Klimafreundlich, regenerativ, nicht zugelassen

19.06.2020 | Stand 23.09.2023, 12:25 Uhr
Was tanken wir in den kommenden Jahrzehnten? Trotz der immer wichtiger werdenden E-Mobilität wird es noch lange Verbrenner im Verkehr geben. Die Frage ist, ob diese Kraftstoffe fossilen Ursprungs tanken werden. −Foto: Gateau, dpa-Archiv

Wie sieht das Auto der Zukunft aus? Sicher ist nur, es soll weniger Treibhausgase ausstoßen. Für viele spielt die E-Mobilität dabei die Hauptrolle. Andere plädieren hingegen für eine technologieoffenere Debatte und wollen den Verbrennungsmotor zum Teil der Lösung machen. Denn sogar Altfahrzeuge, die noch lange im Verkehr unterwegs sein werden, könnten durchaus ihren Beitrag zur Reduktion von CO2 leisten - dank synthetischer Kraftstoffe und E-Fuels. Eine Gruppe von Ingenieuren macht sich nun für dieses Thema stark.

 

Wie entstand die Initiative und wer steckt dahinter?

Benedikt Zimmermann ist Ingenieur und bei einem Autohersteller aus Baden-Württemberg angestellt. Ihn hat das Thema synthetische Kraftstoffe und E-Fuels schon immer interessiert. "Nicht der Verbrennungsmotor ist das Problem, sondern der Kraftstoff", meint er gegenüber unserer Zeitung. Es wundere ihn, dass diesem Thema in Politik und auch Industrie nur wenig Aufmerksamkeit gewidmet werde. Denn durch synthetische, oft auch als paraffinisch bezeichnete Kraftstoffe könne man weniger auf fossile Produkte setzen, so Zimmermann. Als im Herbst 2019 schließlich ein neues Klimapaket von der Bundesregierung auf den Weg gebracht wurde und dieses Thema erneut keines war, setzte er kurzentschlossen die Petition "Regenerative Kraftstoffe (E-Fuels) jetzt" auf. Darüber kam er mit Andreas Bauditz aus der Nähe von Neckarsulm in Kontakt - ebenfalls Ingenieur bei einem Autobauer. "Ich habe in 2019 erfahren, dass eine Tankstelle in Neckarsulm synthetischen Diesel vertreibt. Das fand ich spannend und habe intensiv recherchiert", sagt Bauditz. Mit der Zeit wuchs dieses Interessensnetzwerk. Das Ziel: Synthetische Kraftstoffe beziehbar und bekannter machen.

Was sind synthetische Kraftstoffe eigentlich?

Vereinfacht gesagt sind Kraftstoffe dann synthetisch, wenn sie nicht aus fossilen, sondern aus regenerativen Quellen erzeugt werden. Hier gibt es unzählige Varianten. Bauditz hat für sich drei Bereiche definiert. Zum einen gebe es die Beimischungen, die wir heute bereits tanken können. Diesel werden bekanntlich 7 Prozent Bio-Diesel beigemischt. Und Benzin wird mit 5 bis 10 Prozent Bio-Ethanol angereichert. Letzteres ist vor allem unter E10 bekannt. Zum Zweiten gibt es Diesel- und Otto-Kraftstoffe, die aus regenerativ erzeugtem Strom und Wasserstoff sowie aus der Umgebung entnommenem CO2 hergestellt werden - die sogenannten E-Fuels. Ein Kritikpunkt an dieser Technik ist oft, dass die Produktion und damit das Endprodukt sehr teuer sind. Tatsächlich kostet ein Liter des Treibstoffs im Moment gut 4,50 Euro. Experten wie Professor Thomas Koch vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) vertreten jedoch öffentlich die Auffassung, dass in etwa zehn Jahren ein Preis um einen Euro möglich sein könnte. Und Drittens gibt es BtL-Kraftstoffe (Biomass to Liquid), die zu den XtL-Kraftstoffen zählen. Beim BtL-Verfahren wird Diesel aus Biomasse gewonnen. Hierfür seien tierische Fette und die Reste aus der Nahrungsmittelproduktion geeignet oder sogar altes Frittenfett, so Bauditz. Auch regenerative pflanzliche Rohstoffe wie Raps und Ähnliches können verwendet werden. Als Beispiel für einen solchen synthetischen Kraftstoff nennt Bausitz den C.a.r.e-Diesel eines finnischen Unternehmens.

Welche Vorteile bieten diese Diesel-Kraftstoffe?

