"Wir sind noch in einem Lernprozess"

Artur Steinmann, Präsident des Fränkischen Weinbauverbands, über die Auswirkungen des Klimawandels

18.02.2021 | Stand 27.02.2021, 3:33 Uhr
Weinernte in Unterfranken: Helfer lesen in der Steillage "Escherndorfer Lump" Trauben der Rebsorte Silvaner. Dieser gilt nach Angaben des Präsidenten des Fränkischen Weinbauverbands, Artur Steinmann, zu den Gewinnern des Klimawandels. −Foto: Hildenbrand, dpa

Herr Steinmann, in den Jahren 2019 und 2020 ging die Erntemenge an Frankenwein deutlich zurück: Von welchen absoluten Mengen sprechen wir und wie hoch ist der prozentuale Anteil gegenüber den Vorjahren?


Artur Steinmann: 2019 wurden durchschnittlich 56 Hektoliter pro Hektar geerntet, was einem Rückgang von 22 Prozent im Vergleich zum zehnjährigen Durchschnitt von 72 hl/ha bedeutet. Für 2020 erwarten wir einen Rückgang von rund 38 Prozent (44 hl/ha).

Als Ursache führen die Winzer vor allem den Klimawandel ins Feld: Wie stellt sich dessen konkrete Auswirkung dar?
Steinmann: Die Reben treiben früher aus, was die Gefahr von Spätfrostschäden im April und Mai deutlich erhöht. Trockenheit und Hitze in der Wachstumsphase der Beeren sorgen für kleinere Beeren. Um die Reben zu entlasten, werden Trauben rausgeschnitten.

Ist damit zu rechnen, dass die Erntemengen auch in den künftigen Jahren klimabedingt weiter sinken werden?
Steinmann: Wir gehen nicht davon aus, dass die Erträge noch weiter sinken. Spätfrostereignisse, die zur massiven Reduzierung der Erntemenge beitragen, können nicht kalkuliert werden. Die Erträge werden sich langfristig auf einem Niveaus vermutlich zwischen 65 und 75 hl/ha einpendeln.

Müssen die Kunden infolge dieser Entwicklung mit einer Verteuerung rechnen?
Steinmann: Der Frankenwein verspricht ein hohes Preis-Genuss-Verhältnis. Es ist die Entscheidung jedes einzelnen Betriebs, ob und wie er darauf reagiert.

Große Temperaturen führen doch aber auch zu einer besseren Qualität - wie genau passiert das?
Steinmann: Hohe Temperaturen per se führen nicht zu einer besseren Qualität, genauso wichtig ist das für die Reben verfügbare Wasser, die Versorgung mit Nährstoffen, das Laubwandmanagement und so weiter. Vereinfacht können wir sagen, dass hohe Temperaturen und der damit verbundene Sonnenschein die Zuckerbildung in den Beeren anregt, aus dem wiederum durch die Hefen bei der alkoholischen Gärung Alkohol entsteht. Für die optimale Aromenausprägung ist es jedoch besser, wenn sich warme Tage und kühle Nächte abwechseln. Denn eine animierende Säure ist auch wichtig für den Weingenuss.

Sehen Sie angesichts dieser Tatsache die klimatische Entwicklung mit einem lachenden und einem weinenden Augen - oder überwiegt insgesamt doch eher die negative Betrachtung?
Steinmann: Unser Silvaner ist ein Gewinner des Klimawandels, da er doch ganz gut damit zurecht kommt. Das Thema Wasser sorgt dann doch für ein weinendes Auge.

In mediterranen Ländern, aber auch Australien oder Kalifornien herrschen schon immer Sommertemperaturen wie zuletzt bei uns - dort scheint man damit ganz gut zurecht zu kommen, oder?
Steinmann: Der Weinbau dort ist mit unserem nicht zu vergleichen. Die genannten Länder setzen vor allem auf Rotwein - Franken ist ein Weißweingebiet. In den meisten Fällen wird auch bewässert. Wir sind hier noch in einem Lernprozess.

Städtische Grünflächenämter reagieren auf die zunehmende Sommerhitze mit dem Pflanzen neuer Baumarten - müssen wir uns auch auf andere, hitzebeständigere Traubensorten in Franken einstellen?
Steinmann: Silvaner und auch die Burgunder sind Gewinner des Klimawandels. Anderen Sorten wie dem Bacchus oder auch dem Riesling kann es - auch standortabhängig - zu heiß werden. Wir haben sicherlich die Möglichkeit auf andere Rebsorten, insbesondere Rotwein, auszuweichen. Dies muss aber mit Bedacht geschehen, denn wir stehen beim Konsumenten nun einmal für Weißwein.

Welche konkreten Maßnahmen werden außerdem ergriffen?
Steinmann: Die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit verschiedenen pflanzenbaulichen Maßnahmen. Vorneweg das Thema intelligente Bewässerung, aber auch Anpassung des Boden- und Laubwandmanagements oder Versuche zu Unterlagen, die eine größere Trockenstresstoleranz zeigen.

DK

Das Interview führte André Paul.