Mach’s noch einmal, Mark!
2010 holte ERC-Trainer French mit Hershey nach 0:2 noch den AHL-Titel − Ex-Panther McNeill erinnert sich

18.04.2023 | Stand 16.09.2023, 23:28 Uhr

Von 2015 bis 2018 verteidige Patrick McNeill für den ERC Ingolstadt. Im Trikot der Hershey Bears gewann er zweimal den Calder Cup in der American Hockey League – 2009 mit dem Assistenz-, 2010 mit dem Cheftrainer Mark French. Foto: Imago Images

Nordamerikaner gelten gemeinhin als grenzenlose Optimisten, die selbst in aussichtslos scheinender Lage zuversichtlich bleiben. So wie Tyler Bouck in der Endspielserie um die deutsche Eishockey-Meisterschaft 2014 zwischen dem ERC Ingolstadt und den Kölner Haien: Nach den beiden Auftaktniederlagen ergriff der damalige Panther-Kapitän das Wort. „2008 haben wir in der American Hockey League mit den Portland Pirates gegen Providence auch 0:2 zurückgelegen − und die beiden Spiele mit 0:4 und 1:7 verloren“, erzählte er seinen Kollegen vor dem so wichtigen Spiel drei. „Danach siegten wir viermal in Folge.“

Wie sehr der heute 43-Jährige seine Teamkollegen mit dieser Geschichte tatsächlich aufgemuntert hat, ist unklar. Doch die Panther gewannen die folgenden drei Partien und schnappten sich acht Tage später mit dem vierten Sieg auch den Meisterpokal. Der aktuelle ERC-Trainer hat 2010 Ähnliches erlebt: Mark French errang in seiner ersten Saison als Cheftrainer in der American Hockey League (AHL) den Titel namens Calder Cup – obwohl er mit seinen Hershey Bears um die späteren DEL-Legionäre Keith Aucoin, Steve Pinizzotto und Andrew Joudrey die ersten beiden Finalspiele gegen die Texas Stars verloren hatte. „Wir waren ein richtig gutes Team, als Titelverteidiger der Favorit – und verlieren dann zweimal zu Hause. Das war eine Riesenenttäuschung“, erinnert sich der damalige Bears-Verteidiger Patrick McNeill, später drei Jahre beim ERC unter Vertrag.

Nervös sei French angesichts des 0:2-Rückstands nicht geworden, berichtet McNeill: „Mark ist sehr gut darin, von Drittel zu Drittel sowie von Spiel zu Spiel zu denken und das große Ziel auszublenden.“ Doch zunächst berief Kapitän Bryan Helmer, der punktbeste Verteidiger in der AHL-Geschichte, eine Teamsitzung ein – ohne French. „Mark wusste davon, aber er hat uns machen lassen. Er wusste, dass die richtigen Dinge angesprochen werden, ohne dass er das überwachen muss“, erinnert sich McNeill, der nach seinem Karriereende als Polizist in seinem Heimatort Strathroy in Kanada arbeitet. Überhaupt habe French seiner Mannschaft „stets vertraut, speziell den Führungsspielern. Er verstand, was jeder Einzelne zum Teamerfolg beitragen konnte und versuchte nicht, mit Gewalt etwas zu verändern. Er wusste, dass wir wussten, was gemacht werden muss. Die Spieler schätzen das und folgen einem solchen Coach.“

Die Aussprache war erfolgreich: Die Bears gewannen in Texas Spiel drei, glichen die Serie in Spiel vier aus und gingen mit Spiel fünf in Führung. Im sechsten Duell, wieder daheim in „Chocolate Town“, wie die Stadt in Pennsylvania wegen der gleichnamigen Süßwarenfabrik genannt wird, traf McNeill beim 4:0-Sieg doppelt und feierte die Meisterschaft – mit der ersten Mannschaft in der AHL-Historie, die einen 0:2-Rückstand im Finale noch drehte. „Ich erinnere mich an das Spiel, als wäre es gestern gewesen“, berichtet der 36-Jährige. Teamkollege Chris Bourque, der seine Karriere 2022 als Panther beendete, wurde als wertvollster Spieler der Play-offs ausgezeichnet.

Für McNeill ist French nicht nur ein „super Trainer, Stratege und exzellenter Motivator“, sondern „in erster Linie ein Freund geworden. Wir hatten eine spezielle Verbindung.“ Auch wenn er seit einigen Jahren nicht mehr mit seinem Landsmann gesprochen habe, „habe ich seine Karriere verfolgt und war froh, als er in Ingolstadt gelandet ist. Ich war mir sicher, dass er dort Erfolg haben wird.“ Und falls French mit dem ERC eine ähnliche Wende gelingt wie vor 13 Jahren mit den Hershey Bears, lernen die Ingolstädter vielleicht auch eine andere Seite ihres Trainers kennen: „Er ist Profi durch und durch und behält sein Pokerface das ganze Jahr“, sagt McNeill. „Aber als Meister kann er auch mal loslassen und genießen.“

DK