Ingolstadt
Blick in die Weite und ins Detail

Hommage an die Natur: Victor Kraus und The Swan Collective stellen im Kunstraum in Ingolstadt aus

02.10.2018 | Stand 23.09.2023, 4:33 Uhr
Abstrahierte Landschaften: Victor Kraus vor seinem großformatigen Gemälde "Landscape for an Unknown Painter". −Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Die Gemeinsamkeit der beiden Künstler steckt im Titel der Ausstellung: "Bios." Leben, Lebewesen. Natur. Das ist aber auch schon fast das einzige, was die beiden verbindet. Abgesehen davon, dass sie Vater und Sohn sind. Victor Kraus und Felix Kraus - der unter dem Namen The Swan Collective als Künstlerkollektiv mit fünf Gestalten in persona arbeitet - stellen derzeit in ihrer ersten gemeinsamen Doppelausstellung im Kunstraum an der Beckerstraße in Ingolstadt aus.

Der eine ist im unmittelbaren Vergleich der klassische Maler. Mit seinen eignen Worten und schmunzelnd dahergesagt eher: "ein Fossil": Leinwand, Acryl, Landschaften, Interieurs, Stillleben. Sein Sohn geht andere Wege, findet neue Ausdrucksformen, neue Techniken: von Malerei, Literatur bis zur Performance, Prägearbeiten und Virtual Reality. Erst kürzlich war der 32-Jährige, der wie sein Vater an der Akademie der Bildenden Künste in München studiert hat und jetzt in Berlin lebt, im Stadtmuseum Stuttgart in einer großen Ausstellung über "Mixed Realities" vertreten.

Doch Victor Kraus, Jahrgang 1954, ist beileibe nicht der Landschaftsmaler, der seine Kunst als Abbild der Realität versteht, der als Pleinairmaler arbeitet oder sich mit Skizzen oder Fotografien als Vorlagen ins Atelier zurückzieht. Vielmehr geht es dem erfolgreichen und vielfach preisgekrönten Künstler . der zwischen seinem umgebauten Stadel in Kinding im Altmühltal und München am Wochenende pendelt - früher war es anders herum - schon immer um die Loslösung vom Motiv. Seine ausdrucksstarke Bildsprache liegt zwischen Erinnerungsmomenten und Abstrahierung, stets in der Auseinandersetzung mit den klassischen Sujets. Mit großzügigem und teils impulsivem Pinselduktus entstehen dichte, häufig großformatige Werke.

In der Galerie von Andrea Amann, Eckhard Lackas und Rainer Masset sind aktuelle Ansichten von Wiesen und Feldern, von der Lagune in Venedig oder Stimmungsbilder zu sehen. Horizonte, weite Farbflächen, leicht dahingeworfene Blumen, wunderbare Stillleben.

Geht es Victor Kraus um den Makrokosmos, den weiten Blick, öffnet Felix Kraus den Blick auf das Detail, schafft einen Einblick in einen wahrlich kleinteiligen Mikrokosmos: Urzeittierchen, Organismen, Zellstrukturen tummeln sich in seinen Werken, die absolute Hingucker sind. Irritiernd wie die Motive ist auch die höchst präzise handwerkliche und aufwendige Technik, die ohne Erklärung nicht zu ergründen ist. Die Formen werden per Hand als Negativform in eine Holzplatte gefräst. Geschöpftes Büttenpapier wird mit 40 Tonnen Druck hineingepresst. Die Prägung wird auf einen Abstandhalter aufgezogen und im selbst gebauten LED-Rahmen montiert. Der Schlagschatten der Beleuchtung betont den starken Reliefcharakter der Motive. Anfangs hat Felix Kraus sogar das Material noch selbst geschöpft, inzwischen bezieht er das feine und kostbare Papier aus der berühmten Papierfabrik Gmund am Tegernsee.

Inspiration sind ihm für sein Puzzle der Natur auch schon einmal ein Anatomisches Lexikon aus der hauseigenen Bibliothek. Er lenkt den Blick auf die Evolution, die Analogien zwischen den phänotypischen Formen von Spermien, Quallen und Pilzen oder der Verzweigung von Blitzen und Wurzelgeflechten bis hin zum Zellaufbau von Pflanzen und menschlichen Organen. Alles ist eng verknüpft, die Trennung zwischen Umwelt und Mensch findet nur im Kopf statt. Letztlich ist alles ein Universum mit fließenden Übergängen. Das alles ist ästhetisch wie inhaltlich höchst faszinierend.

Kunstraum, Beckerstraße 4, Ingolstadt: Bios. Victor Kraus & The Swan Collective, bis 31. Oktober. Donnerstag und Freitag von 15 bis 19 und Samstag von 11 bis 15 Uhr oder nach telefonischer Vereinbarung unter (0172)8092412.

Katrin Fehr