Nach geltender Rechtslage dürfen synthetische Kraftstoffe in Deutschland nur in bestimmten Verhältnissen zugemischt, nicht aber als Reinkraftstoff vertrieben werden. Baden-Württemberg jedoch nimmt es nicht so genau und hat eine Art Ausnahmeregelung. Und jene mache sich Bauditz auch zu Nutze. Wann immer es geht, tanke er synthetischen Diesel. Eines der Hauptargumente sei, dass man so auf fossilen Diesel verzichten könne. Alleine durch das Tanken von Produkten wie C.a.r.e-Diesel könne ein CO2-Vorteil zwischen 50 und 90 Prozent erzielen werden - je nachdem, wie weit der Kraftstoff eben zuvor transportiert werden musste. Alle, die sich nun Sorgen um den Motor machen, kann Bauditz beruhigen. "Motoren werden nicht geschädigt. Daher ist es schade, dass die deutschen Hersteller den Kraftstoff für ihre Fahrzeuge noch nicht freigegeben haben - anders als französische oder namhafte Lkw-Hersteller", so der Ingenieur. Denn dann käme laut der Initiative ein weiterer großer Vorteil synthetischer Kraftstoffe zum Tragen: Man könnte sogar aktuell im Verkehr befindliche Altfahrzeuge mit Diesel-Motor bei der Einsparung von CO2 beteiligen. "Wir werden in den kommenden Jahrzehnten noch viele Verbrenner in der Flotte haben, trotz E-Mobilität", meint Bauditz. Diese könne man sauberer betreiben. Und letztlich habe er bemerkt, dass dieser Diesel seinem Auto auch noch guttue - er laufe leiser und ruhiger: "Ich ärgere mich inzwischen, wenn ich normalen Diesel tanken muss." Zusätze zum Entschwefeln enthalte der Kraftstoff auch nicht - die seien mangels Schwefel einfach unnötig.

 

Warum sind die speziellen Diesel nicht frei erhältlich?

Das hängt mit den aktuell gültigen Normen für Kraftstoffe zusammen. "Die Kraftstoffdichte liegt geringfügig unterhalb der Grenze der Norm EN590 - also der deutschen Norm für fossile Diesel-Kraftstoffe", erläutert Bauditz. Alle anderen Spezifikationen erfülle er jedoch, beteuert der Ingenieur. Dennoch sei der synthetische Diesel letztlich in die Norm EN15940 eingruppiert worden, welche wiederum nicht Teil der Bundesimmissionsschutzverordnung ist. Beide Fakten führen am Ende dazu, dass Produkte wie etwa der erwähnte C.a.r.e-Diesel nicht verkauft werden dürfen. Das Umweltbundesamt (UBA) schreibt gegenüber unserer Zeitung auf Anfrage: "Nach aktueller Gesetzeslage ist es erlaubt, neben den 7 Prozent Bio-Diesel-Anteil paraffinischen Diesel aus biogenen Rest- und Abfallstoffen mit einem Anteil von bis zu rund 26 Prozent in fossil-stämmigen Diesel beizumischen und damit zu tanken." In einer solchen Zusammensetzung werde die geforderte Dichte, wie sie in der Straßen-Diesel-Norm zu finden ist, eingehalten. Das Inverkehrbringen von Diesel mit höherem paraffinischen Anteil sei hingegen nach heutiger Gesetzeslage unzulässig.

Was genau ist nun die Forderung der Initiative?

Die Gruppe um Zimmermann und Bauditz betont, kein Gegner der E-Mobilität zu sein. Jedoch sei es richtiger, wirklich alle Technologien zu nutzen, die zu einem klimafreundlicheren Verkehr beitragen. Zumal elektrifizierte Autos nicht für jeden das richtige Gefährt seien, so Bauditz. Die Initiative macht sich dafür stark, dass entweder die Norm EN590 geändert, oder aber die Norm EN15940 in die Bundesimmissionsschutzverordnung integriert wird. So wäre der Verkauf synthetischer Diesel-Kraftstoffe kein Problem mehr. Das Umweltbundesamt möchte das auf Anfrage unserer Zeitung nicht kommentieren und verweist darauf, für die Zulassung von Kraftstoffen nicht zuständig zu sein. "Die Überarbeitung der Bundesimmissionsschutzverordnung erfolgt durch die Bundesregierung unter Beteiligung aller zuständigen Ministerien", wie es mitteilt. Doch genau hier hapere es, klagt Zimmermann. Der Hintergrund sei, dass die Norm EN15940 eine Verwendung von Palmöl nicht ausschließe, ergänzt Bauditz und betont zudem: "Das ist zugegeben ein kritischer Punkt. Denn auch wir wollen natürlich kein Palmöl."

Was sagt das bayerische Umweltministerium?

Unserer Redaktion liegt eine Antwort des bayerischen Umweltministerium auf eine Anfrage eines Kraftstoffhändlers vor. Darin heißt es unter anderem, dass "die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung in besonderen Einzelfällen zu Forschungs- und Erprobungszwecken vorgesehen" ist. Erprobung bedeutet demnach allerdings nur "die praktische Anwendung zur Feststellung der Eignung". Eine derartige Erprobung scheint aber abgeschlossen zu sein, die Einordnung in die Norm EN15940 ist letztlich erfolgt. "Insofern sind die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nicht mehr erfüllt", schreibt das Ministerium. Bauditz kann das nicht nachvollziehen und verweist als letztes Argument auf die EU-Richtlinie 2014/94/EU. Da heißt es: Synthetische paraffinhaltige Diesel-Kraftstoffe "sind auf verschiedene Weise einsetzbar und können fossilen Diesel-Kraftstoffen mit einem sehr hohen Beimischungsanteil zugesetzt oder in allen vorhandenen oder künftigen Diesel-Fahrzeugen in unvermischter Form verwendet werden".

DK

 

Christian Tamm