Auf Spiel gemünzt

18.10.2019 | Stand 23.09.2023, 9:03 Uhr

Jan Böhmermann brachte den Stein ins Rollen.

Jan Böhmermann hat in seiner Sendung die Spiele-App Coin Master unter die Lupe gekommen. Er kritisiert, dass sie nicht für Kinder geeignet ist. Jetzt hat die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien ein Indizierungsverfahren gestartet. Wir haben das umstrittene Spiel vier Tage lang getestet.

An Tag vier wartet eine Überraschung auf mich: Ich kann ein verzaubertes Paket kaufen. Für 2,29 Euro bekomme ich 100 Versuche am Glücksrad und 1,6 Millionen Goldmünzen. Wenn ich andere Spieler überfalle und ihre Schätze ausbuddle, kämpfe ich mich an die Spitze und gelange vom Land der Wikinger ins alte Ägypten. Ich reise mit dem Handy durch Raum und Zeit, bis in Fantasiewelten.

Der Download ist im Amazon App-Store ohne Altersbeschränkung möglich, also auch für Kinder. Laut Herausgeber ein Spiel der Kategorie Abenteuer. Mit einmal Tippen ist das Spiel kostenlos heruntergeladen, installiert und es kann losgehen. Um Dörfer bauen zu können, muss ich erst einmal Münzen am Automaten erspielen. Pro Stunde habe ich fünf Versuche frei, dann muss ich entweder eine Stunde lang das Handy zur Seite legen oder zusätzliche Versuche kaufen. Für 2,29 Euro kann ich 25-mal das Glücksrad drehen, für 109,99 Euro sogar 2800-mal.

Mit den erspielten Münzen kann ich Häuser bauen, Schiffe kaufen oder ein Blumenbeet anlegen und damit mein Dorf aufhübschen. So steige ich ins nächste Level auf. Aber Achtung: Ich kann auch andere Dörfer angreifen und selbst überfallen werden. Diese Option muss ich mir aber auch erst einmal am Automaten erspielen. Genauso wie Schutzschilder, mit denen ich Angriffe abwehren kann.

Das Spiel ist simpel aufgebaut. Eine Hand zeigt, wo ich drücken muss und den roten Knopf, der das Glücksrad rotieren und die Münzen fliegen lässt, findet jedes Kind. Auch die bunten Grafiken des Spiels sehen aus, wie in einem Zeichentrickfilm. Das putzige Schweinchen mit der schwarzen Banditenaugenbinde überfällt das Dorf und der starke Wikinger muss es verteidigen. Auch die Namen der Level klingen wie Traumwelten für Kinder: Süßigkeitenland, Zauberwald und Drachenhöhle. Level 205 ist die Spielhalle, im echten Leben für unter 18-Jährige tabu.

Immer wieder fragt mich die App, ob ich das Spiel mit Facebook verbinden und gegen meine Freunde spielen möchte. "Schließe dich unserer rasant wachsenden, interaktiven Facebook-Community an, um neue Wikingerfreunde kennenzulernen, tolle Belohnungen zu erhalten und Schätze auszutauschen!" Über Facebook werde ich auch auf Coin Master aufmerksam. Hier werben Prominente wie Dieter Bohlen oder Influencer wie Daniela Katzenberger, Simon Desue und Bianca Claßen, besser bekannt als Bibi, für die Spiele-App. Ein Spot zeigt, wie Bibi auf am Handy spielt, dabei verbrennt ihr das Essen im Ofen. Sie nimmt es gelassen: "Ich bin vielleicht kein Meister in der Küche, aber dafür bin ich ein Coin Master!"

Das Spiel ist absolut simpel aufgebaut; es geht nur darum, Münzen am Automaten zu gewinnen. Trotzdem handelt es sich dabei nach Einschätzung des Glückspielsuchtforschers Tobias Hayer, den Jan Böhmermann in seiner Sendung zitiert, nicht um "echtes Glückspiel", sondern "um eine Art simuliertes Glückspiel". Der Knackpunkt ist, wie Böhmermann zusammenfasst: "Ich gebe echtes Geld aus, richtig viel, aber ich kann kein echtes Geld gewinnen." Während Glückspiel nur für Erwachsene erlaubt ist, gibt es für simuliertes Glückspiel bisher keine Altersbeschränkung.

In seiner Sendung deckt Böhmermann die Hintermänner der Spiele-App auf: Gigi Levy Weiss, der ehemalige Chef der 888-Holding, eines der größten Online-Casions der Welt, Norbert Teufelberger, der die Sportwettenseite bwin gegründet hat und Evan Hoff, der mit seinem Unternehmen Velo Partners in die Glückspielbranche investiert. Die Firma, die hinter Coin Master steht, nennt sich Moon Active. Sie hat laut Schätzungen des Analyse-Tools Priori Data mit dem Spiel bislang über 280 Millionen US-Dollar Umsatz gemacht.

Böhmermann forderte Ämter und Bildungseinrichtungen dazu auf, einen Indizierungsantrag gegen Coin Master bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien zu stellen. Die Prüfstelle teilte auf Anfrage unserer Zeitung mit, dass seit der Sendung rund 90 Anträge eingegangen sind, die nun bearbeitet werden.

Mein Fazit nach dem viertägigen Test: Coin Master wird auf Dauer langweilig und stupide. Das Glücksrad dreht sich sogar automatisch und wie ich mein Dorf aufbauen kann, ist vorgegeben. Das Spiel fordert kaum Kreativität und ist alles in allem stumpfsinnig.
 

Das Indizierungsverfahren

Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) mit Sitz in Bon entscheidet auf der Grundlage des Jugendschutzgesetzes, ob Medien in den so genannten „Index“ aufgenommen werden. Das Indizierungsverfahren ist ein gerichtsähnliches Verwaltungsverfahren. Eine Antragsberechtigung besitzen in Deutschland rund 800 Stellen – vom örtlichen Jugendamt bis hin zum Bundesfamilienministerium. Ein Recht zur Anregung haben Behörden und anerkannte Träger der freien Jugendhilfe. Privatpersonen können sich dahingehend nicht an die Bundesprüfstelle wenden. Indiziert werden Medien, die geeignet sind, „die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden.“ Zum Beispiel, weil sie Gewalt verherrlichen. Hat die BPjM ein Medium indiziert, so gelten weitreichende Abgabe-, Präsentations-, Verbreitungs-, Vertriebs- und Werbebeschränkungen. 2019 wurden bisher 764 Verfahren aufgenommen, von denen 451 (Stand: 30. September) mit einem Eintrag in die Liste jugendgefährdender Medien abgeschlossen wurden. Insgesamt gibt es rund 10 000 Einträge in der Liste.

Bianca Hofmann