Droht vielen Geldinstituten das Aus?

Wirtschaftsforscher sehen vor allem Sparkassen und VR-Banken wegen krisenanfälliger Kunden gefährdet

17.07.2020 | Stand 23.09.2023, 12:59 Uhr
"Wir stehen auf soliden Krediten", sagen örtliche Geldhäuser zu drohenden Krisenszenarien. −Foto: Pleul, dpa

Ingolstadt - "Die Corona-Rezession könnte das Aus für Dutzende Banken bundesweit bedeuten - selbst wenn Deutschland die Wirtschaftskrise glimpflich übersteht." Mit so drastischen Worten beginnt eine Mitteilung des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) zu einer aktuellen Studie.

 

Vor allem Sparkassen und Genossenschaftsbanken sollten wegen ihrer Kundenstruktur mit hohen Kreditausfällen rechnen, heißt es in der Analyse. Im schlechtesten Fall geht es um Verluste von 624 Milliarden Euro, bei einem optimistischen Szenario sind es noch 127 Milliarden Euro. Teilen die regionalen Geldhäuser im Raum Ingolstadt diese Befürchtungen? Wir haben nachgefragt.

Die Volks- und Raiffeisenbanken sowie Sparkassen sind nach Meinung des Leibniz-Instituts besonders gefährdet, weil sie ihr Geld meist an Firmen verleihen, die doppelt gefährdet sind - zum einen, da die Betriebe klein und somit generell krisenanfälliger sind als Großunternehmen, zum anderen, weil sie solchen Branchen angehören, die vom Corona-Lockdown schwer getroffen wurden, darunter Einzelhandel und Gastronomie. Bundespolitik und Bankenaufsicht sollten sich darauf vorbereiten, dass die Wirtschaftskrise sich verschärft, riet IWH-Präsident Reint Gropp. Die Studie sieht im günstigsten Fall 6 Prozent (= einige Dutzend), im schlechtesten Fall bis zu 28 Prozent (mehrere hundert) der Geldhäuser gefährdet.

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Zwei große von unserer Zeitung befragte Institute in der Region Ingolstadt wollen den Teufel nicht gleich an die Wand malen, ohne das Thema jedoch auf die leichte Schulter zu nehmen. "Wir halten dieses Szenario für eher unwahrscheinlich und überzogen. Voraussetzung: Es kommt keine zweite starke Welle und somit kein weiterer großer Lockdown", sagt Anna Hollmann von der Volks- und Raiffeisenbank (VR) Bayern Mitte mit Filialen in Ingolstadt und den umliegenden Kreisen. Die ausgegebenen Firmenkrediten ihres Hauses belaufen sich auf ein Volumen von 1,6 Milliarden Euro. Die Bank achte auf eine gesunde Mischung und "hohe Verteilung", die Zusammensetzung der Kreditkunden bestehe je zur Hälfte aus Privatleuten und Gewerbe. Als regionales Kreditinstitut mit fester Bindung zum Raum Ingolstadt kenne man die Kundschaft sehr gut, Kreditzusagen würden nur nach sorgfältiger Prüfung erfolgen.

"Wir achten insbesondere auf hohe Granularität unseres Kreditportfolios und vermeiden sogenannte Klumpenrisiken", erläutert Anna Hollmann - Begriffe aus dem Bankenwesen, die für den Gesamtbestand aller Darlehen (Kreditportfolio) stehen, eine breite Streuung des Kreditrisikos (Granularität) etwa durch Aufteilung der Kreditsummen auf verschiedene Betragshöhen, Laufzeiten und Formen meinen oder die Kreditvergabe vorwiegend an Schuldner einer bestimmten Branche und die kumulative Häufung von Ausfallrisiken (Klumpenrisiko) in einem Kreditportfolio beschreiben. Im Bedarfsfall werde rechtzeitig Risikovorsorge über Rückstellungen getroffen. Derzeit gebe es aber keine Problemfälle. Dennoch beobachte und bewerte die VR-Bank Bayern Mitte die Entwicklung "sehr aufmerksam", um auf diverse Eventualitäten vorbereitet zu sein.

"Wir sehen unser Haus aufgrund der guten Risikovorsorge bestens gerüstet", nimmt Jörg Tiedt von der Sparkasse Ingolstadt-Eichstätt Stellung zu der IWH-Studie. Im Übrigen vertrauen er und sein Haus darauf, dass sich "Sparkassen und Genossenschaftsbanken bereits in der Finanzkrise als äußerst robust und aufgrund der Diversifikation wenig krisenanfällig gezeigt haben". Der Raum Ingolstadt und Eichstätt sei einer der einkommensstärksten und wirtschaftlich erfolgreichsten der Republik, die Unternehmen hätten sich daher entsprechende Reserven anlegen können. Tiedt sieht die Sparkasse zudem auf der sicheren Seite, weil ein erheblicher Teil des Kreditvolumens bei Firmenkunden auf Immobilieninvestitionen entfällt und nur ein kleiner Teil auf gewerbliche Kleinunternehmen. Er zeigt sich anders als die Verfasser der Analyse überzeugt, dass "insbesondere der deutsche Mittelstand - die Hauptkundenklientel der Sparkassen und Genossenschaftsbanken - die Krise am ehesten überstehen" werde.

Wie andere Banken im Raum Ingolstadt das Thema sehen, ließ sich nicht klären. Anfragen bei den Sparkassen Aichach-Schrobenhausen, Neuburg-Rain und Pfaffenhofen sowie der VR-Bank Neuburg-Rain und der Schrobenhausener Bank blieben unbeantwortet.

DK

Horst Richter