Skurril und reichlich überdreht

"Die Wiedervereinigung der beiden Koreas" im Metropoltheater München

22.01.2020 | Stand 02.12.2020, 12:08 Uhr
Einen Nervenzusammenbruch erleidet die Braut gespielt von Vannessa Eckart (Mitte), als sie erfährt, dass der Ehemann eine Affäre mit der eigenen Schwester hatte. −Foto: Turmes

München - Nein, mit Politik, gar mit der höchst unwahrscheinlichen Wiedervereinigung der beiden verfeindeten Koreas hat dieses Stück des 57-jährigen französischen Autors Joel Pommerat nichts zu tun.

Höchstens lässt sich im übertragenen Sinn eine lockere Verbindung zu diesem seltsamen Titel finden. Denn nicht nur von Hass, gegenseitiger Einschüchterung, massiven Drohungen und Eifersucht ist die Handlung bestückt, sondern auch von Liebe, wenngleich von enttäuschter Liebe und merkwürdigen bis schrulligen Annäherungsversuchen.

Glücklich scheinen sie zunächst ja alle zu sein, die Ehe- und die anderen Paare, zumindest reden sie sich das ein. Von Verheirateten und anderen Personen in Zweierbeziehung, die sich nicht kennen oder noch nie gesehen haben, handeln viele der 20 Miniszenen. Absurd soll das sein und ist doch zum größten Teil nur banal, wobei die rasant sich entwickelnde Eskalation der Emotionen und falschen Gefühle stets vorprogrammiert ist und vom Regisseur Jochen Schölch jedes Mal zur hochdramatischen Explosion gebracht wird. Etwa wenn eine Frau vom Glück mit ihrem Mann faselt, dabei einen ihr völlig Fremden umklammert, der nicht weiß, wie's ihm geschieht, oder wenn eine Sekretärin als graue Maus in wilde sexuelle Fantasien vor ihrem darob ganz verzweifelten Chef sich hineinsteigert. Die Brechtsche Valentin-Nummer nicht zu vergessen, in der die holde Braut von ihrer Schwester kurz vor der Hochzeitszeremonie gesteckt bekommt, dass der Herr Bräutigam ein Verhältnis mit ihr hatte. Schock rundum, die Braut erleidet einen Nervenzusammenbruch, während der Bräuterich kleinlaut und verzweifelt versichert, dass er die Schwester doch nur geküsst habe. Trotzdem Wut, Hass, Tränen und Tohuwabohu schier ohne Ende.

Schade, dass der ansonsten so subtil und poesievoll inszenierende Chef des Metropoltheaters diesmal mehr dem Klamauk zugetan war als den feineren Tönen. So lässt er denn die neun Schauspielerinnen und Schauspieler in 51 Rollen über zwei Stunden hinweg zwar rasant, aber reichlich übertrieben toben und rasen, wo statt outrierter Überdrehtheit auch mal subtilere Momente angebracht gewesen wären. Erst in den letzten Szenen blitzt dann doch feinsinniger absurder Humor auf, wenn die Liebe zur Illusion gerät und die
Ensemblemitglieder als ganz in Weiß gewandete Gespenster ihrer selbst auf Rollschuhen über die leere Bühne kreisen. Da hätten statt der meisten mit geballten Fäusten, Tobsuchtsanfällen, Rauf-, Brüll- und Heulorgien überquellenden Szenen einige dieser elegischen Augenblicke für einen gepflegten Theaterabend eigentlich auch genügt.

DK


ZUM STÜCK
Theater:
Metropoltheater, München
Regie:
Jochen Schölch
Bühne:
Thomas Flach:
Kostüme:
Sanna Dembowski
Dauer:
Zwei Stunden, dreißig Minuten (mit Pause)
Nächste Vorstellungen:
23.-26. Januar, 1., 3.-6. und 9. Februar
Kartentelefon:
(089) 32 19 55 33