Von Dagmar Kusche
Ingolstadt – Exklusive Grand-Hotel-Atmosphäre mit einem übereifrig und charmant agierenden Hoteldirektor und seiner treuen Allround-Angestellten Madame Anna Janine war am Samstagabend im Kulturzentrum neun schnell geschaffen: Stilvoll saß das Publikum an weiß eingedeckten und blumengeschmückten Tischen, sanftes Dämmerlicht leuchtet den Saal nur spärlich aus. „Die Suiten sind geputzt, eingerichtet und parfümiert“, meldet Madame Janine ihrem Chef verantwortungsvoll – die Gäste können eintreffen.
Und es war ein schon ein illustres Völkchen, das sich da am Samstagabend im feinen Grand Hotel sein Stelldichein gab. Da ist die renommierte Opernsängerin Jule, die sich nach einer anstrengenden Tournee auf die Honeymoon-Suite freut, wo sie ein Tete à Tete mit „ihrem Markus“ plant, der sich – zur Erheiterung des Publikums – für ein Wochenende von seinen politischen Ämtern loseisen möge. Börsenmakler Peter Wolf indes, ganz in Schwarz und mit Wolfsmaske, nur Wolfsgeheul artikulierend, will sich fernab des Großstadttrubels erholen und in der Amy Winehouse Suite auf „Entzug“ gehen. Für Ehepaar Schmidt hat Hoteldirektor Julius Badaboum die Wiedervereinigungssuite reserviert, denn bei dem älteren Paar ist das Yin und Yang und einiges mehr verloren gegangen.
Schließlich gibt sich auch Stammgast Kapitän James Cork die Ehre, ein ambitionierter Unterwasserseefahrer, der, bevor er als Kommandant der ersten Tiefseestation dauerhaft unter Wasser lebt, noch einmal richtig Spaß haben möchte und in der Odyssee-Suite nächtigt. Und dann ist da auch noch Katze Miezi, die vermeintliche Glückskatze des Hotels, die aber weniger das Glück als sich selbst vermehrt.
Und als wären allein die Konstellation, die extravaganten Wünsche, die Eigenheiten und die außergewöhnlichen Sorgen dieser Gäste, um die sich das gesamte Personal des liebevoll mit Requisiten ausgestatteten Grand Hotels ganz und bedingungslos rund um die Uhr kümmert, nicht schon abendfüllend und amüsant für einen vergnüglichen Abend genug, entspann sich am Samstagabend eine Show, die zu betiteln nicht gerade einfach ist: Revue, Show oder Musical, ausgereifte Komödie mit mitreißenden Songs oder Varieté?
Je weiter der Abend fortschritt, desto mehr waren die Lachmuskeln des Publikums gefordert, desto lockerer und ausgelassener schienen die Schauspieler – ob der frankophile Charmeur und Tausendsassa Julius von Badaboum, die charmante Madame Anna Janina, die verführerischen Bettie Berlin und die liebenswerte Jule, allesamt mit wunderbaren Stimmen und starker Ausstrahlung – vor ihrem Publikum zu tanzen und zu singen, zu lachen und zu weinen und ….?
Der Abend wäre nicht als „Burlesque“ angekündigt worden, wären da nicht immer wieder jene verführerischen Schönheitstänze, jener „halbe Striptease“, jene stilvolle Inszenierung von Weiblichkeit und auch Männlichkeit Teil der vergnüglichen Grand-Hotel-Show. Immer wieder ließen die Mitglieder des Firefly Circle, so der Name des herausragenden Ensembles, das auch in München auf den Bühnen steht und in Ingolstadt durch lokale Größen wie Julius von Badaboum und Anna Janina Remsperger ergänzt wurde, mit Charme und viel Humor die Hüllen fallen, doch nie ganz!
Genau dieses zwar dezent pikante, aber nie anrüchige oder erotisch-provokante Entkleiden bis auf wenige Kleidungsstücke – kombiniert mit einem beschwingten oder romantischen Song ist es, das das Burleske zum amüsanten Vergnügen werden lässt, welches durchaus zwischen erfrischend offener Betonung des Frau- oder Mannseins, aber auch herrlich komischer bis selbstironischer Präsentation der eigenen Körperlichkeit schwelgen kann.
m Publikum gab es kein Halten mehr, als selbst der bieder-ernste Herr Schmidt, der auf einem Sexportal nach Anregungen für seine Ehe gesucht hatte und dabei von seiner Frau erwischt worden war, sich aus seinem grauen Anzug zu schälen und lasziv mit den Hüften zu schwingen begann, bevor er sich die Strümpfe von einer Zuschauerin ausziehen ließ und schließlich nur noch einen schwarzen Tangaslip und einem Erotikgeschirr am Körper präsentierte. Nicht minder köstlich der Flamingo-Balztanz vom Hoteldirektor Badaboum persönlich, der ganz in Rosa um einen Metallflamingo tanzte und ebenfalls die Hüllen bis auf einen paillettenbestickten Slip fallen ließ.
Mit Begeisterung ließ sich das die grotesk-urkomischen Geschicke der Grand-Hotel-Protagonisten immer wieder mit tosendem Applaus belohnende Publikum auf die Reisen in das erste Drittel des 20. Jahrhunderts ein, als die Gattung der Burlesque ihren Höhepunkt und eben jene attraktive Verbindung von Moderation, Tanz, Theater, Gesang und angedeutetem Striptease erlebte und die am Samstagabend im „Grand Hotel“ aufleben durfte – natürlich mit hochkarätiger musikalischer Unterstützung. Erstmalig war die Band „SchutterNeun-Jazzorchester“ mit von der Partie, darunter auch einige Träger des Ingolstädter Jazzförderpreises, wie Benedikt Streicher, der die Musikstücke eigens dafür arrangiert hat.
Was wäre ein solcher Abend ohne Happy End? „Alle Gäste sind versorgt, verzückt und rundherum glücklich“, meldet Madame Anna Janina – Grund genug, zusammen mit dem gesamten Grand Hotelpersonal und Gästen in einem fulminanten Abschlusssong ein donnerndes „Je ne regrette rien“ anzustimmen. Rundherum verzückt, glücklich und mit mindestens einem der vielen musikalischen Ohrwürmer von Schutter neun dürften nach diesem heiteren und amüsanten Abend auch das Publikum seinen Heimweg angetreten haben.
DK
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