Ingolstadt
In der Welt des Verbrechens

Fallanalytiker Alexander Horn spricht bei der "LeseLust" im DK-Forum über die "Logik der Tat"

23.01.2015 | Stand 02.12.2020, 21:44 Uhr

Plauderte offen über seine Arbeit – hielt sich aber mit Aussagen über laufende Fälle wie dem der in Spanien entführten Madeleine zurück: Alexander Horn, Fallanalytiker bei der bayerischen Polizei. - Foto: Persy

Ingolstadt (DK) Alexander Horn sieht die gebannten Gesichter nicht. Er sitzt im Scheinwerferlicht, seine Zuhörer im DK-Forum im dunklen Raum. Aber er weiß, was er mit seinen Berichten auslöst: Spannung. Vielleicht auch Angst. Für die er sich am Ende eines rund eineinhalbstündigen Ausflugs in die Welt des Verbrechens gleich bei einer Zuhörerin entschuldigt. Der 41-jährige Horn ist am Donnerstagabend bei der DK-„LeseLust“ zu Gast. Seit 1998 ist er Leiter der Dienststelle für Operative Fallanalyse der bayerischen Polizei – und einer von Deutschlands erfolgreichsten Experten für schwierige polizeiliche Ermittlungen.

Irgendwie ein smarter Typ, dieser Horn. Schon vor der Lesung steht er lässig an einem Stehtisch im Foyer, als wäre er selbst nur Gast. Dass er es mit harten Verbrechern zu tun hat? Serienmördern, Sexualverbrechern? Kann man eigentlich nicht glauben. Ein „Monsterjäger“? Den Begriff mag er nicht, genauso wenig wie den des „Profilers“ – zu sehr abgegriffen und belegt durch Fernsehserien wie „Criminal minds“. Eines will Alexander Horn, der frei, ohne jedes Manuskript am Tisch sitzt und plaudert, unterstreichen: „Wir klären Fälle nicht, wir helfen dabei.“

Wie, das klingt bei ihm so einfach, als würde er ein Kuchenrezept vorstellen – und es tut ihm sichtlich gut, davon zu erzählen. „Ich kürze das hier jetzt ab“, sagt er mindestens fünfmal, als er von dem Fall erzählt, der ihn fast seine gesamte Karriere begleitet hat: der „Maskenmann“. Der Serienverbrecher Martin N., der zwischen 1992 und 2004 mehrere Dutzend Kinder nachts missbraucht, fünf getötet hat. Drei davon hat der mutmaßliche Täter zugegeben – bei Alexander Horn. „Ich bleibe dran“, sagt er. Da blitzt der Ehrgeiz in seinen Augen auf, diesen Fall ganz zu Ende zu bringen.

Und das alles in völliger Objektivität – und möglichst nicht gestützt auf Wahrnehmungen. „Das sind keine Fakten.“ Wie? Horn weiß um die fragenden Blicke der Zuhörer, er hat die Erklärung parat, berichtet von Zeugenaussagen über den Maskenmann Martin N., teilweise auch als „Schwarzer Mann“ bekannt. Während ihn die Kinder durchweg als mindestens 1,90 bis zwei Meter groß und mächtig beschrieben hätten, hat eine Lehrerin ihn maximal 1,75 Meter groß eingeschätzt und schmächtig. „Wer hat recht? Wem glauben Sie“, fragt Horn in die Runde. Die Antwort ist klar: Glauben würde man der Lehrerin, recht hatten aber die Kinder. „Sie müssen Wahrnehmungen objektivieren.“

Dass das wohl nicht nur so gesagt ist, sondern dass Horn und sein Team sich auch mutmaßlichen Tätern objektiv nähern, zeigt ihre Erfolgsquote: Zwischen 80 und 90 Prozent der Täterprofile, die sie erstellen, treffen auch wirklich zu.

Wie schaltet so ein Ermittler eigentlich ab? „Mit Kriminalromanen“, will jemand aus dem großen Zuhörerkreis wissen. „Nein“, lacht Horn. Er beschäftige sich einfach mit schönen Dingen – einer Bergtour zum Beispiel.

Die Gespräche über seine Fälle lassen sich wohl ewig fortsetzen, aber manchmal hat auch seine Auskunftsfreudigkeit ein Ende. Auf den Fall der in Spanien vermissten Madeleine angesprochen, wird er nach der dritten Nachfrage verschlossen: „Normalerweise verhöre ich.“ Aber er weiß ja, wie so ein Publikum ist – wenn es um Kriminalität geht, unersättlich.

 

Alexander Horn: Die Logik der Tat, Droemer, 256 Seiten, 19,99 Euro.