Massiver Protest im Internet gegen Vorratsdatenspeicherung

30.11.2013 | Stand 02.12.2020, 23:21 Uhr

Mainz/Berlin (DK) Die große Koalition ist noch nicht im Amt, da schlägt ihr schon Gegenwind und Protest aus dem Internet entgegen. Hintergrund ist die von CDU/CSU und SPD im Koalitionsvertrag fixierte Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung. Auf der Homepage change.org haben bereits mehr als 15.000 Bürger eine Online-Petition gegen die anlasslose Massendatenspeicherung unterschrieben.

Nach dem Willen von Union und SPD sollen Telekommunikationsdaten prinzipiell und ohne Anlass gespeichert werden. So soll zum Beispiel nachvollziehbar sein, wer wann mit wem telefoniert hat und wo er dabei war, oder wer wem wann von wo aus eine E-Mail geschrieben hat.

Der Zugriff auf die gespeicherten Daten zur Kriminalitätsbekämpfung soll nach dem Willen von Union und SPD nur in engen Grenzen erlaubt werden. Die Befürworter der Vorratsdatenspeicherung versprechen sich von ihr Vorteile zum Beispiel bei der Terror-Bekämpfung oder beim Kampf gegen die organisierte Kriminalität. Die Gegner solch einer Regelung betonen stets, dass niemand etwas gegen zielgerichtete Ermittlungen bei konkreten Verdachtsfällen habe, sehr wohl aber gegen eine anlasslose Speicherung der Kommunikationsdaten aller Bürger.

"Nein zur Vorratsdatenspeicherung im Bundesrat!", ist die Online-Petition überschrieben, die der FDP-Politiker Tobias Huch auf change.org initiiert hat. Er argumentiert: "Die Aufzeichnung von Informationen über die Kommunikation, Bewegung und Mediennutzung jedes Bürgers stellt die bislang größte Gefahr für das Recht auf ein selbstbestimmtes und privates Leben dar." Die Vorratsdatenspeicherung sei eine menschenrechtswidrige Maßnahme. Denn sie greife unverhältnismäßig in die Privatsphäre ein, verhindere weder Terrorismus noch Kriminalität und könne zudem von Kriminellen leicht umgangen werden.

"Alle unsere täglichen Kontakte und Bewegungen erfassen zu wollen, ist ein Vorhaben unerhörten Ausmaßes", sagt Ute Elisabeth Gabelmann vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. "Die Vorratsdatenspeicherung ist ein Dammbruch für unsere Freiheit und informationelle Selbstbestimmung, den wir der Regierung nicht durchgehen lassen werden."

"Die Ziele der Petition unterstützen wir voll und ganz", sagt der Ingolstädter Andreas Popp, scheidender Beisitzer im Bundesvorstand der Piratenpartei. Er hofft, dass die einzelnen Oppositionsgruppen in Sachen Vorratsdatenspeicherung zusammenarbeiten. Konkret bezieht er sich auf die FDP, die für zwei Bundesländer (Hessen und Sachsen) im Bundesrat vertreten ist. "Ich persönlich setze aber vor allem auf ein klares Signal bei Europawahl, damit wir europäische Richtlinie, auf der die Vorratsdatenspeicherung beruht, loswerden", sagt Popp.

SPD-Chef Sigmar Gabriel weht der Wind aber auch aus seiner eigenen Partei entgegen. SPD-Netzpolitiker Markus Winkler bezeichnete Gabriels jüngsten Äußerungen im ARD-Brennpunkt "Der schwarz-rote Vertrag" als "unwürdig und falsch". Der Journalist Ulrich Deppendorf hatte Gabriel befragt, wie man angesichts des NSA-Überwachungsskandals an der Vorratsdatenspeicherung festhalten könne. Gabriel verwies auf das Massaker, das Anders Breivik im Juli 2011 in Norwegen angerichtet hatte: "Durch die dortige Vorratsdatenspeicherung wusste man sehr schnell, wer in Oslo der Mörder war, ob er Leute dabei hatte."

Im Blog der SPD-Netzpolitiker betont Winkler, dass es in Norwegen 2011 noch keine Vorratsdatenspeicherung gegeben habe. Zwar habe das norwegische Parlament im April 2011 für die Einführung der Vorratsdatenspeicherung gestimmt. Doch natürlich sei diese nicht bis Juli des gleichen Jahres umgesetzt gewesen. "Derzeit ist der Start für Januar 2015 geplant." Markus Winkler schlussfolgert: "Wer auch immer Gabriel diesen Bären aufgebunden hat: Mit so einer falschen Behauptung werden die Opfer des Massenmörders Breivik instrumentalisiert und damit jegliche Kritik an der Vorratsdatenspeicherung diskreditiert." Innerhalb der SPD gibt es zudem den Zusammenschluss "Sozis gegen Vorratsdatenspeicherung". Sie betonen: "Wir glauben, dass die Vorratsdatenspeicherung nicht mit den Grundsätzen der Sozialdemokratie vereinbar ist." Alles in allem lehnen 60 Gliederungen der SPD die Vorratsdatenspeicherung ab.

"Es bleibt dabei: Die Vorratsdatenspeicherung ist weder erforderlich noch verhaltnismaßig“, sagt der Datenschutzbeauftragte des Bundes, Peter Schaar, jüngst dem DONAUKURIER. Auch er verweist darauf, dass die Notwendigkeit bisher nicht bewiesen sei – weder in Deutschland, noch auf europaischer Ebene. Die Vorratsdatenspeicherung wird auch nicht nur in Deutschland kritisiert. Beim Europaischen Gerichtshof (EuGH) sind zwei Verfahren anhangig – eines aus Osterreich und eines aus Irland. Es geht um die Frage, ob die Regelung mit europaischen Grundrechten vereinbar ist.

Von Tom Webel