Bayerische Institution feiert sich selbst

Umjubeltes Haindling-Konzert im Reduit Tilly in Ingolstadt

05.09.2022 | Stand 22.09.2023, 6:01 Uhr

Unverwechselbarer Sound: Haindling alias Hans-Jürgen Buchner war mit seiner Band bei „Live im Tilly“ zu Gast. Mehr als drei Stunden begeisterten sie das Publikum. Foto: Leitner

Von Karl Leitner

Ingolstadt – Es gibt Konzerte, die sind nicht wiederholbar. Ein solches geben Haindling an diesem Abend im Reduit Tilly. 40 Jahre Bandgeschichte, Tourabschluss mit anschließender Live-Abstinenz bis ins nächste Jahr hinein. Das muss gefeiert werden.

Haindling, seit vielen Jahren eine bayerische Institution, wenn es um musikalische Umtriebigkeit in unverwechselbarem Sound geht, tun genau das. Ausgiebig, mit 140 Minuten Programm plus 45 Minuten Zugaben. Vielfältig, mit Hörbeispielen aus allen Bereichen, in denen Bandchef Hans-Jürgen Buchner und sein Sextett all die Jahre über aktiv und innovativ unterwegs waren. Und perfekt, mit dieser trotz absoluter Präzision so typischen Lockerheit, die das Markenzeichen „Haindling“ schon immer aus­machte.

Im Grunde ist über diese Band längst alles gesagt. Jeder hat schon mal Musik von ihr gehört, auch wenn er das gar nicht weiß. Man kennt all die Hits von „Lang scho nimmer g‘sehn“ und „Paula“ bis hin zu „Rote Haar“, kann sie mitsingen, man weiß zumindest um die Klasse und den Erfolg von Buchners Filmmusiken, man staunt über das immer noch ständig wachsende Instrumentarium und dessen meisterhafte Beherrschung und man liebt die Band geradezu für ihren kompositorischen Wagemut, was ansonsten bei einem derart breitaufgestellten Publikum wie dem von Haindling wahrlich eine Seltenheit ist. Der Markenname „Haindling“ ist weitaus bekannter als deren gleichnamiger Herkunftsort nahe Geiselhöring im Landkreis Straubing-Bogen, und das völlig zu Recht.

Buchner gab 40 Jahre die Richtung vor, war zugleich Kapitän, Steuermann und Chefstewart der MS Haindling. Und er dirigiert auch den Ablauf des Konzerts in Ingolstadt, erlaubt sich kleine Späße mit dem Publikum, lässt es blöken wie eine Herde willfähriger Schafe, um ihm dann anschließend im „Schafslied“ die Textzeile „As Hirn is goar nimma mit dabei“ um die Ohren zu hauen, erklärt, er hasse das Schunkeln aus tiefstem Herzen, nicht ohne aber die Leute im Tilly-Oval anzufeuern, eben dies zu tun. Ja, manchmal ist er durchaus immer noch ein klein wenig subversiv, und ob sein Lobpreis auf den Trachtenhut nicht genau das Gegenteil ist, ist längst noch nicht endgültig erwiesen.

Manchmal lehnt er sich an Kurt Weill an, manchmal kommt er mit fast schon dadaistischen Texten daher, vertont einfach nur Floskeln aus dem Alltag, arbeitet mit Satzfetzen und baut daraus diese so einzigartig klingenden und teils geradezu unwiderstehlichen Hits, die man nicht mehr aus dem Kopf kriegt. Und dann waren da während der vergangenen 40 Jahre immer wieder Stücke wie „Du Depp“ mit der genialen aber leider stets aktuellen Textzeile „Vo 100 Meta konn ma scho erkenna: Da kimmt a Depp daher. Vo weitem scho kann jeder sehn: Schau hi, des is a Depp!“ Kann man ein nahezu täglich sich bestätigendes und also offen­sichtliches Phänomen treffender beschreiben?

Haindling sind in der Tat einzigartig, sind längst einer der markantesten Punkte in der bayerischen Musik- und Kulturlandschaft, eine Band nicht nur mit anscheinend unerschöpflichem musikalischen Potenzial, sondern auch eine mit Haltung. Wenn Buchner zum Ende hin sich ganz alleine ans Keyboard setzt und darüber sinniert, dass der Mensch alles andere als die Krone der Schöpfung sei, sondern doch viel eher eine überaus dumme Spezies, dann zeigt auch dies durchaus Wirkung. – Herzlichen Glückwunsch zum Bandjubiläum. Bis hoffentlich demnächst bald wieder in Ingolstadt.

DK