Einblicke eines Genussmenschen

25.01.2012 | Stand 03.12.2020, 1:54 Uhr
Mit Spaß bei der Arbeit: Reiner Calmund las aus seinem Buch. −Foto: Martina Persy

Ingolstadt (DK) Das Beste kommt zum Schluss. „Darf ich einmal Ihr Sakko anziehen“, will der Mann aus der zweiten Reihe von dem Herrn auf der Bühne wissen. Der Hauptdarsteller des Abends zögert nicht. „Aber sischer“, sagt Reiner Calmund und legt dem Fragenden sein Jackett um.

Der kommt in dem XXXXL-Exemplar wie ein Schulbub im Gewand des Vaters daher. „Das ist ein kleines Zelt. Da kannst Du drin übernachten“, rät das Schwergewicht und bringt das Publikum an diesem Abend zum letzten Mal zum Lachen.
 Rund 200 Besucher waren in das DK-Forum gekommen, um den Auftakt zur neuen „LeseLust“-Reihe des DONAUKURIER und der Buchhandlung Ganghofer zu verfolgen. Reiner Calmund hatte sein neues Buch „Eine Kalorie kommt selten allein“ und seinen Bekannten Frank Lußem mitgebracht. Der Sportjournalist des „kicker“ lieferte über 90 Minuten lang verbale Vorlagen, die Calmund gewohnt schlagfertig verwandelte. Der Bauch der Nation (Lußem über Calmund) präsentierte sich bei seinem Gastspiel topfit. Er verriet sogar seine inneren Werte. Puls: 55, Blutdruck 130:80. „Wenn da was nicht stimmen würde, würde ich nur noch Grünzeug essen“, erklärte er, um nach zweimal Luftholen anzufügen: „Ich ertrage alles – außer Hunger.“


 
Immer dann, wenn es um Essen und Genuss ging, war der ehemalige Manager von Bayer Leverkusen in seinem Element. Sein Körper ist sein Kapital – dafür ließ er sich nicht nur einmal von Lußem schwach anreden. „Der Calli passt doch gut nach Ingolstadt. Er hat die vier Ringe zwar nicht am Kühler, aber dafür am Bauch“, begrüßte er den geschäftstüchtigen Unterhaltungskünstler.
 Es gibt kaum ein Thema, zu dem Calmund keine Meinung hat. Zum Beispiel bei der Kindererziehung. Der fünffache Vater und dreifache Opa verwöhnt seine Lieben nur allzu gerne – ohne schlechtes Gewissen. „Wenn wir auf der Kirmes sind, dann werden meine Enkel so verwöhnt, dass meine Tochter 14 Tage braucht, um sie wieder zur Raison zu bringen.“ Calmund findet nämlich: „Für die Erziehung sind die Eltern zuständig.“
 „Calli“ gewährte aber auch einen Einblick hinter seine raue Fassade. Erst zu seinem 60. Geburtstag hat er das Grab seines Vaters gefunden. Als Soldat bei der Fremdenlegion war Papa Calmund 1953 in Vietnam gefallen. Ein Schicksal, das ihm noch heute nahe geht. Viele Fragen blieben unbeantwortet. Um seinen Nachkommen dies zu ersparen, hat er vor Jahren sein erstes Buch geschrieben. „Seitdem wissen alle, wie ich ticke“, erklärte er. So erfuhr das Publikum, dass Calmund kein Allesesser ist. Bei Kaninchen macht bei ihm der Magen zu. Mit denen hat Calmund nämlich als Kind immer geschmust.
 Nach 90 Minuten ging der Abend in die Verlängerung. Das Publikum fragte, und der Gast antwortete. Stichwort Comeback: Eine Rückkehr in das Fußballgeschäft sei undenkbar. „Manager ist ein schöner Job, wenn die Spiele nicht wären.“ Am Ende lüftete er das Geheimnis, wie es unter seinem Sakko aussieht – unendlich weit. Ein tieferer Einblick blieb dem Publikum verwehrt, obwohl Calmund es anbot. Seine Hose wollte sich dann lieber doch niemand anziehen. Irgendwo hört der Spaß eben doch auf.