"Im Jugendmedienschutz besteht in der Tat Nachholbedarf"

Verena Weigand von der Bayerischen Landeszentrale für neuen Medien (BLM) über die Risiken durch Spiele wie Coin Master & Co

18.10.2019 | Stand 02.12.2020, 12:49 Uhr
Verena Weigand, Bereichsleiterin Medienkompetenz und Jugendschutz bei der BLM. −Foto: BLM

Frau Weigand, Sie sind bei der BLM für Medienkompetenz und Jugendmedienschutz zuständig.

Die Spiele-App Coin Master spricht in ihrer bunten Aufmachung und simplen Struktur eindeutig Kinder an. Nur ein harmloser Spaß? Oder ist auch Gefahr in Verzug?

Verena Weigand: Bisher standen im klassischen Jugendmedienschutz vor allem problematische Inhalte im Fokus - etwa Gewaltdarstellungen. Aber in letzter Zeit haben wir festgestellt, dass es bei Games jetzt auch andere Risiken gibt: Dazu gehören unter anderem die Monetarisierungsmodelle und das, was in den Bereich Glücksspiel hineingeht. Eine weitere Gefahr ist die übermäßige Nutzung - also exzessives Spielverhalten, das auch durch bestimmte Mechanismen im Spiel gefördert wird. Im Moment ist eine große Diskussion im Gange, auch diese Risiken stärker einzubeziehen: Da besteht im Jugendmedienschutz in der Tat Nachholbedarf.

Glücksspiel ist bei uns für Kinder unter 18 Jahren verboten. Streng genommen ist Coin Master kein Glücksspiel, aber einer der Level ist eine Spielhalle. Werden die Gamer so in die echte Spielhalle gelockt?

Weigand: Auch wenn die rechtlichen Kriterien von Glücksspiel nicht erfüllt werden, sind wir der Meinung, dass es für Kinder und Jugendliche bei solchen Spielen durchaus ein Gefährdungspotenzial gibt. Es besteht meist auch ein Anreiz, echtes Geld auszugeben. Und fast immer wird der Einsatz von echtem Geld und In-Game-Währung vermischt. Das ist für Kinder sehr schwer durchschaubar.

Für Spiele wie Coin Master gibt es keine einheitliche Altersbeschränkung. Wie kommt das?

Weigand: Es gibt eine ganze Reihe von Spielen, die ähnlich aufgezogen sind und die sich mit ihrer Aufmachung durchaus auch an Kinder richten. Diese Spiele sind oft im Ausland gehostet, und an die ausländischen Anbieter kommt man mit den deutschen Bestimmungen nicht so leicht heran. Außerdem können Alterseinstufungen vom Anbieter selbst oder von der jeweiligen Plattform stammen, auf der das Spiel verfügbar ist. So erklären sich die unterschiedlichen Bewertungen. Das ist für Eltern nicht hilfreich.



Was tut die BLM angesichts der neuen Risiken?


Weigand: Das eine ist der rechtliche Jugendschutz, den wir versuchen umzusetzen. Da der im Internet natürlich nicht flächendeckend greifen kann, sind auch medienpädagogische Maßnahmen wichtig. Gerade läuft auch ein Forschungsprojekt zum Thema Monetarisierung in Spielen. Im Medienführerschein Bayern geht es in vielen Unterrichtseinheiten um das Thema Games und Kostenfallen. Wir bieten auch einen Elternabend, den man anfordern kann, wenn man merkt, da gibt es ein Problem in einer Schulklasse oder wenn Eltern sagen, dass sie mit dem Spielverhalten ihrer Kinder nicht mehr klarkommen.

Wo steht die BLM im Spannungsfeld zwischen Regulierung und Freiheit im Netz?

Weigand: Alle Freiheitsrechte wie Meinungsfreiheit oder Kunstfreiheit müssen gegen den Jugendmedienschutz abgewogen werden. Aber auch der Jugendschutz hat Verfassungsrang.

Wie beurteilen Sie die Medienkompetenz junger Menschen?



Weigand:
Da kommt es auf das Alter an. Kinder und Jugendliche sind sehr schnell dabei, etwas auszuprobieren und haben rasch die technischen Fertigkeiten, wie sie an das herankommen, was sie möchten. Aber die Fähigkeit, beurteilen zu können, was sie da tun und welche Risiken es gibt, ist umso schwächer ausgeprägt, je jünger Kinder sind. Diese kritische Haltung kommt relativ spät. Gerade Spiele mit Glücksspielmomenten sind echt schwer durchschaubar, sie haben aber für Kinder einen sehr großen emotionalen Reiz. Das macht uns Sorgen.



Das Gespräch führte

Suzanne Schattenhofer