Ingolstadt
Vielfarbige Kammermusik

Die Parnassus-Akademie präsentierte selten gespielte Werke für den Ingolstädter Konzertverein

05.04.2019 | Stand 23.09.2023, 6:32 Uhr
Jörg Handstein
Jenseits der üblichen Klassik-Kost: Die Parnassus-Akademie im Festsaal. −Foto: Schaffer

Ingolstadt (DK) In der klassischen Kammermusik bleiben gewöhnlich die Saiteninstrumente unter sich.

Bläser dürfen nur in Ausnahmefällen mitspielen, etwa wenn der Komponist ein Stück für einen Freund oder Auftraggeber schrieb. Dabei sind derlei nicht-standardisierte Besetzungen sehr reizvoll - nur im heutigen Konzertbetrieb lassen sie sich selten realisieren. Die flexibel besetzte Parnassus-Akademie aber bringt alles auf die Bühne, was kunterbunt gemischt ist und bläst damit den Staub von vielen in Archiven begrabenen Schmuckstücken.

Da wäre zum Beispiel ein Klarinettenquartett des schwedischen Virtuosen Bernhard Henrik Crusell (1775-1838), mit dem das Ensemble sein Konzert im Festsaal eröffnet. Nach dem Vorbild des "Quatuor brillant" übernimmt die Klarinette (statt der ersten Violine) eine konzertante Hauprolle, die Nemorino Schelinga souverän verkörpert. Zart blühen die Melodien und leuchten wie unter der Frühlingssonne. Stille Lyrik und helle Lebensfreude ergänzen sich in diesem Stück, das genug kammermusikalische Finessen enthält, um auch die Streicher in einen exquisiten, duftigen Strauß von Klängen einzubinden. Hier schon zeigt die Parnassus-Akademie ein sehr homogenes, subtil ausgehörtes Zusammenspiel.

Das Prachtstück unter den Mischbesetzungen hat Beethoven mit seinem Septett op. 20 in die Welt gesetzt: Violine, Viola, Cello und Kontrabass, Klarinette, Horn und Fagott: Kammermusikensemble und Mini-Orchester, sieben individuelle Instrumente und zwei autarke Klanggruppen zugleich. Das Werk vermittelt genial zwischen heiterem Divertimento und ernsthaft durchgearbeiteter Klassik. Bis 1830 war es Beethovens meistgespieltes Werk überhaupt. Ein Hit, der einige Komponisten zur Nachahmung gereizt hat. Schuberts kongenialem Oktett begegnet man manchmal, andere kennt man nur dem Namen nach. Genau diese Unbekannten einmal zum Vergleich darzubieten, ist eine Großtat der Parnassus-Akademie. Da entpuppt sich das Septett des schwedischen Romantikers Franz Berwald als fast schrulliges Werk. Es ist eher ein Nachtstück, in dessen eigenwillig ausgeleuchtetem Klangraum seltsame Dinge passieren. Selbst das schöne, aus einem schwedischen Volkslied entwickelte Adagio ist von einem skurrilen Scherzo durchbrochen. Im Finale treibt sich Gelichter herum, das alle melodischen Ansätze schnell unterbindet. Darin liegt die Faszination: Berwald narrt alle Hörer, die einen leicht konsumierbaren Ohrenschmaus erwarten.

Genau den serviert Conradin Kreutzer zur Genüge: Sein Septett erfüllt alle Normen; Man weiß immer genau, wo man sich in der Form befindet. Abwechslung und Kontraste sind wohlkalkuliert, die Melodien laden ein zum träumen. Fast anmaßend, bis in Details wie den 9/8 Takt des Adagio, nimmt Kreutzer auf das Beethoven-Septett Bezug, um es dann an Klangfülle, -farben und Melodiosität zu überbieten. Doch Beethovens Geist, die Wachheit, der Humor, die transzendente Schönheit des Adagio, ist Kreutzer um Lichtjahre voraus. Dann schon lieber Berwald!

Die Parnassus Akademie hat unter der künstlerischen Leitung von Michael Gross (am Cello) beide Septette mit der selben Sorgfalt einstudiert wie berühmte Meisterwerke. Die mustergültige Darbietung war an sich schon ein Genuss, in diesem wunderbar warmen, satt farbigen, von echt musikalischem Leben erfüllten Klangbild. Höher kann man hier wohl den Musenhügel nicht erklimmen. Viel Applaus für dieses interessante Konzert jenseits der üblichen Klassik-Kost.

Jörg Handstein