"Am Ende der Regierungsfähigkeit"

Union und SPD machen sich gegenseitig für den Streit in der Flüchtlingspolitik verantwortlich

02.11.2015 | Stand 02.12.2020, 20:36 Uhr

Berlin (DK) Am Tag danach versucht Sigmar Gabriel, den Keil zwischen CDU und CSU noch tiefer zu treiben. „Symbolpolitik“ sei das und „ziemlich unsinnig“, was Horst Seehofer und seine Christsozialen da praktizierten, die Forderung nach Transitzonen nur „eine totale Scheindiskussion“. Der SPD-Chef schiebt den Schwarzen Peter für das Scheitern der Gespräche im Kanzleramt der Union zu, sieht den Koalitionspartner jetzt am Zuge und lehnt die Forderung nach Transitzonen weiter ab.

Nach dem Krisengipfel ist vor dem Krisengipfel. Am Donnerstag steht bereits die nächste Sitzung der Koalitionsspitzen an. Dann werde man „in einer sicher langen Sitzung“ versuchen, ein Stück weiterzukommen. Die SPD setzt auf Einreisezentren im Landesinnern, die Union beharrt dagegen auf Transitzonen an den Grenzen. Stundenlang hatten CDU und CSU am Sonntag um eine einheitliche Position in der Flüchtlingskrise gerungen, sich am Ende auf ein gemeinsames Konzept verständigt. „Die Sprache Seehofer“, stichelt SPD-Chef Gabriel über das Unionspapier, „der Inhalt Merkel“. Der Vizekanzler sieht die Kanzlerin als Gewinnerin des Streites der Schwesterparteien um den Kurs in der Flüchtlingspolitik. Der CSU-Chef sei gescheitert. Zwar sieht die Vereinbarung von CDU und CSU eine Reduzierung des Flüchtlingszustromes vor, nicht jedoch eine Obergrenze oder Sicherung der Grenzen, wie sie von einigen Unionspolitikern gefordert wird.

Eine Schließung der Grenzen, wie sie die CSU fordere, werde es mit der SPD jedenfalls nicht geben. „Wir werden uns nicht dazu hinreißen lassen, damit es in der Union etwas gibt, was Seehofer als Trophäe mit nach München nehmen kann“, erklärte Gabriel. Stattdessen müssten endlich die bereits beschlossenen Maßnahmen wie die des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes auch umgesetzt werden. Hier sei bisher wenig geschehen. Er sei jedoch sicher, dass sich die Koalition beim nächsten Gipfel am Donnerstag über eine Vielzahl von Maßnahmen verständigen werde. Grünes Licht für „Haftzonen“, wie die SPD die Transitzonen nennt, werde es dagegen nicht geben.

Ein bisschen Frieden nach dem Wochenende gestern in der Union: Von Streit zwischen CDU und CSU könne keine Rede sein, versuchte CSU-Chef Seehofer den Konflikt herunterzuspielen. Der gemeinsame Gegner ist nun der dritte Koalitionspartner: „Die SPD bewegt sich am Ende der Regierungsfähigkeit“, kritisierte Unionsfraktionsvize Hans-Peter Friedrich (CSU). Gegenseitige Attacken und Schuldzuweisungen – der Streit geht in die nächste Runde. Am Donnerstagabend wollen Merkel, Gabriel und Seehofer beim nächsten Krisengipfel den Durchbruch schaffen.