Ingolstadt
Großer Bahnhof für Audi

20.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:31 Uhr

Der Audi-Bahnhalt wird sich ab Dezember 2019 in Höhe der Technischen Entwicklung befinden. Die kleine Straße dorthin ist öffentlich. Am rechten Bildrand sieht man das Landesgartenschaugelände. - Foto: Sauer/Audi

Ingolstadt (DK) Am Donnerstag kommt der bayerische Innenminister nach Ingolstadt, um den Vertrag für den Bahnhalt bei dem Autohersteller zu unterzeichnen. Profitieren wird die gesamte Region, weil der ÖPNV optimiert werden soll.

Was hat es nicht schon geknirscht, wenn es um das Zusammenwirken der Stadt Ingolstadt und der umliegenden Landkreise ging. Das Oberzentrum ziehe alles an sich, hieß es oft misstrauisch von draußen - freilich nicht nur die Annehmlichkeiten, es gebe auch viele Probleme, die da auflaufen, wie etwa die zunehmende Verkehrslast, konterte die Stadt. Wenn jetzt ein Projekt vor der Realisierung steht, bei dem alle Seiten kräftig an einem Strang ziehen, erscheint das umso bemerkenswerter. Am Audi-Werk wird ein eigener Bahnhalt entstehen, heute wollen alle Beteiligten im Beisein von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann ihre Unterschriften aufs Papier setzen. Der erste Zug soll im Dezember 2019 am Unternehmen halten.

"Das ist ein Quantensprung für die gesamte Region", stellt der Ingolstädter OB Christian Lösel fest, zugleich Vorsitzender des Planungsverbands für die Region 10. "Wenn eine Stadt einen dritten Bahnhof bekommt, das ist wie ein Sechser im Lotto!" Der Oberbürgermeister steht nicht allein mit seiner Meinung. Die Verantwortlichen in der Region sind mächtig stolz auf das, was sie gemeinsam auf den Weg brachten. Der Eichstätter Landrat Anton Knapp spricht gar von einem "epochalen Ereignis". "Anderswo werden Bahnhöfe geschlossen, wir kriegen einen."

Sein Landratskollege Martin Wolf aus Pfaffenhofen lobt das Projekt als "großartige Möglichkeit, den Verkehr von der Straße wegzubekommen". Roland Weigert, Landrat im Kreis Neuburg-Schrobenhausen, ordnet den Audi-Bahnhalt als "Meilenstein für den öffentlichen Nahverkehr" ein, von dem nicht nur die rund 8000 Audi-Pendler im Landkreis, sondern alle profitieren würden. Als großen Erfolg "im Sinne der Belegschaft" bewerten Peter Mosch und Klaus Mittermaier vom Audi-Gesamtbetriebsrat die Entwicklung, an der beide maßgeblich beteiligt waren. Von einem sehenswerten Ergebnis spricht nicht zuletzt auch Audi-Werksleiter Albert Mayer.

So viel Einigkeit lässt fast vergessen, wie steinig der Weg zum Ziel zunächst war. Denn nicht immer zeigten sich alle Seiten gleichermaßen begeistert, nachdem der Audi-Betriebsrat das Thema vor 21 Jahren erstmals intern diskutiert hatte (siehe Kasten rechts). Die Werksspitze führte Sicherheitsprobleme und fehlende Wirtschaftlichkeit als Gegenargumente ins Feld. Dinge, die nun weitgehend ausgeräumt scheinen. Der Halt wird am Werk gebaut, nicht im Werk - der vorgesehene Streifen am Parkhaus "T 33", wo seit jeher die Linie Ingolstadt-Treuchtlingen fährt, ist Bahneigentum und über eine Straße an der Ettinger Umgehung öffentlich zugänglich.

