„Keiner verbreitet Panik“
ERC Ingolstadt: Sportdirektor Regan über Nachverpflichtungen – Jobgarantie für Trainer French

02.11.2023 | Stand 03.11.2023, 20:44 Uhr

Kritischer Beobachter: ERC-Sportdirektor Tim Regan am Mittwochabend beim 5:1-Sieg gegen Wolfsburg auf der Tribüne der Ingolstädter Saturn-Arena. Foto: Traub

Tim Regan bezeichnet sich selbst als „positiv denkenden Menschen“. Und als solcher will er daran glauben, dass der ERC mit dem 5:1 gegen die Grizzlys Wolfsburg am Mittwoch die Talsohle durchschritten hat.



„Aber wir müssen eine Siegesserie starten. Dann kriegt man Selbstvertrauen“, so der 49-Jährige. Zwei Erfolge könnten die Panther noch nachlegen, bevor die Deutsche Eishockey-Liga (DEL) für das Nationalteam pausiert: an diesem Freitag (19.30 Uhr/Magenta Sport) bei den Löwen Frankfurt und am Sonntag (15.15 Uhr) in der Saturn-Arena gegen Spitzenreiter Eisbären Berlin.

Herr Regan, haben Sie eine Nachverpflichtung von Ihrer Scoutingreise nach Nordamerika mitgebracht?

Tim Regan: Übergepäck kostet zu viel, das geht nicht (lacht). Wir sondieren immer den Markt, für jetzt oder auch für die Zukunft. Es geht darum, einen Überblick zu bekommen, verschiedene Mannschaften zu sehen und Spieler, die mit einem Wechsel nach Europa liebäugeln, live zu beobachten. Außerdem konnte ich mein Netzwerk pflegen und weiter aufbauen. Man tauscht sich mit den NHL-Scouts aus, und wenn man Fragen hat, sind sie sehr hilfsbereit.

Besteht aus Ihrer Sicht akuter Bedarf, den Kader nachzurüsten?

Regan: Im letzten Jahr mussten wir handeln, weil wir massives Verletzungspech hatten und etwas für die Kadertiefe tun mussten. In dieser Saison sind wir bislang zum Glück von größeren Verletzungen verschont geblieben. Wir können uns alles in Ruhe anschauen. Aber wir diskutieren ständig darüber, wie wir den Kader optimieren können.

Eher in der Verteidigung oder im Angriff?

Regan: Das kommt darauf an, ob und wo man Ausfälle hat. Zum Beispiel warten wir noch auf die endgültige Diagnose bei Casey Bailey (der Stürmer erlitt am Sonntag in Schwenningen eine Schulterverletzung, d. Red.). Und dann schauen wir uns die statistischen Werte an, wo die Defizite liegen. Wir schauen in beide Richtungen und probieren immer, den besten verfügbaren Spieler zu bekommen.

Wie bewerten Sie die erste Saisonphase? Woran hat es bislang gehapert?

Regan: Die Trainer und ich haben gemeinsam das erste Saisonviertel analysiert. Bis auf zwei Spiele – das erste gegen Wolfsburg und gegen Nürnberg – hatten wir immer die Chance auf einen Sieg, es waren alles knappe Ergebnisse. Wir analysieren, was wir brauchen, um diese knappen Spiele auf unsere Seite zu ziehen. Manchmal hat uns die Konstanz über 60 Minuten gefehlt, mal war es die Disziplin, die uns Punkte gekostet hat. Unsere Erwartungen sind natürlich höher.

Stürmer Daniel Pietta machte im Gespräch mit unserer Zeitung vor allem die mangelnde Effizienz verantwortlich.

Regan: Bei den Schussversuchen zählen wir zu den sechs besten Teams. Das stimmt uns positiv, weil wir Offensive generieren. Was dabei rauskommt, ist aber natürlich zu wenig. Eishockey ist ein ergebnisorientierter Sport.

Wiegen die Abgänge von Ty Ronning, Stefan Matteau, Frederik Storm und Justin Feser doch schwerer als gedacht? Nicht nur als Top-Stürmer, sondern auch als Typen im Teamgefüge?

Regan: Die Spieler, das Trainerteam und ich haben diese „Team first“-Einstellung. Wenn man zehn, elf Abgänge hat, was fast eine halbe Mannschaft ist, dauert es eben den einen oder anderen Monat, bis Chemie entsteht und die neue Mannschaft zusammenkommt. Zum Saisonbeginn, in der Champions League, sah es relativ einfach aus, aber die Eingewöhnung dauert bei dem einen oder anderen doch länger. Das Vertrauen in die Jungs ist da, die Trainer arbeiten akribisch und verbessern, was es zu verbessern gibt.

