München
Vom Ärgernis zum Klassiker

Maler, Filmemacher, Provokateur: Herbert Achternbusch wird heute 80 - Ausstellungen in München und Fürstenfeldbruck

22.11.2018 | Stand 23.09.2023, 5:03 Uhr
Joachim Goetz
  −Foto: Barbara Gass/Museum Fürstenfeldbruck

München/Fürstenfeldbruck (DK) Einfach hat er's seinen Landsleuten mit seiner Hassliebe zu ihnen nicht gemacht, der Münchner Schriftsteller, Dramatiker, Maler und Filmemacher Herbert Achternbusch, der heute 80 Jahre alt wird. Im Film "Servus Bayern" serviert er 1977 einen Dichter, der nach Grönland auswandern will und sagt: "In Bayern möchte ich nicht einmal gestorben sein." Das haben ihm seine Landsleute dann heimgezahlt - oder besser das Gegenteil - und ihm das Leben schwer gemacht. Die Landesregierung war not amused, verweigerte daraufhin schon genehmigte Fördergelder.

Noch größer der Skandal 1982: Blasphemie! Jesus Christus, in "Das Gespenst" von Achternbusch selbst gespielt, steigt in einem Kloster vom Kreuz, um in der Folge mit Maria, der jungen Mutter Oberin eine Kneipe und eine Liaison zu eröffnen - und noch viel mehr. Die FSK verweigerte fürs Erste die - später doch erteilte - Freigabe. In Österreich und der Schweiz blieb der Film verboten. Der damalige deutsche CSU-Innenminister Friedrich Zimmermann sperrte daraufhin die Auszahlung des Preisgeldes für den mit einem Filmband in Silber ausgezeichneten Vorgängerfilm "Das letzte Loch" und lehnte auch die Förderung des nächsten ab. Fördergremien und Fernsehanstalten mieden Achternbusch lange, fast so lange, bis er überregional vergessen war.

München hielt ihm die Treue - obwohl auch das in seinen subversiv-widerständigen Filmen voll von sinnvollem Nonsens nicht (immer) gut wegkam. Aber immerhin wohnt er mitten drin, in Sichtweite des Kulturreferats.
Dieses hat nun zur Würdigung des "Gesamtkunstwerks Achternbusch" eine kleine Veranstaltungsreihe koordiniert, an der Filmmuseum, Monacensia, Kammerspiele, Residenztheater, Volkstheater, Seerosenkreis sowie das Künstlerhaus am Lenbachplatz teilnehmen.

Dort ist eine Ausstellung mit Fotos von Barbara Gass zu sehen, die Leben und Werk des Universalisten über 30 Jahre hinweg mit der Kamera begleitete. Aus diesem Fundus sind nun etwa 50 Schwarz-Weiß-Fotografien zu sehen. Die meisten davon entstanden in Verbindung mit den Filmen. Zu sehen ist aber auch: Achternbusch vor einem, freilich selbst hergestellten Fresco in seiner zweiten Heimat im österreichischen Waldviertel. Oder im Flugzeug, auf Reisen, im Garten oder, 1983, zusammen mit seiner Galeristin Dany Keller bei einer Auktion in deren legendärer Galerie in der Buttermelcherstraße am Gärtnerplatz.

Barbara Gass hatte im ersten Achternbusch-Film "Andechser Gefühl" die Hauptrolle und in vielen anderen Produktionen mitgespielt. Außerdem engagierte er sie als Setfotografin. Die dann auch so manchen Schnappschuss ablieferte. Nasen im Profil etwa: Achternbuschs Nase gegen die Nase von Horus im Ägyptischen Museum- zum laut Loslachen. Oder wenn er hinter der füllig-einprägsamen Helga Loder steht und Grimassen schneidet. Loder spielte 1980/81 in den Filmen "Das letzte Loch" und "Der Neger Erwin" mit. Das Nilpferd, das sich am Set vergnügt und in der letzten Szene des Films in der Isar planscht, erinnert einen natürlich auch an den hintersinnig-unsinnigen Satz zum Schluss: "Wenn ein Nilpferd in der Isar ist, ist die Isar der Nil und München daher in Afrika." Trotz der vielen Setaufnahmen zeigt die Schau nicht so sehr den aufmüpfigen, provokanten Avantgardisten, sondern vor allem einen sensiblen und nachdenklichen Achternbusch.

Heinz Braun (1938-1986), ein von Achternbusch entdeckter und von ihm vielfach beschäftigter Schauspieler, arbeitete im Brotberuf als Postbote in Germering und malte seit 1951 autodidaktisch und nicht ohne Erfolg. Zu seinem 80. Geburtstag wird er nun mit einer umfassenden Retrospektive geehrt - vom Museum Fürstenfeldbruck. Titel: "Ein Eigener sein".

Braun der anfangs ziemlich gegenständlich, dann immer wilder, expressiver und eigenwilliger malte, lebte viele Jahre im Schusterhäusl bei Germering und malte seine Bilder draußen in der Natur. Selbst bei Wind und Wetter und im Schneetreiben. Musste er auch. Denn auf seiner Palette mischte der Provokateur, der von der Post nach 28 Dienstjahren 1979 frühpensioniert wurde, auch Kuhmist und Erde von den Äckern in die Farben. 1982 wurde er im "Stern" als bayerischer "Neuer Wilder" vorgestellt. Kurz darauf die Diagnose Krebs. Braun malte wie besessen weiter, thematisierte die Krankheit in seinen Bildern - und nicht zuletzt auch das Lebensgefühl einer avantgardistischen Münchner Künstlerschaft in den 70er- und 80er-Jahren.

Künstlerhaus am Lenbachplatz: Herbert Achternbusch, Fotografien von Barbara Gass, bis 21. Dezember. Museum Fürstenfeldbruck: Ein Eigener sein - Leben und Werk des Heinz Braun, bis 28. April 2019.
 

Joachim Goetz