Dieser Punkt hatte eine wichtige Rolle gespielt, als die Beteiligten - neben der Stadt Ingolstadt sind das die Audi AG, die Deutsche Bahn Station & Service AG und das bayerische Innenministerium - vorigen Herbst grünes Licht für den Bahnhalt "Ingolstadt Audi" gaben. Denn der geplante Stopp liegt keine drei Kilometer vom Gelände der Landesgartenschau 2020 zwischen dem Hochkreisel bei Gaimersheim und dem Ingolstädter Westpark entfernt. Ideal also, um Besuchern kurze Wege anzubieten und Straßen vom Individualverkehr zu entlasten.

Da freut sich der Ingolstädter Oberbürgermeister. Als Vorsitzender des regionalen Planungsverbandes sieht Christian Lösel aber über Stadtgrenzen hinaus. Er zeigt sich überzeugt, "dass man durch diesen Bahnhof eine Chance hat, eine Regionalbahn auf den bestehenden Strecken" zu verwirklichen. Der Audi-Halt sei nur der eine Aspekt. Das Hauptaugenmerk müsse aber dem Netzausbau beim ÖPNV in der Region gelten, um "die Leute aus den Wohngebieten abzuholen" und an die Bahnhöfe zu bringen. Nicht zuletzt müsse es mit einem einzigen Fahrschein möglich sein, quer durch die Region zu reisen, was teilweise bereits möglich ist. Der Audi-Bahnhalt als Turbo für die Optimierung der regionalen Vernetzung - was für ein Ding!

Die Landräte in den umliegenden Kreisen teilen Lösels Begeisterung. Martin Wolf will noch heuer ein Verkehrsgutachten für den Raum Pfaffenhofen mit dem Titel "Mobilität im ländlichen Raum" in Auftrag geben: "Wir haben acht Bahnhöfe im Kreis; es geht darum, sie bestmöglich auszulasten." Ob Linienbus, Rufbus oder Ruftaxi - nichts scheint unmöglich. "Selbst Car-Sharing ist ein Thema", sagt Wolf. Eichstätts Kreischef Anton Knapp möchte die Anbindung an die Bahnhöfe und den Ausbau von Pendlerparkplätzen ebenfalls optimieren. "Platz ist genug da. Der Schienenstrang mit dem Audi-Halt ist für die Linie bis hinter Eichstätt eine Riesenchance."

Das Potenzial des Bahnstopps für den Öffentlichen Personennahverkehr in der Region steht nicht zuletzt für Robert Frank von der Ingolstädter Verkehrsgesellschaft (INVG) im Vordergrund. Bis 2019 will er nun die Vernetzung in den Kreisen verbessern. "Konkret geht das aber erst, wenn die Taktungen der Bahn feststehen."

Der Fahrgastverband Pro Bahn begrüßt den Audi-Halt, mahnt aber für die Zukunft Optimierungen an. "Die Anschlüsse am Ingolstädter Hauptbahnhof Richtung Norden passen nicht, Wartezeiten bis zu einer halben Stunde sind nicht alltagstauglich", sagt Sprecher Winfried Karg. Möglicherweise tut sich da bereits etwas. Die Bayerische Eisenbahngesellschaft will im Vorgriff des Bahnhalts ab diesen Dezember montags bis freitags 32 zusätzliche Fahrten zwischen dem Ingolstädter Hauptbahnhof und dem Nordbahnhof anbieten, von wo INVG-Busse schon jetzt den Anschluss zur Audi sicherstellen, ergab die Nachfrage. Nach dem Bau des Bahnsteigs sei die Erweiterung des Gaimersheimer Bahnhofs geplant, um das Wenden für aus dem Süden der Region kommende Züge zu ermöglichen.

Der Audi-Bahnhalt ist mit Ausgaben von rund 13 Millionen Euro veranschlagt. Bahn und Freistaat übernehmen die Hälfte der Herstellungskosten für die eigentliche Verkehrsstation. Den Rest teilen sich Audi und Stadt Ingolstadt, ebenso die Finanzierung für die Anbindung des Bahnhalts an das öffentliche Straßennetz. Das wird weitere 4,6 Millionen Euro ausmachen.