Neuzugang Travis St. Denis hat das Kunststück geschafft, sowohl in der DEL als auch in der Champions League aktuell der Strafbankkönig zu sein. Sie waren als Aktiver auch kein Kind von Traurigkeit, aber für solche „Bestmarken“ will der ERC sicher nicht stehen.

Regan: Ich kann mich nicht mehr erinnern (lacht). Bei den Zwei-Minuten-Strafen sind wir nicht die schlimmste Mannschaft, das haben wir schon besser in den Griff gekriegt. Die Spieldauerstrafen lassen die Statistik schlechter aussehen, als sie wirklich ist. Das sind Aktionen, die im Spielgeschehen passieren können. Keiner will mutwillig jemanden verletzen.

In der vergangenen Saison gab es im Oktober auch mal drei Niederlagen in Folge, und Sie sagten im Rückblick, dass es wichtig gewesen sei, in dieser Situation die Ruhe bewahrt zu haben. Bestärkt Sie diese Erfahrung darin, nicht überstürzt zu handeln?

Regan: Klar sind wir auch mal sauer über Niederlagen. Aber der Austausch ist immer sachlich und fachlich, keiner ist unruhig oder verbreitet Panik. Wir gehen sehr gut mit den Emotionen um. Das ist unsere Stärke, dass wir Fachmänner haben und lösungsorientiert arbeiten.

Das Trainerteam hat in der vergangenen Saison Großartiges geleistet, Mark French wurde „Trainer des Jahres“, Sie verlängerten seinen Vertrag vorzeitig. Was müsste passieren, damit Sie über eine Neubesetzung dieses Postens nachdenken?

Regan: Um Gottes Willen! Das ist überhaupt kein Thema. Darüber habe ich mir absolut keine Gedanken gemacht.

Die Eisbären Berlin haben vergangene Saison als Meister die Play-offs verpasst und trotzdem Trainer Serge Aubin nicht entlassen. Würden Sie ebenfalls an French festhalten, auch wenn der ERC Elfter wird?

Regan: Zu 100 Prozent. Ich sehe uns alle als Team, und wenn ich den Trainer entlasse, ist das für mich ein Fingerzeig nach dem Motto: Du bist schuld. Das machen wir nicht, wir sind eine Einheit.

Der ERC hat in der Champions League das Achtelfinale erreicht. Wie groß ist die Vorfreude auf die Duelle mit dem schwedischen Meister Växjö Lakers? Oder ist die CHL insgeheim ein bisschen zur Zusatzbelastung geworden, weil es in der Liga nicht läuft?

Regan: Nein. Es war unser Ziel, die nächste Runde zu erreichen, das haben wir frühzeitig geschafft. Für unseren ganzen Klub ist das der nächste Schritt, auf diesem Level zu agieren. Wir sind unter den besten 16, das ist eine stolze Marke.

Zwei Drittel der ERC-Profis haben einen Vertrag über die Saison hinaus. Der von Philipp Krauß hingegen endet – zumindest offiziell – 2024. Seine starken Leistungen haben ihm eine Deutschland-Cup-Nominierung eingebracht und dürften das Interesse der Konkurrenz geweckt haben. Haben Sie mit ihm schon verlängert?

Regan: „Kraußi“ zeigt Mentalität und Energie, seine Einstellung stimmt. Er ist noch jung und eines unserer Projekte. Wir wollen ihn gerne weiter in der Mannschaft haben.

Haben Sie eine Vertragsoption, die Sie ziehen können?

Regan: Wir arbeiten dran (grinst).

Wie interessant ist Krauß’ Bruder Johannes, der in Kaufbeuren spielt, für den ERC?

Regan: (lacht) Hat der einen Bruder? Okay, ich habe den Namen schon mal gehört.

Welches Feedback bekommen Sie zu Eigengewächs Niklas Hübner, der bei Kooperationspartner Ravensburg in der DEL2 spielt?

Regan: Das Feedback ist sehr gut. Er hat ja auch in der Champions League für uns gespielt und mit uns trainiert. Man merkt eine Entwicklung von der Vorbereitung bis jetzt. Er spielt mit dem Selbstvertrauen von jemandem, der in der DEL2 gute Eiszeit bekommt.