„Ich bin ein Spätzünder“
ERC Ingolstadt: Neuzugang Andrew Rowe über Führungsstärke und Tischtennis mit Wayne Simpson

07.08.2023 | Stand 13.09.2023, 0:03 Uhr

Vollgas bei den Sprintübungen: Mittelstürmer Andrew Rowe ist fit für seinen neuen Klub ERC Ingolstadt. In Europa war der 35-Jährige bislang für Mora in Schwedens Top-Liga (106 Spiele/60 Punkte) und für Rapperswil-Jona in der Schweiz aktiv (198/123). Foto: Traub

Vom Zürichsee an die Donau: Nach vier Jahren beim Schweizer Erstligisten SC Rapperswil-Jona Lakers – drei davon als Kapitän − soll Stürmer Andrew Rowe in der kommenden Saison eine Führungsrolle beim ERC Ingolstadt einnehmen.

Vor dem Trainingsauftakt haben wir den 35 Jahre alten US-Boy aus Michigan, der im Sommer mit seiner Familie in Charleston/South Carolina lebt, zum Gespräch getroffen.

Herr Rowe, was haben Sie in Ihren paar Tagen in Ingolstadt schon gesehen – außer der Saturn-Arena?
Andrew Rowe: Ich bin seit Dienstag da und habe noch keinen Plan, wo was ist. Zwar bin ich schon ein bisschen durch die Altstadt gelaufen, und Wayne Simpson hat mir ein paar Dinge gezeigt. Aber es wird wohl noch etwas dauern, bis ich mich zurechtfinde.

Sie sind allein gekommen, weil Ihre Frau Kelly und Sie nach Söhnchen Brooks (anderthalb Jahre alt) vor knapp drei Wochen Eltern der kleinen Chloe geworden sind. Herzlichen Glückwunsch!
Rowe: Vielen Dank! (lacht) Es waren wilde Tage vor meiner Abreise, aber ich bin glücklich, dass alle gesund sind. Trotzdem war es natürlich schwer, meine Familie zurückzulassen.

Sie haben Ihre Frau an der Michigan State University kennengelernt, wo Sie Personalwesen studierten. Bei vielen Ihrer Eishockey-Stationen waren Sie Kapitän oder Assistent. Können Sie gut mit Menschen, sind Sie gerne Vertrauensperson?
Rowe: Schwer zu sagen, ob das in meinem Wesen liegt oder ob ich das so gelernt habe. Ich bin mit zwei Brüdern aufgewachsen, wir haben ein enges Verhältnis. Außerdem habe ich viele Teamsportarten ausprobiert. Ich würde nicht sagen, dass ich ein besserer Anführer bin als meine Kollegen in unserer Kabine. Nicht mal, dass ich mich darauf konzentriere, vorweg zu gehen. Ich mag es einfach, Beziehungen zu Menschen zu knüpfen. Das verstehen manche wohl als Führungsqualität.

Als Sie 2019 zu den Rapperswil-Jona Lakers in die Schweiz wechselten, wählten Sie Ihre neuen Teamkollegen auf Anhieb zum Kapitän. Das ist ziemlich ungewöhnlich.
Rowe: Stimmt. Das hat mich total überrascht, ich fühlte mich geehrt. Die Jungs kannten mich vielleicht sechs Wochen. Vermutlich wollten sie einfach eine neue Stimme hören. Ich denke aber, ich habe die Aufgabe ganz gut gelöst.

Sie haben sich für den ERC entschieden, obwohl Sie – wie Sie in der Pressemitteilung zu Ihrem Wechsel zitiert wurden – auch andere Optionen hatten. Warum ist es Ingolstadt geworden?
Rowe: Die ganz freie Auswahl hatte ich nicht, aber es gab Interesse. Ich bin gut mit Wayne Simpson befreundet, mit dem ich in Charleston zusammengespielt habe (in der Saison 2014/15 gewann das Duo mit den South Carolina Stingrays 23 Spiele in Folge und wurde Vizemeister in der ECHL, d. Red.). Mit ihm habe ich geredet, mit Sportdirektor Tim Regan und auch mit Matt Bailey, der vor ein paar Jahren in Ingolstadt gespielt hat. Damals haben meine Frau und ich sogar die Baileys besucht.

Sie waren also schon mal hier?
Rowe: Ja, für einen Tag. Wir waren bei einem Spiel in der Arena, und ich fand es damals schon einen coolen Ort. Ingolstadt schien mir gut zu passen für mich und meine Familie, worauf ich natürlich mein Augenmerk lege. Außerdem können die Panther stolz sein auf ihren Ruf, auf Charakterspieler zu setzen und ein familiärer Klub zu sein.

