Berlin
"Wir müssen alle besser werden"

04.11.2015 | Stand 02.12.2020, 20:35 Uhr

Berlin (DK) Flüchtlingskoordinator Altmaier über die Arbeit der staatlichen Stellen

Herr Altmaier, auch gestern kamen wieder mehrere tausend Flüchtlinge über die deutsch-österreichische Grenze nach Deutschland. Sie haben sich heute in Niederbayern vor Ort persönlich informiert. Welche Eindrücke haben Sie dabei gewonnen?

Peter Altmaier: Die Einsatzbereitschaft der Verantwortlichen und der Helfer ist großartig und hoch professionell. Hier wird unter schwierigsten Bedingungen eine humanitäre Visitenkarte für Bayern und ganz Deutschland abgegeben, die weltweit Anerkennung findet. Das verdient Dank und Respekt. Wir werden alles dafür tun, hier die Arbeit zu unterstützen, die Abläufe zu optimieren und die Region zu entlasten. Die Zusammenarbeit mit Österreich wird verbessert. Schon in wenigen Tagen wird ein gemeinsames Zentrum für die Zusammenarbeit der deutschen und österreichischen Polizei eingerichtet. Da werden Einsatzkräfte aus beiden Ländern sieben Tage die Woche Schreibtisch an Schreibtisch kooperieren.

 

Der Winter kommt. Droht da eine humanitäre Katastrophe?

Altmaier: Wir müssen sicherstellen, dass alle Flüchtlinge angemessen untergebracht werden. Wartezeiten müssen verkürzt und mehr feste Unterkünfte geschaffen werden. Wir brauchen bessere Absprachen, wann wie viele Flüchtlinge wo genau aus Österreich ankommen. Die Bundespolizei muss weiter verstärkt werden, damit die Sicherheit gewährleistet wird. Das sind wir den Menschen in der Grenzregion und den Flüchtlingen schuldig. Die ankommenden Menschen, auch viele Eltern mit kleinen Kindern, sind alle sehr diszipliniert und geduldig. Wir müssen dafür sorgen, dass sie im Winter nicht auf der Straße stehen.

 

Heute kommen die Parteichefs von Union und SPD erneut zum Flüchtlingsgipfel zusammen. Wird es diesmal eine Einigung geben?

Altmaier: Wir versuchen, alle offenen Fragen so schnell wie möglich zu lösen. Ich kann die Ergebnisse des Koalitionsgipfels nicht vorhersehen. Wir haben in den letzten Wochen aber quer über die Parteigrenzen hinweg auch mit allen 16 Bundesländern einen Konsens in der Flüchtlingspolitik und wirksame Maßnahmen erreicht. Wir sind in der Verantwortung, diesen Konsens auch in der Koalition zu finden und Handlungsfähigkeit zu demonstrieren. Ich sehe gute Chancen auf eine Einigung. Wir brauchen aber auch eine europäische Lösung, wenn es darum geht, wie wir mit dem Flüchtlingsstrom umgehen und die Menschen aus sicheren Herkunftsländern wieder zurückführen können.

 

Hauptstreitpunkt sind die von der CSU geforderten Transitzonen. Die SPD warnt vor Haftbedingungen. Wären Registrierungszentren, die nicht nur an der Grenze, sondern auch im Landesinneren eingerichtet würden, ein möglicher Kompromiss?

Altmaier: Es liegen unterschiedliche Vorschläge auf dem Tisch. Die Unterschiede in der Ausgestaltung sind nicht groß und erscheinen mir überwindbar zu sein. Wir müssen dafür sorgen, dass die Verfahren für Flüchtlinge, die kein Bleiberecht haben, so schnell wie möglich abgeschlossen werden können. Dann kann es auch zu schnellen Rückführungen kommen.

 

SPD-Chef Sigmar Gabriel kritisiert die zuständigen CDU-Minister und beklagt mangelhafte Umsetzung der bisher beschlossenen Maßnahmen. Sind das berechtigte Vorwürfe?

Altmaier: Als Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung bin ich jeden Tag mit den zuständigen Ministerkollegen in Gesprächen und sitze mit ihnen an einem Tisch. Wir ziehen alle an einem Strang, um diese Herausforderung zu bewältigen. Öffentliche Kritik hilft uns da nicht weiter. Ich jedenfalls werde mich nicht daran beteiligen. Wir müssen alle besser werden. Da ist Luft nach oben.

 

Großrazzia der Bundespolizei gegen Schleuser-Banden im Ruhrgebiet – wird jetzt härter gegen diese Netzwerke vorgegangen?

Altmaier: Wir werden noch konsequenter gegen Schleuser und Menschenhändler vorgehen. Das ist unser politischer Wille. Wir werden immer im Auge behalten, dass die Menschen, die zu uns kommen, Opfer dieser Kriminellen sind.

 

Bleibt es dabei, dass es keine Obergrenzen geben kann, wie die Kanzlerin gesagt hat?

Altmaier: Wir sind gemeinsam der Auffassung, dass wir den illegalen Zustrom reduzieren und durch legale Strukturen ersetzen müssen. Jetzt geht es vor allem um die Lösung der praktischen Probleme vor Ort. Alles andere tritt erst einmal dahinter zurück.

 

Das Interview führte

Andreas Herholz.