Berlin
"Notfalls Streik"

EVG-Chef Alexander Kirchner fordert von der Bahn ein akzeptables Angebot

16.11.2014 | Stand 02.12.2020, 21:59 Uhr

Berlin (DK) In dieser Woche wollen sich die Vertreter der Deutschen Bahn AG, der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) an einen Tisch setzen, um die Tarifverhandlungen in Gang zu bringen.

Über die Aussichten für einen Tarifabschluss sprachen wir mit dem EVG-Vorsitzenden Alexander Kirchner.

 

 

Am Dienstag treffen Sie sich mit der Bahn-Spitze und der GDL zu Sondierungsgesprächen, am Freitag sind die ersten Tarifverhandlungen anberaumt. Glauben Sie an eine Einigung im Bahn-Tarifkonflikt noch vor Weihnachten?

Alexander Kirchner: Das wird davon abhängen, ob es gelingt, eine gemeinsame Grundlage für die Vorgehensweise zu finden. Es gibt sehr unterschiedliche Auffassungen über die Frage, wie verhandelt werden soll. Das muss man vorher klären.

 

Nachdem die GDL schon sechsmal den Zugverkehr lahmgelegt hat, drohen Sie nun Ihrerseits mit Streik. Muss das sein?

Kirchner: Wir haben unsere Forderung nach sechs Prozent mehr Lohn und einer Mindesterhöhung um 150 Euro vorgestellt. Wir erwarten vom Arbeitgeber jetzt ein akzeptables Angebot, das insbesondere unserer Forderung nach einer sozialen Komponente Rechnung trägt. Sollte sich der Arbeitgeber dem verweigern, bleibt uns nichts anderes übrig, als notfalls dafür zu streiken.

 

Ist es richtig, dass Sie bereits vor Beginn der Verhandlungen konkurrierende Tarifverträge bei der Bahn ausschließen wollen?

Kirchner: Es soll parallel am gleichen Ort zum gleichen Zeitpunkt verhandelt werden. Das ist nur sinnvoll, wenn wir uns darauf verständigen, am Ende ein gemeinsames Ergebnis zu erreichen. Wenn die GDL dazu nicht bereit ist, brauchen wir auch kein gemeinsames Vorgehen abzusprechen. Dann soll die GDL für sich verhandeln und wir verhandeln für uns.

 

Müsste die GDL im Zweifelsfall den Tarifvertrag für die Zugbegleiter übernehmen, den die EVG abschließt?

Kirchner: Wir wollen kein Tarifdiktat und bieten der GDL an, für die Berufsgruppen, bei denen sie nicht die Mehrheit hat, mitgestalten und mitreden zu können. Am Ende des Prozesses muss aber eine demokratische Mehrheitsentscheidung stehen, und dann muss für eine Berufsgruppe eine Mehrheit der dort vertretenen Beschäftigten entscheiden, was richtig ist. Wir stehen für Tarifeinheit und halten es für falsch, wenn es für die gleiche Berufsgruppe unterschiedliche Verträge gibt. Die GDL hat nach derzeitigem Stand die Mehrheit bei den Lokomotivführern, aber bei allen anderen Berufsgruppen nicht.

 

Was wäre so schlimm daran, wenn es konkurrierende Tarifverträge beispielsweise für Zugbegleiter gäbe?

Kirchner: Das ist unsolidarisch und spaltet die Belegschaft. Am gleichen Arbeitsplatz würden Kollegen zu unterschiedlichen Bedingungen arbeiten. Gewerkschaften sind gegründet worden, damit die Starken den Schwachen beistehen können. Bei einer Reihe von Privatbahnen hat die GDL konkurrierende Tarifverträge durchgesetzt. Dort führt das zu chaotischen Verhältnissen und einer Aufheizung der Situation.

 

Sie nehmen für sich in Anspruch, mehr Konflikte mit der Bahn ausgefochten und dabei mehr erreicht zu haben als die GDL. Können Sie das näher erläutern?

Kirchner: Bei den Tarifabschlüssen seit 2008 haben wir für die Beschäftigten im Schnitt 1,6 Prozent mehr herausgeholt als die GDL. Wir haben bessere Zusatzleistungen für unsere Mitglieder vereinbart. Daneben haben wir eine ganze Reihe von Themen aufgegriffen, beispielsweise den Beinaheunfall in Mainz oder in Mannheim. Die GDL hat sich darum überhaupt nicht gekümmert.

 

Das Interview führte

Antje Schroeder