DJK-Abteilung als Testlabor
Großer Wurf in Mainhattan: Ingolstädter Jens Keidel soll Deutschen Judo-Bund in die Zukunft führen

01.04.2023 | Stand 17.09.2023, 0:09 Uhr

Judo-Gründer Jigoro Kano wacht auch über den Dojo der DJK Ingolstadt: Für Jens (links) und Sven Keidel ist der Trainingsraum in der Bezirkssportanlage Südwest wie ihr zweites Wohnzimmer. Foto: Rehberger

In der Ingolstädter Judo-Szene ist der Name Keidel seit Jahrzehnten verankert: durch die Keidel-Brüder Sven und Jens, dazu ihre Gattinnen – und die nächste Generation Keidels ist in Person ihrer vier Kinder auch schon auf den Matten unterwegs.

Die beiden Brüder haben dabei nicht nur die DJK zu einer Judo-Hochburg geformt, sondern die bayerische und neuerdings deutsche Verbandsebene mitgeprägt. Seit Jahresbeginn ist Jens Keidel als hauptamtlicher Angestellter beim Deutschen Judo-Bund (DJB) in Frankfurt engagiert. Der offizielle Titel des 51-jährigen Familienvaters in der DJB-Geschäftsstelle an der Otto-Fleck-Schneise ist „Referent für Verbandsentwicklung“ – und damit weit gefasst. „Die Aufgabenbeschreibung muss sich erst weiter entwickeln“, sagt Jens Keidel nach den ersten Wochen. Das heißt: Er muss sie weiter entwickeln, weil die Stelle ganz neu (für ihn) geschaffen wurde. Dem Judo-Verband geht es wie vielen anderen der Verbände, die im Haus des deutschen Sports beim Deutschen Olympischen Sportbund im Schatten der Frankfurter Fußball-Arena untergebracht sind: Mitgliederstruktur, Finanzen, Leistungssport, Kommunikationswege – alles riesige (Entwicklungs-)Themen für die Nischensportarten. „Sehr vielfältig“, sagt Keidel, „aber das ist auch das Problem.“

Historischer Tiefststand mit 116000 Mitgliedern



Gerade wenn es um das liebe Geld geht; jenseits des Fußballs immer eine heikle Frage. „Um eine Verbandsentwicklung starten zu können, braucht man Finanzmittel – damit man sich überhaupt bewegen kann“, sagt Keidel. Der DJB ist wie viele andere nicht gerade auf Rosen gebettet, „eher klamm“. Große Einnahmenquellen sind, logisch, Mitgliedsbeiträge. Dazu Graduierungsgebühren aus den Gürtelprüfungen. Corona traf den 1953 gegründeten DJB hart. 2021 hatte er mit 116000 Mitgliedern den historischen Tiefststand, erholte sich aber etwas.

Der Leistungssportbereich immerhin wird über Bundesmittel gefördert, bei entsprechenden Resultaten. Die beiden Einzelmedaillen (Silber, Bronze) und das deutsche Team-Bronze mit dem Pförringer Sebastian Seidl spülten nach Olympia in Tokio 2021 Geld für die Leistungssportler in die Kasse. Ob das bei Paris 2024 auch so sein wird? Für die weitere Verbandsarbeit zapfte Keidel mit seiner Erfahrung gleich einige Fördertöpfe an – und machte eine interessante Erfahrung an den entsprechenden Stellen: „Überall sitzt jemand, der schon Judo gemacht hat“, berichtet er lachend. Sein Netzwerk wächst. Und das ist wichtig: „Wir müssen weitere Kooperationen schaffen“, sagt er – über die verschiedenen Ebenen hinweg. Ein einfaches Beispiel: Zum Tischtennis-Verband, der im DOSB-Haus auf derselben Etage sitzt, gab es bisher kaum Kontakt. Dabei könne man doch viel voneinander lernen, etwa bei der Digitalisierung der Angebote.

Keidel blickt zudem vor allem auf die Basis. „Als Deutscher Judo-Bund sehe ich mich als Dienstleister und Partner der Landesverbände – und damit der Vereine.“ Er bringe im besten Fall „Geschenke“. Seine eigene Arbeit als Trainer im Klub ist nach wie vor zentraler Punkt, um die Erfahrungen in die Funktionsebene zu tragen. Wie über 20 Jahre lang in den Bayerischen Judoverband, für den Jens Keidel bereits Lehrreferent oder auch Jugendbildungsreferent und Vorstandsmitglied war; dort letztlich aber auch keine Weiterentwicklungschance für sich mehr sah. Der Sprung nach Frankfurt kam ihm ganz gelegen.

Jigoro Kano: „Wichtig ist, besser zu sein als du gestern warst!“



Die DJK-Abteilung mit ihren rund 150 Mitgliedern in der Heimat fungiert seit jeher als Testlabor. Wie für das neue Graduierungssystem, das Bruder Sven in einer Arbeitsgruppe (mit Unterstützung von Olympiasieger Frank Wieneke) federführend mitentwickelte – und das in den Landesverbänden weiter umgesetzt werden soll. Für die bekannten Gurtfarben (von weiß nach braun, bis schwarz) soll es demnach nicht mehr feste, jährliche Prüfungen geben. „Wir wollen das trainingsbegleitend, dem individuellen Fortschritt der Schüler angepasst“, erklärt Sven Keidel. „Nicht nur die Technik an sich soll entscheidend sein, sondern auch der Weg dorthin gewürdigt werden. Das kann der Trainer selbsttätig“, so der 55-jährige DJK-Abteilungsleiter, der eng mit seinem Bruder zusammenarbeitet. Im Herzen tragen sie den Leitspruch des Judo-Erfinders Jigoro Kano: „Wichtig ist nicht, besser zu sein als alle anderen. Wichtig ist, besser zu sein als du gestern warst!“ Auch in der großen Verbandsarbeit.

DK