Arequipa
Der gute Geist von Arequipa

Die von Pater Josef Schmidpeter aus Laibstadt gegründete Klinik in Peru hat technischen und sozialen Ausnahmestatus erreicht

23.01.2015 | Stand 02.12.2020, 21:44 Uhr

Leuchtendes Beispiel für medizinische Entwicklungshilfe: In der Klinik „Espiritu Santo“ wird bis zu 2000 Menschen pro Tag geholfen, die oft viele Stunden lang aus dem ganzen Süden Perus anreisen. Vor wenigen Monaten wurde ein hochmoderner Tomograph in Betrieb genommen, und auch einem neuen Ultraschallgerät erteilt der Krankenhausgründer, Pater Josef Schmidpeter, seinen Segen - Fotos: Steinmann

Arequipa/Laibstadt (EK) Mehr als drei Jahrzehnte ist es her, seit Pater Josef Schmidpeter aus Laibstadt ein kleines medizinisches Zentrum in Arequipa/ Peru eröffnete. Inzwischen hat sich daraus eine Klinik entwickelt, die einen herausragenden Ruf in dem südamerikanischen Land besitzt.

Arequipa ist die zweitgrößte Stadt Perus. Streift man durch die Altstadt, begegnet man altehrwürdigen Gebäuden im Kolonialstil, deren weißes Vulkangestein in der Sonne strahlt. Auf dem Hauptplatz, der Plaza de Armas, steht die beeindruckende Kathedrale, der man nicht mehr ansieht, dass ein Erdbeben sie 2001 um einen Glockenturm ärmer machte.

Wenn man jedoch in eines der zahllosen klapprigen Taxis, die wild hupend durch die schmalen Straßen drängen, steigt und hinauffährt bis zum Stadtteil Alto Selva Alegre, bietet sich ein anderes Bild. Alto Selva Alegre reicht bis vor die Tore des Vulkans Misti, der Arequipa überragt. Je weiter man sich vom Zentrum entfernt, desto staubiger wird die Stadtlandschaft. Hier leben viele Arme, unfertige Häuser und chaotische Siedlungen aus Lehm und Steinen säumen die Straßen. Arequipa ist in den letzten Jahren stark gewachsen, viele Menschen aus den ländlichen Andenregionen kommen in die Stadt, in der Hoffnung auf Arbeit, Bildung und bessere Infrastruktur.

Auf halbem Weg zum Stadtrand in Alto Selva Alegre liegt die Klinik „Espiritu Santo“ (Heiliger Geist). Erst im Mai des vergangenen Jahres hat der Neubau, der die alte Klinik ersetzt, seine Türen für die Kranken geöffnet, die hier ambulant behandelt werden. An der Finanzierung des Gebäudes haben sich die Diözese Eichstätt, die Pfarrgemeinde Laibstadt, der Landkreis Roth und weitere Spender aus der Region beteiligt.

Täglich kommen zwischen 1800 und 2000 Patienten aus Arequipa und dem ganzen Süden Perus. Viele nehmen eine weite Anreise in Kauf, weil sie hier zu sozialen Preisen behandelt werden, manche sitzen 16 Stunden im Bus. Eine allgemeinmedizinische Untersuchung kostet fünf peruanische Nuevo Soles, das sind etwa 1,35 Euro. Nur 20 Prozent der Bevölkerung Perus verfügen über eine Kranken- oder Sozialversicherung. In privaten Praxen zahlen Patienten teils das Zehnfache – für viele unerschwinglich. Für einige sind selbst die Preise der Poliklinik nicht bezahlbar. In so einem Fall erhalten Patienten hier noch weitere Ermäßigung oder werden sogar umsonst behandelt.

Betritt man das große, gelbe Klinikgebäude, sitzen Wartende auf den Gängen, einige Frauen sind traditionell gekleidet: lange, mehrschichtige Röcke, zwei geflochtene Zöpfe und dazu ein Hut gehören für die indigene Bevölkerung häufig noch zum Alltagsgewand. Einige von ihnen sprechen nur Quechua, die hier verbreitetste indigene Sprache, einige kommen mit 70 Jahren zum ersten Mal in ärztliche Behandlung.

