Gewöhnt an den Netflix-Lieferando-Lebensstil

David Krebs, Chef der Ingolstädter Eventhalle, will zunächst nur noch Partys veranstalten – weil das Publikum wegbleibt

09.06.2022 | Stand 22.09.2023, 22:24 Uhr

Party in der Eventhalle: „Die jungen Leute trauen sich eher heraus“, sagt David Krebs. Fotos: Eventhalle

Herr Krebs, Sie müssten sich eigentlich freuen. Alles startet wieder, Corona ist kein großes Thema mehr. Sie können ganz normale Konzerte veranstalten. Wie ist die Lage?
David Krebs: Das klingt besser als die Lage tatsächlich ist. Sicher, es ist im Prinzip alles wieder wie vorher. Nur hat Corona leider das Kaufverhalten der Menschen gestört. Die Leute entscheiden sich sehr kurzfristig, es gibt fast überhaupt keinen Vorverkauf. Außerdem laufen die Formate, die eher von älteren Leuten besucht werden, dazu zählen auch die Kabarettveranstaltungen, eher bescheiden.

Hat das etwas mit der Ukraine-Krise zu tun, der Inflation, der Verunsicherung?

Krebs: Ganz sicher. Denn die Leute merken gerade an der eigenen Geldbörse, dass der Krieg Auswirkungen hat. Man zahlt ja im Supermarkt plötzlich ein Viertel mehr als sonst.

Woran könnte es noch liegen, dass das Publikum noch nicht in Scharen zurückkommt? Viele haben ja erwartet, dass nach Corona die Veranstaltungen geradezu gestürmt werden.
Krebs: Davon kann leider keine Rede sein. Die Leute haben sich vielmehr an diesen Netflix-Lieferando-Lebensstil gewöhnt und sind jetzt auf dem Trip, dass sie eigentlich das Haus nicht mehr verlassen müssen. Man kann ja zu Hause auch viel machen, und Netflix ist auf jeden Fall billiger, als eine Kabarettshow zu besuchen.

Gibt es möglicherweise gerade zu viele Veranstaltungen?
Krebs: Das kommt natürlich noch dazu, dass die ganzen verschobenen Veranstaltungen nun auf dem Plan stehen. Zudem touren jetzt gerade wieder die großen Stars wie die Rolling Stones. Da kauft man sich eine Karte und ist dann finanziell gar nicht mehr in der Lage, noch andere Tickets zu erwerben. Die Kartenpreise da liegen ja etwa zwischen fast 100 Euro und bis zu 600 oder 700 Euro.

Wie ist Ihre wirtschaftliche Situation?
Krebs: Wir haben das Angebot hin zu Partys verschoben, auf jeden Fall bis zum Herbst. Was man deutlich bemerkt, das Angebot besonders für sehr junge Leute wird besser besucht.

Hat das wirklich etwas mit dem Alter zu tun?
Krebs: Die jüngeren Leute trauen sich eher heraus. Bei den Partys erleben wir jetzt allerdings ein komplett neues Publikum. Die Leute, die vor zweieinhalb Jahren hingingen, sind inzwischen weg, dafür treffen wir völlig neue Leute an. Wenn jemand vor Corona etwa 15 war, der ist jetzt fast 18 und geht jetzt zum ersten Mal überhaupt aus. Diese neuen Leute müssen wir jetzt versuchen zu halten. Ob ältere Publikum wiederkommt, wissen wir dagegen noch nicht.
Sollte die öffentliche Hand weiterhin die Veranstalter unterstützen?
Krebs: Das ist auf jeden Fall nötig. Wir können ja nicht nur noch Partys machen, sondern benötigen auch Kabarett, Comedy und Konzerte. Da sollte die Stadt, in diesem Fall Ingolstadt, uns unterstützen.

Müssen jetzt neue Formate ausprobiert werden?
Krebs: Ja, das sollte man. Wir müssen alles probieren, um die Leute wieder zu gewinnen. Die Kabarettfreunde brauchen aber einfach etwas länger.

Ist es möglicherweise ein Weg, weiterhin digitale Formate anzubieten?
Krebs: Diese ganze Idee, dass man Konzerte auch vom Laptop aus genießen kann, ist meiner Ansicht nach komplett gescheitert. Wir haben ja während Corona auch Streaming-Konzerte angeboten, aber letztlich fehlt da dreiviertel des Erlebens.

Wenn Sie jetzt Bilanz ziehen nach diesen zwei Corona-Jahren – was für Erkenntnisse haben Sie erworben?
Krebs: Die Autokonzerte etwa, waren völlig neu. Aber langfristig ist das keine Alternative. Da macht man kaum Gastro-Umsatz. Und Konzerte empfindet man einfach anders, da muss es von der Decke tropfen, da müssen die Leute geballt aneinanderstehen. Es war lustig, das mal gemacht zu haben, aber das ist nichts für die Zukunft. Die Picknick-Konzerte dagegen, da kann ich mir schon vorstellen, dass wir das wiederholen. Denn es war sympathisch, wie die Leute ihre Decken mitbringen und gemütlich vor der Bühne sitzen.

DK



Das Interview führte

Jesko Schulze-Reimpell.


ZUR PERSON

David Krebs ist seit über 20 Jahren Konzertveranstalter in Ingolstadt. Seit 2011 leitet er zusammen mit Birgit Giesl die Eventhalle.