Wollten Sie nach vier Jahren in der Schweiz eine neue Herausforderung – oder haben die Lakers Ihren Vertrag nicht mehr verlängert?
Rowe: Es war eine gemeinsame Entscheidung und Zeit für eine Veränderung. Ich denke, dass der Klub nach neuen Gesichtern gesucht hat, und auch mein Alter hat vielleicht eine Rolle gespielt. Vielleicht haben sie mir keine weiteren vier Jahre mehr zugetraut (lacht).

Und Sie trauen sich die zu?
Rowe: Absolut! Ich fühle mich fit und stark auf dem Eis.

Vor Ihrem Wechsel nach Europa kamen Sie in Nordamerika als ungedrafteter Spieler bei keinem Klub wirklich an, Sie pendelten häufig zwischen drittklassiger ECHL und der zweitklassigen AHL. Warum haben Sie dort keine Konstanz gefunden?
Rowe: Mit 22 habe ich die Universität verlassen und einen Einstiegsvertrag bei den Philadelphia Flyers unterzeichnet. Ich kam in eine Organisation, die tief besetzt war, das Farmteam jedoch war nicht besonders gut. Es war ein schweres Jahr für alle. Dann musste ich wegen einer ausgekugelten Schulter operiert werden. Für meine Rückkehr wurde ich in die ECHL geschickt, wo ich den Spaß und meine Leidenschaft für das Eishockey wiedergefunden habe. Im Anschluss habe ich immer nach meiner besten Chance gesucht, in die NHL zu kommen. Nach der meisten Eiszeit, nach Trainern, die einen nach einem Fehler nicht direkt auf der Bank schmoren lassen. Ich bin ein Spätzünder, ich habe Zeit gebraucht, zu verstehen, dass man sich die Eiszeit verdienen muss. Aber ich würde sagen, dass ich immer besser geworden bin und einen guten Abgang aus Nordamerika hatte.

Sind Sie traurig, dass das mit der NHL nie geklappt hat?
Rowe: Ich habe ein Vorbereitungsspiel mit den Flyers gemacht, aber das zählt natürlich nicht wirklich. Trotzdem war es toll, von Legenden wir Jaromir Jagr und Chris Pronger umgeben zu sein und von ihnen zu lernen. Vor allem mental hat mir das sehr geholfen.

Wie würden Sie Ihre Spielweise beschreiben?
Rowe: Über die Jahre hat sich mein Spiel verändert. Früher war es technischer, jetzt würde ich mich als Zwei-Wege-Mittelstürmer bezeichnen. Ich übernehme defensive Verantwortung, kann aber auch Räume für meine Sturmpartner schaffen. Ich bringe auf jeden Fall eine gewisse Bissigkeit mit, spiele aber auch ordentliche Pässe. Einfach ein Allrounder.

Was machen Sie, wenn Sie nicht auf dem Eis stehen?
Rowe: Die meiste Zeit widme ich meiner Familie. Ich mag gutes Essen und mal ein Glas Wein. Ansonsten bin ich sehr aktiv, ich liebe Wassersport, Ski, Snowboard, Tennis, spiele Golf und bin ganz gut im Tischtennis. Genau wie Wayne.

Also sind heiße Duelle an der Platte zu erwarten.
Rowe: (lacht) Es wird harte Kämpfe geben!

Das Gespräch führte
Alexander Petri.


Fitnesstests: Ehe ERC-Trainer Mark French an diesem Montag (10.30 Uhr) zum ersten gemeinsam Training aufs Eis der Saturn-Arena bittet, standen in den vergangenen Tagen die obligatorischen Fitnessüberprüfungen auf dem Plan. Neben den Spiroergometrie-Tests auf dem Rad zur Bestimmung der maximalen Sauerstoffaufnahmefähigkeit bei Holger Haverkamp mussten die ERC-Profis zur orthopädischen Untersuchung durch Teamarzt Stephan Ehler und zum Ultraschall-Check des Herzens bei Internist Roland Zippelius. Zudem standen in Halle 2 der Saturn-Arena unter Anleitung von Fitnesstrainerin Maritta Becker und den Physios vom Therapiezentrum Mailing Kraft-, Sprint- und Sprungtests an.

CHL-Tour nach Salzburg: Die Panther-Fans sind heiß auf die Champions League: Alle 500 Tickets für die Bustour zum Auswärtsspiel in Salzburg am 7. September, die der ERC in Kooperation mit seinem Partner DB Regio angeboten hatte, sind in Rekordzeit verkauft worden, teilt das Fanprojekt mit.