Peepshow der Bäume

08.09.2008 | Stand 03.12.2020, 5:37 Uhr

Auf der Suche nach erotischen Bäumen: Gabriele und Tom Neumaier zeigen einen ironischen Wald-Striptease in der Theatergalerie. - Foto: oh

Ingolstadt (DK) Der Wald lebt, das steht nach diesen Fotos fest, und ziemlich geschlechtlich noch dazu. Vulven und Schamhaar, erschlaffte männliche Glieder und zarte Mädchenpos offenbaren die Bilder von Gabriele und Thomas Neumaier – und sind dabei doch nur Ausschnitte von Bäumen.

Warum haben Sie den Wald für unsere Augen ausgezogen?

Gabriele Neumaier: Zuerst mal: Dass Dinge sexualisiert oder erotisiert werden, das gibt es ja schon seit der Psychoanalyse. Der gute Herr Freud hat unter anderem schon Formen wie Türme als sexuelle Symbole erklärt. Wir sind mit vielen Projekten sehr waldverbunden – ich sowieso, weil ich ja aus dem Wald komme, aus dem Schwarzen –, und die Fantasien, die man selber im Kopf hat, haben wir übertragen auf Dinge, die wir täglich im Wald sehen. Also Bäume, und da haben wir entdeckt, dass die nicht nur aus Zweigen und Ästen bestehen. Manchmal sieht es so aus, als ob sie Menschen wären, die ihre Beine in den Himmel strecken. Wir haben diese Beine und Bäume erst mal umgedreht und dabei weitere Entdeckungen gemacht. Beispielsweise, dass zwischen beiden Astspalten Moos angesiedelt war . . . schon waren wir bei den sexuellen Formen. Mit dem ersten Entdecken war dann unser Blick geschult, und wir können egal durch welchen Wald gehen, wir finden eigentlich immer erotische Bäume. Übrigens hauptsächlich welche mit weiblichen Formen.

 

Angefangen hat die "Erotisierung des Waldes" 2002 in Darmstadt, wo Sie mit Thomas Neumaiers "Travelling Forest" beim "Waldkunstpfad" eingeladen waren und gemeinsam erstmals eine Baum-Performance entwickelten.

Thomas Neumaier: Ja, da war einerseits der "Travelling Forest" – und dazu der Gegenpol, das lustvolle Erleben des Waldes. Wir haben das so gemacht, dass wir die unserer Meinung nach erotisch aussehenden Teile von Natur mit Foto rausgezoomt haben – und vorher in der Natur selbst diese erotischen Stellen markiert haben, damit auch andere den Blick darauf richten – und dann bei der Eröffnung um Mitternacht im Wald mit donnernder Ouvertüre aus dem "Freischütz" diese Dokumentation vorgeführt haben. Und am nächsten Tag, was noch verblüffender in der Wirkung war, als kleine Peepshow in einer Waldhütte, die innen rot ausgekleidet war, gestaltet haben. Es sind ja eigentlich keine erotischen Bilder, sondern nur Baumausschnitte, aber der Effekt war, dass zum Teil Mütter ihre minderjährigen Kinder rausgeschickt haben oder immer wieder eine peinliche Atmosphäre entstand, so als ob man wirklich in einem Pornoschuppen wäre.

 

Dabei sind ja Ihre Fotografien gar nicht derb und zotig, sondern eher rührend kreatürlich und zart. Welche Bäume sind denn besonders erotisch?

Gabriele Neumaier: (spontan) Besonders erotisch ist die Buche!

Thomas Neumaier: Ich weiß nicht, ob es eine bestimmte Baumsorte ist. Aber ich finde, dass man das ganze Spektrum an den Bäumen assoziieren kann, an weiblicher und männlicher Geschlechtlichkeit, an Schönheit und Hässlichkeit, an junger und alter Haut, an verschiedenen Stellungen. Dass die Schönheit und Vielfalt der Natur die richtige Matrix ist, die Vielfalt seiner Fantasie schwelgen zu lassen.

 

Natürlich arbeitet auch dieses Projekt, wie der "Travelling Forest", mit Ironie. Trotzdem hat der eine Botschaft: Auf die Zerstörung der Natur aufmerksam zu machen. Ist das hier auch so?

Gabriele Neumaier: Indirekt schon: Indem man schöne Dinge erkennt. Indem man an Bäumen Dinge sieht, die man selber am Körper hat. Man empfindet mit der Zeit so was wie eine Verwandtschaft, eine enge Verwandtschaft, zwischen den eigenen Organen und Hautstrukturen – und denen der Bäume. Natürlich ist das Projekt auch eine Hommage an den Wald. Dahinter steht der Wunsch, diese wunderbare Natur, die so viele Merkwürdigkeiten, so viele Strukturen hervorbringt, zu erhalten.

Thomas Neumaier: Und der größte Trieb, die Natur zu erhalten ist, dass man sie schön findet und genießt. Wenn man keinen Bezug zu ihr hat, dann gibt es auch keinen Grund, sie zu erhalten. Insofern ist die Ab- sicht des "erotischen Waldes" schon deckungsgleich mit der des "Travelling Forest". Aber die Mittel sind ganz andere.

 

Sie haben bisher an die 300 erotische Bäume fotografiert – in Darmstadt, Korea, Japan, Frankreich oder am Ingolstädter Baggersee. Ist ein Ende abzusehen?

Thomas Neumaier: Das Projekt als solches ist unbegrenzt, weil man immer wieder neue schöne Bäume findet – es wird uns also weiter begleiten. Ganz konkret wollen wir aber als nächstes versuchen, den gesellschaftlichen Bezug, also die Ironisierung zur Pornografie weiterzutreiben. Und deshalb ein Projekt mit kleinen "Pornoheftchen" machen. Also Heftchen, die so aufgemacht sind wie tatsächliche Pornohefte und da sind dann diese Fotos vom Wald drin.

 

Theatergalerie, bis 13. September, Di bis Fr 11 bis 18 Uhr, Sa bis 0 Uhr.