?

Neun.

Turnbull: Ah, well. Man muss nur in die Play-offs kommen, stimmt’s? (lacht)

ZUR PERSON

Travis Turnbull
(37) stammt aus St. Louis im US-Bundesstaat Missouri, Vater Perry lief 642-mal in der NHL auf. Nach vier Jahren im Team der Universität von Michigan startete der Junior seine Profikarriere und kam für die Buffalo Sabres zu drei Einsätzen in der besten Liga der Welt. 2012 wechselte er zur Düsseldorfer EG, zwei Jahre später wurde er Meister mit dem ERC Ingolstadt. In der Deutschen Eishockey-Liga spielte der robuste Angreifer, der einen deutschen Pass besitzt, zudem für Köln, Iserlohn, Straubing und Schwenningen (insgesamt 524 DEL-Partien/296 Punkte). Seit Januar läuft der dreifache Vater für Dresden auf.