Weißenburg
Im Rausch der Veränderung

Für das Weißenburger Stadtschreiber-Stück „Der größte Glückskeks“ laufen die letzten Vorbereitungen

22.05.2022 | Stand 22.09.2023, 22:46 Uhr

Ein wenig angelehnt an den Sturm auf das Kapitol machen sich die Weißenburger am Sonntag über ihr Rathaus her. Die Szene findet als Filmsequenz Eingang in das neue Stadtschreiber-Stück „Der größte Glückskeks“, das am 23. Juli im Bergwaldtheater Premiere hat. Fotos: Schneider

Von Marco Schneider

Weißenburg – Die Weißenburger führen sich wieder auf. Und wie! Sie stürmen sogar ihr Rathaus. Am helllichten Sonntagmittag hauen sie die Fensterscheiben an der zentralen politischen Schaltstelle der mittelfränkischen Kleinstadt ein. Werden dafür auch noch bejubelt! Und gefilmt: Es ist eine Szene aus dem neuen Stadtschreiber-Stück, das das Weißenburger Bergwaldtheater wieder zu einem Zentrum der Theaterkunst werden lassen dürfte. Geschrieben hat das Stück der Österreicher Clemens Berger. Geschaffen hat er eine satirische Komödie, ja fast eine Parabel, die nicht nur in Weißenburg, sondern in jeder x-beliebigen Kleinstadt spielen könnte: „Der größte Glückskeks“.

Dass der Sturm aufs Rathaus an einem herrlichen Maisonntag in Szene gesetzt wird, liegt an der Konzeption des Stücks: Die Bühne im Bergwaldtheater wird für das Bergersche Stück kombiniert mit Filmeinspielungen. Am Sonntag war „Drehtag“. Gerade ob der Freilicht-Szenerie eine Herausforderung, ist es doch noch lange nicht dunkel, wenn das Stück am 23. Juli um 20.15 Uhr Premiere feiert. „Das Bergwaldtheater ist Ort des Erfindens, der Kreation“, findet Regisseur Georg Schmidleitner, der schon Franzobels „Lebkuchenmann“, das erste Stadtschreiber-Stück Weißenburgs 2019, inszenierte. Gerade deswegen auch der richtige Ort für derartige Experimente. „Wir wollen doch sehen, wie Weißenburg reagiert, was die Bürger sagen, fühlen“, sagt Schmidleitner, der gemeinsam mit Rebecca Gruber Regie führt. Reagiert auf das, was mit der Stadt in diesem Stück passiert: Sie wird in China nachgebaut. Noch besser, noch schöner, noch klimaneutraler, als sie in Wirklichkeit (schon) ist. Hier schlägt die Stunde des Obdachlosen Gerd: Mit einem gefundenen Lottoschein wird er zum Millionär und gibt den Bürgern eine Aufgabe: „Wer die beste Idee hat, wie man die Stadt besser für alle macht, bekommt fünfundvierzig Millionen dafür.“ Und der Rausch beginnt, der Rausch zwischen Weltoffenheit, Verschwörungstheorien und der Lust zur Veränderung. Wird dieser Rausch Weißenburg verändern?

Vielleicht denkt Sigi Zimmerschied gerade darüber nach, als er die Sturm-Szene am Marktplatz am Sonntagmittag beobachtet. Der niederbayerische Kabarettist und Schauspieler hat die Hauptrolle übernommen. Er hat es gern gemacht: „Die Rolle hat mich von Anfang an gereizt.“ Die Rolle des Obdachlosen Gerd, der dem Stück erst seine Dynamik verleiht. „Diese Figur ist meinem Wesen doch sehr ähnlich“, eine Nestroy-Figur, findet er. Und weil hier etwas Neues entsteht, weil die Bürger mitgenommen werden, weil hier Laientheater auf Profis trifft, ist er jetzt in Mittelfranken. Vorübergehend. „Ich wollte hier dabei sein.“ Mit Laiendarstellern zu arbeiten ist keine Herausforderung, findet Zimmerschied, im Gegenteil, es ist ein Lernprozess. „Wir Profis können ja auch von Laien etwas lernen.“

Bewusst ist so auch das Theaterprojekt in Weißenburg angelegt: Laien und Profis auf einer Bühne. „Wir wollen hier nicht nur große Namen einkaufen und etwas vorspielen“, sagt Schmidleitner. Vielmehr soll es ein Theater von Bürgern mit Bürgern für Bürger sein. „Weißenburg ist eine große Theaterfamilie“, ergänzt Zweite Bürgermeisterin Maria Schneller bei einem Pressegespräch am Rande des Drehtages. So geht es nun mit großen Schritten auf den Premierentag zu. Und wie ist die Stimmung, 60 Tage vor diesem großen Tag? „Wie im Kommunionsunterricht: Wir streben auf etwas Heiliges zu“, sagt Zimmerschied und lacht.

DK