Musiker einsam im Homeoffice

Guter Wille und schlechte Tonqualität: BR Klassik veranstaltet das Wohnzimmer-Festival MusikBleibt mit Stars wie Lang Lang und Andreas Ottensamer

30.03.2020 | Stand 02.12.2020, 11:38 Uhr
Einsam vor dem Bildschirm will sich nur schwer Festival-Feeling einstellen. −Foto: Schulze-Reimpell

München - Ist das nun also die Zukunft der klassischen Musik in Zeiten der Corona-Krise?

Müssen wir Festivals nun vor Computern, Fernsehern und Beamern akzeptieren, mit mäßiger Klangqualität aus kleinen Boxen und Künstlern ganz privat in Jeans? Festivals ohne Festival-Feeling? Immerhin häufen sich bereits die Absagen, über die wichtigen Sommerfestivals in Bayreuth und Salzburg wird bereits heftig diskutiert, die Audi-Sommerkonzerte mit ihren riesigen Open-Air-Events im Ingolstädter Klenzepark kann man sich derzeit kaum vorstellen.

Für den Bayerischen Rundfunk ist die Corona-Krise jedenfalls ein Experiment wert. Am Sonntagabend veranstaltete BR Klassik das Festival MusikBleibt, das sowohl im Rundfunk als auch als Stream live auf der Senderhomepage, auf Youtube und Facebook übertragen wurde.

Fast fünf Stunden Musik im ständigen Wechsel von Wohnzimmer zu Wohnzimmer: Musik aus dem Homeoffice. Die Künstler spendeten ihre Gagen dabei für den Nothilfefonds der Deutschen Orchester-Stiftung.
Man spürte den guten Willen - und man litt unter dem Mangel an Professionalität des BR, an den immergleichen Fragen und Antworten über die Folgen der Corona-Epidemie. Man ertrug, dass die ersten 25 Minuten die tapfere Moderatorin Annekatrin Hentschel wegen eines Tonausfalls nicht zu hören war. Und man wunderte sich, dass ein öffentlich-rechtlicher Sender selbst in der derzeitigen Not die Chuzpe hat, eine bekannte Sängerin - die Südafrikanerin Golda Schultz - ein Schubert-Lied ohne Klavierbegleitung vortragen zu lassen. Und dann wieder staunten wir über die Intensität, mit der sie sang, bis ihr die Tränen die Wangen herunterrollten. Das war ergreifend. Große Künstler kamen und spielten lässig in meist magerer Bild- und Tonqualität: Lang Lang und der hochvirtuose Geiger Augustin Hadelich, Magdalena Ko? ená, der Klarinettist Andreas Ottensamer und das Goldmund Quartett, das sich nicht traf, sondern die Stimmen eines Haydn-Stücks einzeln aufnahm und hinterher zusammenfügte. Da waren auf Facebook gerade noch 70 Musikfreunde, die das hören wollten.

Festspielangemessen hatte sich Raphaela Gromes gekleidet und spielte die von ihr wiederentdeckte erste Cellosonate von Richard Strauss. Hinterher erzählte sie der BR-Moderatorin Hentschel von den Nachteilen eines solchen Konzertformates in den sozialen Netzwerken: "Das kann nie die Aufmerksamkeit, die Spannung erzeugen, wie ein Konzert im Konzertsaal vor Publikum. "

Sie hat recht. Und wir sehnen den Tag herbei, wenn wir wieder all diese fantastischen Musiker live auf der Konzertbühne erleben dürfen.

DK