Ingolstadt
Lebenslust und Weltschmerz

Das Bluesfest Ingolstadt startet am 1. Mai – Eine Liebeserklärung an einen Musikstil in all seinen Variationen

25.04.2018 | Stand 02.12.2020, 16:30 Uhr

Ingolstadt (DK) „Ois is Blues“, sang Willy Michl in den 1970ern, „Blues & More“ ist das Motto des diesjährigen Ingolstädter Bluesfests. Diese Musik, die vor mehr als 100 Jahren im Süden der USA entstand, war noch nie eine Angelegenheit für Puristen. Was die Anhänger der „reinen“ Lehre freilich lange nicht wahrhaben wollten. Auch in den ersten Jahren des hiesigen Bluesfests gab es „Fans“, die Konzerte nur dann besuchten, wenn Musiker schwarzer Hautfarbe auftraten.

Dabei gab es den Blues schon immer in verschiedensten Varianten, als ländliche Musik auf den Plantagen des Südens, in elektrifizierter Form in den Metropolen des Nordens, im Rotlichtviertel von New Orleans und Memphis, in den Jazz-Ballrooms an der Ostküste, in der Spelunke und in der Carnegie Hall. Er stand in Woodstock mit auf der Bühne, Charly Parker spielte ihn im Birdland in New York. Längst hat er die Welt erobert, spielen Herkunftsregion und Hautfarbe keine Rolle mehr, längst hat er sich vermischt mit anderen Musikformen, hat Einzug in die Hitparaden gefunden. Nicht immer ist er auf den ersten Blick zu erkennen, aber er bildet immer wieder den Humus, auf dem Neues gedeihen kann, ist Katalysator. Ob Hip-Hop oder Pop, ob Rock oder Dance – er hinterließ und hinterlässt Spuren.

Blues ist leicht und gleichzeitig schwer zu spielen. Die ihm eigene, typische Akkordfolge beherrscht jeder Gitarrenanfänger im Nu, aber das reicht nicht. Es reicht nicht einmal technisches Können allein. Er funktioniert nur, wenn er das Herz dessen trifft, der ihn hört. Als sterile Hintergrundmusik ist er vollkommen untauglich. Ihn so zu spielen, dass er den Hörer anrührt, ist eine Kunst. In kleinen Clubs gelingt das erfahrungsgemäß oftmals leichter als in großen Hallen oder Arenen. Man ist als Hörer dort ganz einfach näher an der Musik dran, auch emotional. Die Neue Welt ist dafür ein geradezu idealer Ort. Ein Kriterium bei der Verpflichtung der Musiker für das Ingolstädter Festival ist deren Authentizität. Sie alle haben bereits bewiesen, dass sie emotional mitreißen können, nicht mit vordergründigen Showeinlagen oder purer Lautstärke, nicht mit seelenlosem Gedudel, sondern mit echter Hingabe an „ihre“ Musik, mit Aufrichtigkeit dem Publikum gegenüber. Mit Blues – mit welchem Genre er sich auch immer vermischt, wie gut er sich mitunter sogar versteckt haben mag – geht das. Nicht umsonst kann man bei häufigem Kontakt mit ihm „den Blues kriegen“ oder „den Blues haben“, was Weltschmerz, aber ebenso Lebenslust bedeuten kann. Nur eines geht nicht: Beim Blues emotional unbeteiligt bleiben.