Interview
„Es wäre wieder höchste Zeit!“

Bayern-Verteidigerin Giulia Gwinn über die EM, Equal Play statt Equal Pay und einen DFB-Pokalsieg

09.09.2022 | Stand 22.09.2023, 5:50 Uhr

Nach der begeisternden EM steht für Giulia Gwinn und die Bayern-Frauen der Saisonauftakt mit einem Nachbarschaftsderby im DFB-Pokal gegen Zweitligist FC Ingolstadt an. Foto: Imago Images

Ingolstadt/München – In der zweiten Runde des DFB-Pokals kommt die Bundesliga-Mannschaft der Frauen des FC Bayern am kommenden Montag (18.30 Uhr/Sky) zum Duell mit den Zweitligistinnen des FC Ingolstadt in den Sportpark. Aus dem mit EM-Teilnehmerinnen gespickten Kader der Münchnerinnen fehlte Vize-Europameisterin Giulia Gwinn zuletzt beim Nationalteam. Vor dem Pflichtspielauftakt des Vizemeisters mit der Pokalpartie spricht die 23-jährige Verteidigerin unter anderem über die EM-Erfahrungen – und ihr Knie.

Frau Gwinn, Sie mussten am vorigen Wochenende die WM-Qualifikationsspiele verletzungsbedingt absagen. Wie geht es Ihrem Knie, und werden Sie am Montag dabei sein können?
Giulia Gwinn: Meinem Knie geht es wieder prima, die zehn Tage mit deutlich reduzierter Belastung waren die richtige Entscheidung und haben meinem Körper gut getan. Seit Dienstag bin ich wieder im Training, ohne dass das Knie reagiert hat, deshalb werde ich aller Wahrscheinlichkeit nach gegen Ingolstadt zur Verfügung stehen.

Wie schätzen Sie die Schanzerinnen ein?

Gwinn: Wir haben bereits häufiger in der Vorbereitung gegeneinander gespielt, sie haben definitiv eine Mannschaft mit Qualität. Zudem ist ein Derby, bei dem viel Mentalität auf den Platz gebracht wird, oftmals auch für den Favoriten nicht einfach. Davor haben wir Respekt. Trotzdem wollen wir die Partie natürlich dominieren und für uns entscheiden. Ich erwarte, dass die Ingolstädter tief anlaufen und verhindern wollen, dass wir uns durchkombinieren. Aber dafür müssen wir Lösungen finden.

Welchen Stellenwert hat der DFB-Pokal für den FC Bayern?
Gwinn: Einen sehr hohen, denn wir haben den Pokal zuletzt 2012 gewonnen – es wäre also mal wieder höchste Zeit. Es ist ein nationaler Wettbewerb, bei dem man mit weniger Schritten als etwa bei der Deutschen Meisterschaft einen Titel holen kann. Auf jeden Fall wollen wir weiter kommen als letzte Saison – bis ins Finale, um dort den Pokal dann auch zu gewinnen. Dafür müssen wir am Montag den ersten Schritt machen.
  
Die FCI-Frauen spielen nicht nur eine Liga tiefer, sondern sind im Gegensatz zu Ihrem Team keine Profis, es ist also eine „David-gegen-Goliath“-Partie zu erwarten. Wie ernst nehmen Sie die Schanzerinnen?
Gwinn: Wir nehmen jeden Kontrahenten absolut ernst und unterschätzen keine Mannschaft! Zudem ist es das erste Saison-Pflichtspiel, in dem wir uns beweisen müssen. Auf dem Papier sind wir vielleicht die klaren Favoriten – aber gerade solche Spiele sind oft sehr schwierig, wenn der Gegner sehr defensiv agiert. Die Begegnung wird uns alles abverlangen, aber wir freuen uns sehr auf das Spiel.

Vor etwas mehr als einem Monat haben Sie noch gegen ganz andere Teams gespielt – bei der EM in England. Wie präsent sind die Eindrücke noch?
Gwinn: Auch wenn ein paar Wochen vergangen sind, bleiben es ganz besondere Eindrücke. Wir haben es im Sommer geschafft, die Leute mitzunehmen und wünschen uns, dass die Begeisterung anhält. Wir hoffen, dass wir die Euphorie mit nach Deutschland in den Ligaalltag tragen können und die Zuschauer am Montag beim Pokal leidenschaftlich dabei sind.

Welcher Moment war rückblickend am emotionalsten?

Gwinn: Dazu gehört sicher der herzliche Empfang, den wir in Frankfurt auf dem Römer erlebt haben, als uns eine riesige Menschenmenge zugejubelt hat. Auch als wir im Finale ins Wembley-Stadion eingelaufen sind und auf den Rängen fast 90000 Menschen das Spiel sehen wollten, waren das echte Gänsehautmomente, die man sicher nicht so schnell vergisst.

Glauben Sie, dass die Euphorie der EM dem Frauenfußball in Deutschland auch in den unteren Ligen zu mehr Anerkennung und Präsenz verhilft?
Gwinn: Das hoffen wir natürlich. Uns haben bei Vorbereitungsspielen auf dem FC-Bayern-Campus zu nicht optimalen Anstoßzeiten schon sehr viele Menschen unterstützt und ich habe das Gefühl, dass der Frauenfußball nicht nur in der Bundesliga, sondern auch in den nachfolgenden Klassen eine andere Wertschätzung bekommt.

Hoffen Sie, dass sich noch mehr Mädchen fürs Fußballspielen entscheiden?
Gwinn: Ich bin mir ganz sicher, dass es diesen Effekt nach so einem erfolgreichen Turnier geben wird. Ich habe selbst von vielen jungen Mädchen Nachrichten bekommen, die aufgrund unseres EM-Vizemeistertitels mit dem Fußballspielen angefangen haben. Es ist schön, dass sie dadurch ihre Leidenschaft am Fußball entdecken.

Der Erfolg der Frauennationalmannschaft hat die Equal-Pay-Debatte angeheizt – wie sehen Sie persönlich die Diskussion?
Gwinn: Für uns ist es erst einmal wichtiger, für „Equal Play“ zu sorgen, also gute Infrastrukturen und gleiche Bedingungen für alle Vereine in den beiden höchsten Ligen zu schaffen, damit der Sport auf professionellem Niveau ausgeübt werden kann. Es gibt immer noch viel zu viele Spielerinnen, die unter der Woche einen 40-Stunden-Job haben und daher frühmorgens oder spätabends trainieren müssen. In den Bundesligen müssen die Voraussetzungen für einen fairen Wettbewerb und gerechte Bedingungen geschaffen werden. Wenn dieser Schritt geschafft ist, kann man an Equal Pay denken.

Die Partie gegen die Schanzerinnen ist für den FCB der Pflichtspielauftakt. Danach erwartet Sie ein straffes Programm mit dem Ligaalltag, Champions-League-Qualifikation und Nationalelf – wie schwer ist es, auf so vielen Hochzeiten zu tanzen?

Gwinn: In allen Wettbewerben vertreten zu sein und auf nationalem und internationalem Niveau Spiele mit hoher Qualität zu bestreiten, ist für uns Sportler nicht nur das Schönste, sondern auch das, wofür wir täglich arbeiten. Natürlich ist es ein strammes und anspruchsvolles Programm – aber es ist immer schöner, viel zu spielen als viel zu trainieren (lacht).

Welche Ziele haben Sie mit dem FCB in Pokal, Bundesliga und Champions League?
Gwinn: Wir wollen heuer auf jeden Fall mindestens einen Titel holen, am liebsten den Meistertitel, für den man Woche für Woche alles gibt.

DK


Das Gespräch führte Sabine Kaczynski.