Konsequent vielseitig

Reinhard Wöllmer schafft verblüffende Papierarbeiten, jetzt stellt er in der Galerie Haas in Ingolstadt aus<?ZE?>

05.09.2022 | Stand 22.09.2023, 6:01 Uhr

Mariette Haas zeigt in ihrer Galerie ungewöhnliche Werke von Reinhard Wöllmer. Foto: Hauser

Von Katrin Fehr

Ingolstadt/Nürnberg – Das ist nicht nur für Galeristen ein Traum: In einem Atelier stöbern, Schränke öffnen, Schubladen herausziehen und überall Kunstschätze entdecken. Mariette Haas ist es so ergangen. Sie durfte sich im Atelier von Reinhard Wöllmer in dessen Abwesenheit umsehen und fand, obwohl sie den Nürnberger Künstler schon lange als Galeristin vertritt, allerlei wunderbare Exponate. Selbst Reinhard Wöllmer sei überrascht gewesen, welche älteren Arbeiten Mariette Haas bei ihrer Suche entdeckt hat. Und damit war die Idee geboren: Drei Werkgruppen aus unterschiedlichen Schaffensphasen auszustellen, einen Querschnitt sozusagen, so auch der Titel der fabelhaften Schau. Papierobjekte, Schnittarbeiten und Farbraumreliefs von 2006 bis 2022.

Da sind die knallbunten, dreidimensionalen Hohlkörper als Eyecatcher, da sind kreisrunde, minimalistische Arbeiten und flirrende Installationen. Mit das Besondere an Reinhard Wöllmer ist seine Konsequenz und die Vielfältigkeit in der Konstanz. Der 1959 in Nürnberg geborene Künstler arbeitet fast ausschließlich im Kreismotiv und mit Papier, das jedoch verblüffenderweise mal samtig, mal filzartig, mal schimmernd daherkommt. Er schöpft sein bevorzugtes Material nicht, sondern walzt einen mit Pigmenten versetzten Papierteig aus, verdichtet diesen und die darin entstehenden Luftkammern und treibt seine raumbildenden Objekte überwiegend mit dem Hammer zu konvex-konkaven Formen.

Aus der Not geboren entstand die erfolgreiche und bis heute andauernde Liebe zum Papier. 1991 – Wöllmer hatte ein Stipendium in Mazedonien – wurde ihm verboten, in Skopje zu fotografieren. Und Leinwand und Farbe waren Mangelware. Er experimentierte mit Zeitungspapier, Pigmenten und über die Jahre hinweg mit anderem Papier, das er als getrocknete Masse auch bildhauerisch bearbeiten kann.

Doch Wöllmer tauscht den Hammer auch schon einmal gegen den Cutter. Wie Op-Art kommen die schwarz-weißen oder orange-weißen lamellenartigen Werke daher. Sind die Streifen aus Metall? Gemalt? Nein, auch aus Papier geschnitten. „shady“, schattig nennt sie der Künstler. Präzise gearbeitet, akribisch durchdacht ebenso wie die puristische, schwarz-weiße Werkreihe „corte“, was auf Deutsch Schnitt oder Schnitte bedeutet. Schwarze Scheiben sind axial angeordnet, in die Wöllmer mit scharfer Klinge Schnitte setzt, die weiße Linien ergeben und je nach Perspektive des Betrachters sich fortsetzen, verbinden oder komplett neue Ansichten ergeben.

Eine der Entdeckungen von Mariette Haas waren auch kreisrunde Kompositionen, die Wöllmer bereits 2006 mit einem feinen Faden durchzogen hat. Auch hier: das Spiel mit Form, Farbe und Raum – und immer wieder die optische Täuschung. Still stehen darf man bei Wöllmers Werken nicht. Man muss sie in Bewegung erkunden und entdeckt somit die ganze Vielseitigkeit und Raffinesse seines Schaffens.

DK


Reinhard Wöllmer, Galerie Mariette Haas: bis 24. September, wegen der Baustelle vor dem Haus nur samstags von 11 bis 15 Uhr, aber jederzeit nach Vereinbarung unter mhk@galerie-haas.de.