Ingolstadt
Frische Dynamik trifft auf reife Homogenität

Der Jugendkammerchor Ingolstadt präsentierte sein Jahreshauptkonzert mit Gästen aus Serbien

27.05.2019 | Stand 23.09.2023, 7:11 Uhr
Der Jugendkammerchor Ingolstadt unter der Leitung von Eva-Maria Atzerodt gab mit seinem Partnerchor aus Kragujevac ein Konzert in der Franziskanerkirche. −Foto: Schaffer

Ingolstadt (DK) In Ingolstadt findet interkultureller Austausch in unterschiedlichsten Formen und Projekten statt.

Ein wunderbares Beispiel dafür ist die seit drei Jahren bestehende Kooperation zwischen dem Jugendkammerchor und seinem Partnerchor aus dem serbischen Kragujevac. Beide Gesangsformationen gaben nun erneut ein umjubeltes gemeinsames Konzert in der Franziskanerkirche - mit einer großen Programm-Spannweite vom Mittelalter bis hin zu zeitgenössischen Kompositionen und Popsongs.

"Exultate Deo": Zwei ganz unterschiedliche musikalische Umsetzungen dieses Gotteslobs setzte der Jugendkammerchor zu Beginn seines Auftritts in einen spannenden Bezug. Palestrinas Renaissance-Vertonung des Psalms gestalteten die jungen Sängerinnen und Sänger unter dem versierten Dirigat von Eva-Maria Atzerodt schwungvoll als kanonisch sich aufbauende Jubelmotette. Francis Poulencs moderne Variante dagegen mit ihrer aufrüttelnd dissonanten Harmonik ließen sie in klarer Deklamation lebendig, ehrfürchtig und dramatisch sich entwickeln. Ebenso dynamisch austariert wie kraftvoll intoniert geriet Mendelssohns "Jauchzet dem Herrn alle Welt", in dessen Mittelteil auch ein Solistenoktett glänzen durfte. Dass das romantische Repertoire dem energetisch hochagilen Vokalensemble besonders liegt, zeigte es auch in lebhafter Akzentuierung bei Josef Rheinbergers "Frohlocket ihr Gerechten" oder in anrührender Schlichtheit bei den Volksliedern "Der Mond ist aufgegangen" und "Die Blümelein sie schlafen".

Untermalt von einem sanft wiegenden Laut-Klangteppich, vollzog sich überzeugend wandlungsfähig der mysteriös-meditative Wechsel zum neueren Satz "Help us, O Lord" von Aaron Copland sowie zu seinem eindringlich-atmosphärischen "Thou O Jehovah, Abideth". Erst fließend, dann wieder scharf artikulierend machte der Jugendkammerchor anhand von Petr Ebens italienischem "Cantico delle creature" nicht nur deutlich, welch technisch anspruchsvolle Herausforderungen er meistert, sondern vor allem, was dieser "Sonnengesang" des Heiligen Franz von Assisi eigentlich ist: ein lautmalerisch-bildhafter, dankbarer Lobpreis auf die Schöpfung. Umso stärker kamen daraufhin die sich reibenden Strömungen aus Eric Whitacres "Water night" bald düster, bald silbrig tönend zum Tragen.

Mit vollem Körpereinsatz, Händereiben, Plopp- und Schnipp-Geräuschen, Schenkelklopfen, besonders aber mit einer rhythmusreichen Soundbegleitung am Mikrofon durch einen Beatboxer aus den eigenen Reihen schufen sich die Sängerinnen und Sänger selbst die perkussive Grundlage für Totos 80er-Kulthit "Africa". Eine nostalgische Rockhymne, die in dieser starken Performance bewies, dass man ihre exotische Wirkung auch mit rein vokalen Effekten erzielen kann. Jazzig-bluesiges Gospel-Feeling kam bei den Spirituals "Didn't my Lord deliver Daniel" mit zart gesungenem Sopransolo und dem göttlich-visionären "Ezekiel saw de wheel" auf. Sogar zwei hebräische Auszüge aus Sid Rabinovitchs "Talmud Suite" zauberten stimmungsvolle, facettenreiche Eindrücke von jüdisch-sakraler Gebetsmusik in den Kirchenraum.

Bestach der Jugendkammerchor durch seine jugendliche Frische der Stimmen, Feingefühl für dynamische Schattierungen und textliche Ausdeutung, so imponierte die serbische Sängervereinigung Kragujeva? ko Peva? ko Dru?tvo unter der profunden Leitung von Djordje Catic mit ihrem reifen, erwachsenen Timbre und homogener Klangerzeugung. Eindrucksvoll stellte sie die reiche Vielfalt der Kompositionen aus ihrer Heimat vor: mit mächtigen Bassphrasierungen geerdet einen mittelalterlich-orthodoxen Ritus aus dem 12. Jahrhundert, schwebend-luzide ein zeitgenössisches "Vater unser". Daneben sibirische und ukrainische Sätze wie eine in inniger Verschmelzung dargebotene Marienanbetung oder ein fast symphonisches Chorkonzert von Dmitrij Bortnjanski als spirituell-kontrastreiche Emphase.

Folkloristische Lebensfreude, aber auch Schwermut vermittelten die Serben anhand einer Lieder-Rhapsodie aus dem Zyklus "Rukoveti", die auf traditionellen Volksweisen basiert. Tänzerisch synkopiert kam die aparte Bearbeitung einer mazedonischen Melodie von Bogoljub Dimic daher.

Am Ende vereinten sich beide Chöre in andächtiger Klangsynthese zu Rachmaninovs "Ave Maria", bevor unter enthusiastischen Standing Ovations die scheidenden Mitglieder des Jugendkammerchors traditionell zu Rheinbergers "Abendlied" mit Rosen verabschiedet wurden.

Eine mehr als gelungene, nicht nur musikalisch befruchtende Besiegelung der Städtepartnerschaft zwischen Ingolstadt und Kragujevac.

Heike Haberl