Steinalte Tradition neu belebt

20.05.2020 | Stand 23.09.2023, 12:05 Uhr
Bizarre Formen: Geschäftsführer Martin Niefnecker auf dem Gelände der Genossenschaftswerke für Solnhofener Platten in Mörnsheim, hinten der alte Bürobau. −Foto: Richter

Martin Niefnecker wusste um das Risiko, als er das insolvente Werk für Solnhofener Platten in Mörnsheim übernahm, das 1899 entstanden war. Der Charme der alten Mauern hatte es ihm aber angetan. Heute laufen die Geschäfte wieder.

 

Mörnsheim - Die einen setzen auf hippe Start-Ups, die anderen lieber auf traditionelles Gewerbe. Martin Niefnecker (43) gehört zur zweiten Gruppe. Er ist mit seiner Frau Geschäftsführer der Genossenschaftswerke für Solnhofener Platten GmbH in Mörnsheim im Kreis Eichstätt - ein geschichtsträchtiger Ort. Die Ursprünge des Werks auf dem Hummelberg gehen bis 1899 zurück. Niefnecker hatte durchaus Mut bewiesen, als er die alten Produktionsstätten 2016 übernahm, aus der Insolvenz heraus. Heute macht er zwei Millionen Euro Umsatz im Jahr und bietet zwölf Arbeitsplätze - drei im Büro, neun in der Produktion.

Bevor Martin Niefnecker vor vier Jahren das Ruder auf dem rund 38000 Quadratmeter großen Areal übernahm, hatte seine Tante dort mit der Vorgängerfirma das Sagen. Die inzwischen verstorbene Frau hatte im Sommer 2015 Zahlungsunfähigkeit angemeldet, ohne dem jetzigen Geschäftsführer und dessen Bruder Ludwig vorher Bescheid zu geben. Beide waren für sie in dem Familienbetrieb tätig. "Wir haben das erst durch den Insolvenzverwalter erfahren", erinnert sich der 43-Jährige.

 

Die Arbeit ging zunächst befristet, dann auf Dauer weiter, nachdem Martin Niefnecker das Unternehmen "aus der Insolvenz heraus und ohne Stillstand" erworben hatte. Dafür gründete er die Genowe Naturstein GmbH. "Der Standort und die Arbeitsplätze bleiben erhalten", hatte sich der Insolvenzverwalter in einer Bekanntmachung am 21. Juni 2016 gefreut - es kamen sogar weitere Stellen hinzu. Die Familie Niefnecker schloss einen neuen Pachtvertrag mit der Mörnsheimer Steinbruch-Besitzgenossenschaft als Eigentümerin des Areals und packte die Sache an.

"Ein Wagnis war das schon", räumt Martin Niefnecker im Nachhinein erhebliches Bauchgrimmen im Vorfeld ein. "Die Stammkundschaft hat uns gedrängt, unbedingt weiterzumachen, und wollte uns die Treue halten, aber das Risiko ist auf unserer Seite gelegen." Würden die bisherigen Abnehmer auch Wort halten? Sie taten es, "fast 90 Prozent sind uns geblieben", freut sich der Geschäftsführer. Und es sind neue hinzugekommen, obwohl der Druck auf die Branche durch Billigprodukte in Baumärkten und aus dem Ausland weiter steigt. Das Werk ist noch dazu schwer zu finden: Postalisch gehört es zu Solnhofen, tatsächlich aber zur Gemeinde Mörnsheim. "Es ist traurig, dass es nur mehr eine Handvoll Betriebe wie den unseren gibt. Früher haben sie den Arbeitsmarkt hier bestimmt."

 

Traditioneller Abbau in fünf Steinbrüchen, zwei eigenen und drei gepachteten, bilden die Basis für Niefneckers Geschäft. Der Solnhofener Naturstein und Juramarmor kommen auf Paletten zur Bearbeitung auf den Hummelberg oberhalb von Mörnsheim - eine Welt aus einer anderen Zeit. Bürogebäude und Lagerhaus sind mit Legschiefer gedeckt und stammen noch aus der Gründerzeit der Genossenschaft im Jahr 1899. Sie verbreiten einen besonderen Charme, der sich wohltuend vom oft beliebigen und kalten Ambiente moderner Gebäude aus Stahl und Glas abhebt. Eine knarzende Tür öffnet den Weg hinein in den Verwaltungsbau, Holzstiegen führen hinauf ins Büro. Wer es "geschleckt" mag, ist hier verkehrt - dafür geht es unkompliziert zu, es herrscht ein herzlicher Umgangston. Zur Kundschaft gehören Privatleute ebenso wie Badausstatter, Bodenverleger, Steinmetzbetriebe und andere. 35 Prozent der Produkte gehen ins Ausland, was jetzt, in Corona-Zeiten, ein wenig stockt. "Wir haben sogar schon Platten für den Kölner Dom geliefert", sagt Martin Niefnecker. Ob Jurastein für Fußböden, Fassaden und Fensterbänke oder Rohmaterial für Grabsteine, das Sortiment ist vielfältig. Massivtoiletten aus einem Stück für eine Villa auf Ibiza waren ebenfalls schon gefragt. Stände auf Fachmessen und vor allem Mundpropaganda bringen die Kundschaft.

Der Geschäftsführer hat festgestellt, dass viele beim Hausbau wieder mehr auf Nachhaltigkeit achten und regionale, dauerhafte Produkte schätzen. Zurecht, wie er meint: "Ein Boden aus Jurastein überdauert Generationen." Der 43-Jährige ist froh, das Wagnis eingegangen zu sein und die alte Tradition auf dem Hummelberg fortgesetzt zu haben. Neben seinem Bruder Ludwig hilft auch Vater Hans Niefnecker (69) tatkräftig mit, vor allem bei Reparaturen im Betrieb. Nur eines darf er nicht: die alte Tür im Bürogebäude ölen. "Die muss unbedingt knarzen", sagt Martin Niefnecker und lacht.

DK

 

Horst Richter