Nachgefragt zur Datenschutzverordnung bei Angelika Niebler und Jan Philipp Albrecht

12.06.2015 | Stand 02.12.2020, 21:12 Uhr
Jan Philipp Albrecht −Foto: Fritz Schumann

Ingolstadt (DK) Die geplante EU-Datenschutzverordnung betrifft rund 500 Millionen Bürger. Wir haben mit den Europapolitikern Jan Philipp Albrecht (Grüne) und Angelika Niebler (CSU) über die Reform des Datenschutzes gesprochen.

Inwieweit kann die europäische Datenschutzreform den Ausverkauf der persönlichen Daten stoppen?
Jan Philipp Albrecht: Die geplante EU-Verordnung soll den Bürgern die Möglichkeit geben, besser zu kontrollieren, dass persönliche Daten nicht ungewollt durch Unternehmen in Umlauf gebracht werden. Für die Verbraucher minimiert sich dadurch künftig das Risiko, dass ihre Daten in die Hände von Menschen oder Behörden geraten, die diese nicht haben sollten.
Angelika Niebler: Mit der Datenschutzgrundverordnung soll ein hoher Datenschutzstandard in Europa im digitalen Zeitalter sichergestellt werden. Die europäische Verordnung soll Unternehmen wie Google oder Facebook daran hindern, freizügig persönliche Daten der Nutzer ohne deren Einwilligung abzugreifen.
 
Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte vor einiger Zeit, die Datenschutzreform habe höchste Priorität. Wie erklären Sie sich, dass gerade Deutschland im EU-Ministerrat versucht, das Vorhaben zu bremsen?
Albrecht: Weil es vonseiten der Bundesregierung schon lange den Wunsch gegeben hat, den Datenschutz in Deutschland abzuschwächen. Die Gründe dafür sind einerseits Sicherheitsbelange, aber auch Interessen der Industrie. Aufgerüttelt durch die Erkenntnisse über die ganzen Spähaktivitäten der Geheimdienste hat sich die Öffentlichkeit aber dagegen gewehrt. Die Bundesregierung reagiert darauf nun und öffnet sich hier langsam für die Interessen der Verbraucher und Bürger.
Niebler: Mir ist nicht bekannt, dass Deutschland nicht konstruktiv verhandeln würde. Die Bundeskanzlerin hat mehrfach erklärt, dass die Verordnung ein wichtiges Anliegen sei, das sie persönlich unterstütze. Meines Wissens nach wurde von deutscher Seite auch einiges bei den Beratungen unter den Mitgliedstaaten eingebracht.
 
Die Webseite Lobbyplag verdeutlicht den Einfluss der Industrie auf die Gesetzgebung. Sind am Ende die großen Unternehmen die Gewinner der Reform?
Albrecht: Es wurde sehr deutlich, dass Interessenvertreter versuchen, auf den Ministerrat einzuwirken. Das zeigt, dass die Belange der Verbraucher in Bedrängnis geraten. Es bleibt zu hoffen, dass die Minister sich nicht einseitig beeinflussen lassen, sondern die Interessen der Bürger und Verbraucher ebenso ernst nehmen. Das ist auch im Sinne der Unternehmen, denn nur ein starkes Vertrauen der Verbraucher in die Verordnung wird zu einem funktionierenden Binnenmarkt führen.
Niebler: Nein, im Gegenteil: Wir wollen für unsere Bürger ein hohes Datenschutzniveau in der digitalen Welt sichern, andererseits aber unseren europäischen Firmen ermöglichen, dass sie Geschäftsmodelle im Internet entwickeln können. Natürlich gibt es in Brüssel viele Lobbyisten. Lobbyplag ist auch eine Nichtregierungsorganisation, die Meinung machen will. Die Datenschutzgrundverordnung betrifft einfach jeden Bürger sowie jedes Unternehmen, das Daten verarbeitet. Als EU-Politiker müssen wir uns mit den Meinungen aller Interessenvertreter beschäftigen, um uns eine Meinung bilden zu können. Wichtig ist einfach, sich nicht nur eine Position anzuhören, sondern die unterschiedlichen Positionen und Interessen zu kennen und sie sorgfältig gegeneinander abzuwägen.
 
Besteht die Gefahr, dass die Datenschutzverordnung den bisher geltenden deutschen Standard untergräbt? Albrecht: Wenn 28 Mitgliedstaaten eine einheitliche Verordnung verabschieden wollen, kann diese nicht so aussehen wie das Gesetz eines dieser Länder. Das Positionspapier, das vom Europäischen Parlament im vergangenen Jahr verabschiedet wurde, beinhaltet einen Standard, der im Vergleich zum deutschen Datenschutzrecht sogar höher ist. Es geht nun darum, welche Position der EU-Ministerrat liefert.
Niebler: Der Gesetzentwurf, den die EU-Kommission 2012 vorgeschlagen hat, orientiert sich stark an den Regeln des deutschen Datenschutzes. Wir haben das geltende Recht nicht revolutioniert, sondern weiterentwickelt. An dem Grundkonzept, das einen hohen Datenschutzstandard für unsere Bürger vorsieht, haben wir nichts geändert. Ich habe bislang auch nichts davon gehört, dass wir unseren Standard nicht halten. Im Gegenteil: Viele Firmen sind der Ansicht, dass die EU das Thema zu rigide angeht.
 
Gefährden die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen TTIP den EU-Datenschutz?
Albrecht: Es ist eindeutig, dass die USA sowie andere Interessenvertreter versuchen werden, die Europäer auch von ihrem Datenschutzstandard abzubringen. Die EU-Kommission muss bei den Verhandlungen mit den Amerikanern klarstellen, dass unser Datenschutz nicht unterwandert werden kann – zumal er als Grundrecht in unserer Verfassung verankert ist.
Niebler: Die EU-Kommission hat von den Mitgliedstaaten der EU ein Verhandlungsmandat zu TTIP erhalten. Der Datenschutz ist darin nicht enthalten. Zwischen Europa und den USA besteht ein Datenschutzabkommen. Wenn wir mit den Amerikanern über dieses sprechen, geschieht das unabhängig von den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen.