Gut gebrüllt, Erdhörnchen!

„Ein Freund wie kein anderer“: Erzähltheater in der Ingolstädter Werkstatt

06.06.2022 | Stand 22.09.2023, 22:31 Uhr

Können ein Erdhörnchen und ein Wolf Freunde sein? Michael Amelung und Paula Gendrisch in „Ein Freund wie kein anderer“. Foto: Herbert

Von Anja Witzke

Ingolstadt – Stampfen, Hufeklappern, Pfotentapsen. Schwere Geweihe, die krachend aneinander schlagen. Keuchen. Rasen. Schnauben. „Schneller, schneller“, treibt Habbi Yaruk an. Sie sind auf der Flucht. Auf der Flucht vor den anderen Tieren. Denn die sind überzeugt, dass der Wolf ihnen schaden will. Auch wenn das Erdhörnchen etwas anderes behauptet. Denn sowas kann es doch nicht geben – eine Freundschaft zwischen einem Wolf und einem Erdhörnchen, oder? „Ein Freund wie kein anderer“ ist ein zauberhaftes Kinderbuch von Oliver Scherz, das Martina von Boxen hat es für die Bühne bearbeitet hat. Am Samstag feierte es in der Werkstatt des Jungen Theaters Ingolstadt umjubelte Uraufführung.

Die Regisseurin setzt dabei auf Erzähltheater im besten Sinn – und verteilt Text und Dialoge auf drei Akteure. Paula Gendrisch, Michael Amelung und Jan Roth marschieren auf die Bühne und ernten schon die ersten Lacher, bevor das Stück überhaupt angefangen hat. Denn Ausstatter Michael Habelitz hat für sie gewitzte Natur-Kostüme erdacht: Strickpullis, Stulpen und Mützen, feste Lederschuhe und hier und da Fellbesatz. Paula Gendrisch als Erdmännchen Habbi trägt Braun, Michael Amelung, der neben dem Wolf auch Habbis Bruder Hebbe gibt, Grau und Jan Roth, der beider Mutter Hieme Strenge verleiht, aber auch als eingebildeter Hirsch brilliert, ist von Kopf bis zu den Zehen in Cremeweiß gewandet. Das Besondere: Er hat auch die Musik komponiert – die ein wesentliches Element der Inszenierung ist – und spielt live. Schlagzeug, Glockenspiel, Kalimba.

Jan Roth gibt den Grundton der Geschichte an und den Rhythmus der wilden Jagd vor – mit treibendem Beat. Lautmalerisch zeichnet er den Weg Habbis nach, der verträumt goldenen Wassertröpfchen und schillernden Libellenflügeln nachhuscht. Sein Schlagzeug ahmt Habbis angstvolles Herzpuckern nach. Und in drohendem Singsang flüstert er von den Gefahren des Waldes und vom bösen Wolf.

Wie die gesamte Inszenierung setzt auch die Ausstattung auf Reduktion: Als Hintergrund ein Prospekt einer skizzierten Berglandschaft. Links und rechts zwei hölzerne Rampen, die das Schlagwerk einrahmen und mal Erdhörnchenbau, mal Felsspalte, mal Niemandsland sind. Hier finden Paula Gendrisch und Michael Amelung Raum, die Geschichte zu entwickeln. Den Erzählpart teilen sich die drei auf, schlüpfen aber immer wieder in verschiedene Rollen und finden für das Miteinander der Tiere entzückende, kecke, berührende Bilder. Von anmutigen Bewegungschoreografien bis zum komischen Slapstick-Kuscheln.

Gendrisch und Amelung tanzen sich auf liebenswerte Art durch dieses Kinderbuch und nehmen das junge Publikum (ab 5 Jahren) mit durch emotionale Höhen und Tiefen. Sie erzählen von Angst und Mut und Grenzüberschreitung – und vom Wunder der Freundschaft, Langer Applaus – mit mehrstimmigem Wolfsgeheul!

DK



ZUR PRODUKTION

Theater:

Junges Theater Ingolstadt

Regie:

Martina van Boxen

Ausstattung:

Michael Habelitz

Musik:

Jan Roth