Das medizinische Grundwissen ist gering: „Diabetes, das ist doch wie Krebs, oder“, fragt eine ältere Frau nach der Diagnose. Kaum jemand kommt hier alleine in die Sprechstunde, oft sind drei oder vier Generationen gemeinsam angereist. Die Ehefrau erklärt die Beschwerden des Ehemannes, der Vater spricht für die kleine Tochter, die große Tochter für die alte Mutter – Kranke werden hier in den Familien gut umsorgt. Mit der ärztlichen Versorgung hingegen sieht es schlecht aus. Amnesty International bezeichnet sie, besonders für Frauen und Kinder auf dem Land, als katastrophal. Die hohe Säuglingssterblichkeit in ländlichen Regionen ist nur eines der Zeichen dafür. Häufig kommt es zu Benachteiligungen aufgrund von Ethnie oder Armut, die Gesundheitsversorgung wird verweigert oder Gesundheitszentren verlangen illegale Gebühren.

Begonnen hat die Gesundheitsarbeit der Comboni-Missionare in Arequipa ganz klein. Josef Schmidpeter, Comboni-Missionar und Pater aus Laibstadt, war in den 1980er Jahren Pfarrer in der Pfarrei „Espiritu Santo“ in Arequipa und begann sich zu engagieren. „Angefangen hat es mit der Kinderspeisung, bei der sich auch viele Frauen aus Arequipa beteiligt und dadurch viel gelernt haben. Das war also auch Bildungsarbeit“, erzählt der Pater. „Ich habe damals gedacht: Man muss den Menschen doch ganzheitlich betrachten und auch für den Körper etwas tun.“

Diese Idee konnte Schmidpeter 1982 mit dem Besuch seines Freundes und Kolpingbruders, des Apothekers Erich Hagenmaier, umsetzen. Zunächst entstand ein kleines medizinisches Zentrum in den Räumen der Pfarrei, dessen Trägerschaft 1991 das Kolpingwerk Peru – an dessen Gründung Schmidpeter sich ebenfalls beteiligt hatte – übernahm. Er war in diesem Jahr zurück nach Europa berufen worden, zuerst nach Neumarkt und Eichstätt, dann nach Ellwangen.

2001 gründete das peruanische Leitungsteam der Klinik gemeinsam mit Freunden aus Deutschland und mit der Unterstützung von Pater Schmidpeter den Verein „Asociación pro Espíritu Santo“, der als Träger das inzwischen aus dem kleinen Gesundheitszentrum gewachsene „Policlínico Social Alemán Espíritu Santo“ übernahm. Neben dieser größten Klinik in Selva Alegre gibt es seit 2007 eine weitere Klinik der Assoziation Espiritu Santo in Arequipas Stadtzentrum sowie zwei weitere kleinere Gesundheitszentren in Arequipa und der peruanischen Hauptstadt Lima.

In der Poliklinik in Alto Selva Alegre arbeiten heute etwa 150 Menschen, darunter viele Fachärzte und Ärzte. Das Personal besteht nur aus Peruanern. „Alle haben hier eine feste Anstellung, sind versichert, bekommen einen gerechten Lohn und haben einen sicheren Arbeitsplatz“, so Schmidpeter. Ihm ist wichtig, dass die Klinik vor Ort verankert ist. „Es ist ein peruanisches Werk mit deutschen Mitgliedern. Auch die Leitung soll in Zukunft komplett peruanisch werden.“ Gerade für den Ausbau des neuen Klinikgebäudes ist das gemeinnützige Projekt auf Spenden angewiesen, auf lange Sicht soll es sich aber selbst tragen.

Die Klinik in Alto Selva Alegre in Arequipa ist nicht nur wegen ihrer sozialen Ausrichtung eine Besonderheit, sondern auch aufgrund ihrer technischen Ausstattung. Am 20. August des vergangenen Jahres weihte das Personal gemeinsam mit Pater Schmidpeter ein neues Ultraschallgerät und einen Tomographen ein. Der Tomograph gehört zur neuesten Generation und ermöglicht beispielsweise eine genaue Feststellung und Beobachtung von Tumoren. Das Gerät ist im ganzen Süden Perus das einzige seiner Art und wurde der Klinik von dort arbeitenden Ärzten zur Verfügung gestellt. Bei der Einweihungsfeier drängte sich die regionale Presse in den Gängen der Poliklinik, das Interesse war dem Ausnahmestatus des Geräts entsprechend hoch. Auch der Bürgermeister von Alto Selva Alegre zeigte seine Anerkennung für die Arbeit der Klinik: „Wie gut, dass hier an Kranke und Arme gedacht wird!“