Von Jesko Schulze-Reimpell
Wer auf die Audi-Sommerkonzerte der vergangenen Jahre zurückblickt – durchaus mit einer gewissen Wehmut –, der erinnert sich zweifellos an die leidenschaftlichen Auftritte der Festspielleiterin Lisa Batiashvili als Solistin. Und an das, was ihr Violinspiel so einzigartig macht: die bis hin zu den kleinsten Nuancen jeder Welle des Vibratos gestalteten Töne; die absolute Perfektion des Klanges. Kaum eine Künstlerin oder ein Künstler konnte bei diesem Festival so faszinieren.
Das Besondere am Geigenspiel der Georgierin ist auch auf ihrer neuen CD erlebbar – dieser hochsensitive Umgang mit jedem einzelnen Ton. Bereits der Beginn der CD mit Caesar Francks berühmter Sonate in a-Moll ist dafür charakteristisch. Es ist frappierend zu hören, wie Batiashvili die Töne ausschwingen lässt, wie sie das Vibrato manchmal fast einen Moment zu spät einsetzt, wie sie Töne kunstvoll romantisch verschmiert. Kaum zu glauben, dass dieser Sonatenbeginn so sinnlich, so tonschön klingen kann.
Begleitet wird die Geigerin von dem georgischen Nachwuchspianisten Giorgi Gigashvili. Der Künstler ist Stipendiat der Lisa Batiashvili Foundation und war im vergangenen Jahr Gast der Audi-Sommerkonzerte. Damals hat er mit seiner Darstellung von Sergej Prokofiews 3. Klavierkonzert im Ingolstädter Klenzepark Furore gemacht. Auf der CD spielt er bei aller technischen Perfektion nicht ganz in der selben Liga wie die Geigerin. Die Finesse bei der Tongebung, die Batiashvilis Geigenspiel so einzigartig macht, ist bei ihm kaum zu finden, sein Anschlag könnte durchaus manchmal noch differenzierter, origineller sein.
Was die verschiedenen Werke auf der CD zusammenhält, ist die Idee der geheimen Liebe. Sie durchdringt gleichermaßen die Franck-Sonate, die dem verliebten Ysaÿe und seiner Braut gewidmet ist, oder das erste Violinkonzert von Karol Szymanowski, der darin mit seiner damals noch verbotenen Liebe zu einem Mann ringt. Lisa Batiashvili wird süffig und klangmächtig vom Philadelphia Orchestra unter der Leitung von Yannick Nézet-Séguin begleitet. Der Dirigent greift übrigens am Ende der CD auch in die Klaviertasten und begleitet die berühmte Geigerin bei Debussys „Beau soir“.
Vor allem Lisa Batiashvilis überragendes Violinspiel macht die CD zu einem Ereignis. Es wird dadurch noch deutlicher, was für eine fantastische Künstlerin in Ingolstadt drei Jahre lang die Audi-Sommerkonzerte auf hinreißendem Niveau geleitet hat.
DK
Secret Love Letters, Werke von Caesar Franck, Karol Szymanowski, Ernest Chaussons, Claude Debussy. Mit Lisa Batiashvili (Violine) und Giorgi Gigashvili (Klavier). Deutsche Grammophon.
